Jamil - Zerrissene Seele. Farina de Waard

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Jamil - Zerrissene Seele - Farina de Waard

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mich fort von dem Baum und diesem grässlichen Ort! Sag meinen Leuten, dass ich lebe, sag ihnen, sie sollen mir helfen!«

      »Das kann ich nicht! Du gehörst jetzt zum Geist des Hara–Baumes, er entscheidet über dich. Es tut mir leid, ich wollte nicht, dass du stirbst. Ich dachte wirklich, er würde dich heilen.«

      »Nein! Dann töte mich! Ich will kein Dämon werden, der im Schatten des Todes existiert!«, meinte er flehend, aber die Stimme versagte ihm. Er hustete und verzog das Gesicht beim Geschmack des Blutes.

      »Du bist schon ein Verfluchter. Ich habe es in deinem Blick gesehen, als du mir das Messer weggenommen hast. Der Geist des Baumes geleitet dich hinüber in die andere Welt, wahrscheinlich, um dich von diesem Dämon zu befreien.«

      Er presste die Lippen aufeinander und echtes, menschliches Leid zeigte sich auf seinem Gesicht.

      Als er wieder zu sprechen begann, war seine Stimme leblos. »Ich wusste nicht, dass man verflucht und ein Dämon … sein kann, ohne es zu spüren. Also, warum findest du … es nicht heraus, ob man mich noch töten kann? Nimm das Messer und … stich zu!« Seine Stimme wurde plötzlich energischer. »Schneid mir die Kehle durch und befreie mich von meinen Qualen, denn … ich dachte immer, Dämonen seien starke, mächtige Wesen – und nicht gebrochen, von Fieber und Schmerz halb von Sinnen, so wie ich. Wenn ich jetzt ein Dämon bin, dann will ich keiner sein, denn ich bin schwach und hilflos.«

      Asha zögerte, dann machte sie einen Schritt auf ihn zu, das Messer hoch erhoben.

      Es war erschreckend, wie zusammengesunken er da lag, aber sie sah auch das Glimmen in seinen Augen …

      »Das ist eine Falle! Du willst, dass ich dir wieder näher komme!«

      Sie meinte fast, so etwas wie ein verzweifeltes Lächeln auf seinen Zügen zu erkennen. Er versuchte zu lachen, doch es kam nur ein schwaches Gurgeln aus seiner Kehle. Sein Kopf lag noch immer seitlich an die Wurzeln gelehnt. Blut lief aus seinem Mundwinkel und auch die Wunden an seiner Seite hatten sich wieder geöffnet.

      Sie verspürte den beängstigenden Drang, ihm zu helfen, ihm die Wunden zu verbinden und sein Leid zu lindern, doch ihre Vorsicht hielt sie zurück. Obwohl er unglaublich schwach wirkte, schien er nicht an dem Blutverlust zu sterben, wie es ein Mensch getan hätte.

      »Ich kann mich nicht mal aufrichten, aber du hast Angst, ich könnte dir etwas antun«, murmelte er und lachte auf.

      War er verrückt geworden? Sein Blick wirkte fiebrig, aber konnte ein Dämon krank sein? Sie hatte noch nie davon gehört, dass man sich ihnen so nähern, geschweige denn ein Gespräch mit ihnen führen konnte.

      »Das Leben rinnt aus mir, aber ich sterbe nicht. Du glaubst, ich werde mich auf dich stürzen – dabei gibt es nur eine Person, die ich wirklich zerreißen möchte: Derjenige, von dessen Bogen die Pfeile schnellten, die mein Fleisch zerfetzt haben. Meine Familie denkt, ich sei verflucht, aber soll ich dir etwas verraten? Ich weiß nicht, was mit mir geschehen ist. Als ich von der Klippe stürzte und meine Knochen auf den Felsen zerschmetterten – da habe ich keinen Pakt mit einem Gott der Anderwelt geschlossen oder mich einem Geist als Hülle gegeben.«

      Er hielt inne und zog rasselnd Luft ein. »Ich habe einfach überlebt. Aber für meine Leute bin ich ein furchtbares Monstrum in einem toten Körper, ein Albtraum. Unsere Seherin hat mich verbannt … und jetzt lassen mein Vater und meine Mutter mich leiden und hoffen, dass ich verschwinde … und sie sind zu feige, mich anzusprechen oder zu töten! Sie glauben, dass ich ein listiger Teufel bin, der so tut, als sei er noch ein Mensch, um ihnen nahe zu kommen. Und du … dummes Mädchen denkst … dasselbe wie sie …«

      Dem Dämon versagte die Stimme. Er hatte all seine Kräfte in dieser energischen Rede aufgezehrt. Helles Blut lief aus seinem Mundwinkel, als er röchelte und anfing krampfhaft zu husten, dann erschlaffte sein Körper vollends.

      »Ich habe so Durst …«, wisperte er mit rauer Stimme.

      Ein Schaudern lief durch ihren Körper, das sie sich selbst nicht richtig erklären konnte. »Wirst … wirst du mich töten, wenn ich dir helfe?«, fragte sie leise.

      Er öffnete zitternd die Augen und bei ihrem Gesichtsausdruck lachte er erneut röchelnd. Ashas Angst und Faszination wandelten sich in Ekel, als ihr sein Blut entgegen sprühte.

      Einen Moment war sie erstarrt, dann wischte sie die feuchten Tropfen auf ihrem Gesicht mit dem Handrücken weg.

      »Wann begreifst … du es endlich?«, fragte er mit zitternder, kaum hörbarer Stimme. »Egal, ob ich … nun ein Dämon bin oder nur ein … sehr armseliger Mensch. Ich denke wie du und werde vermutlich nur durch den Geist … dieses verdammten Baumes in dieser Welt gehalten … Selbst wenn ich bald sterben sollte, wünsche ich mir doch, dass du mich nicht noch beleidigst … Wer wäre denn so dumm, seinen einzigen Helfer zu töten?«

      Asha presste die Lippen aufeinander und deutete ein Nicken an, bevor sie sich langsam aufrichtete und einen Schritt zurück trat.

      Als sie weit genug entfernt war, wagte sie es, sich nicht mehr rückwärts von ihm zu entfernen. Sie warf einen letzten, forschenden Blick auf das Wesen, das noch immer nicht starb.

      Dann fragte sie sich, was der Geist des Hara–Baumes wohl mit diesen Taten bezweckte. Sie sah, dass das Gras um den dunklen Körper in den letzten drei Tagen so hoch gewachsen war, das man ihn von weiter weg kaum noch sehen konnte. Nur seine Hand ragte zwischen den starken Halmen hervor und der Oberkörper lag erhöht an den Wurzeln des Baumes, wo sein Kopf auf einem dicken Knoten ruhte.

      Seine Haut leuchtete schwach im Mondlicht, dann schoben sich große Wolken vor den Mond und sie hörte nur noch sein leises, flüsterndes Bitten nach Wasser.

      Schwäche

Bild13

      Jamils Mutter hatte die Nähe der anderen nicht mehr ausgehalten. Eigentlich war sie es als wichtige Persönlichkeit von Kas’Tiel gewohnt, permanent von allen beobachtet zu werden … doch hier machte es sie nervös. Als Aldos Frau schauten alle erwartungsvoll zu ihr hin, vor allem die Frauen vertrauten darauf, dass sie ihnen Hoffnung und Trost spendete. Aber in Wahrheit zerriss es Navenne jedes Mal das Herz, wenn ihr Blick in die Nähe des Hügels glitt oder man über ihren Sohn als Ungetüm und Dämon sprach.

      Es war dunkel geworden, während die anderen Frauen Essen für die hungrigen Mäuler zubereiteten. Der Mond und einige Kochfeuer erhellten die Senke – da hatte sie sich davongestohlen und verbarg sich in der Dunkelheit hinter der Baustelle ihres Hauses, das jetzt auf Aldos Befehl hin entstand. Die ersten Wände standen bereits, waren aus gefällten Stämmen geschichtet, die sie für den nahenden Winter noch irgendwie würden dämmen müssen. Die Frauen hatten Moos und Gras dafür vorgeschlagen, während die Männer einfach verbissen und stur weiterarbeiteten, als würden sie von den Göttern angetrieben.

      Mit steifen Bewegungen ließ Navenne sich im Schutz des halbfertigen Hauses auf einige Stämme sinken, die darauf warteten, ebenfalls verarbeitet zu werden.

      Einen Moment hielt sie die Luft an, dann fiel die ständige Kontrolle von ihr ab.

      Tränen traten ihr in die Augen und ihre Kehle schmerzte, so zugeschnürt fühlte sie sich an.

      »Mein armer Junge«, flüsterte sie atemlos und schlang sich die Arme um die schmerzende Brust.

      Als

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