Jamil - Zerrissene Seele. Farina de Waard

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Jamil - Zerrissene Seele - Farina de Waard

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auf.

      »Was tust du da? Die Seherin hat doch gesagt, wir sollen dem Dämon keine Aufmerksamkeit schenken. Um ihn zu trauern, macht ihn nur stärker!«, begann Aldo erbost.

      »Das ist mir egal! Ich zeige es nicht vor den anderen. Aber was ich tief in mir empfinde, ist allein meine Angelegenheit.«

      Sie wusste, wie schrecklich sie in ihrer Verzweiflung und Verletzlichkeit aussehen musste, aber das war ihr gleich.

      »Bitte, Aldo! Tu etwas! Ich ertrage das nicht … gib mir meinen Sohn zurück!«, flehte sie.

      »Jamil ist tot! Er existiert nicht mehr!«

      »Die Seherin muss sich irren!«

      Aldo hob die Hand und einen Moment lang dachte sie wirklich, er würde sie schlagen. Entsetzt starrte sie ihren Mann an, der ihr auf einmal so fremd vorkam.

      »Das erzürnt die Götter, Navenne!«, presste er schließlich zwischen schmalen Lippen hervor und ließ die Hand wieder sinken. »Wir haben hier keine Tempel und nur eine einzige Seherin. Ihr Wort gilt! Sie hat mit den Göttern gesprochen und von ihnen die eindeutige Warnung erhalten, dass Jamil gefährlich ist. Er ist kein Mensch mehr.«

      »Dann besänftige du die Götter!«

      »Wie denn, Weib? Wir. Haben. Nichts. Mehr!«

      »Du bist unser Rätor! Du musst doch etwas tun können.«

      Aldo schnaubte, doch in seinem Trotz spürte sie eine tiefe Verbitterung. »Diesen Titel gibt es nicht mehr. Er ist mit den Feuern in Kas’Tiel verbrannt. Wir sind Flüchtlinge und ich bin nur noch der Anführer einer Gruppe Überlebender.«

      Navenne starrte ihn an und wusste nicht, was sie erwidern sollte. Ihre Trauer hüllte sie ein wie eine große Glocke aus Taubheit, die sie von ihrem Mann entfernte.

      »Ich bin müde«, murmelte Aldo und wischte sich mit der Hand über das Gesicht. »Ich bin müde und alt und möchte einfach nur eine kleine Siedlung errichten. Balor und die Jäger werden uns vor den Wilden schützen und die Seherin soll den Dämon vertreiben.«

Bild14

      Dunkelheit hatte sich über die Wiese gelegt und die Gestalt des Mädchens verschluckt. Seine Stirn fühlte sich an, als wollte sie zu brennen anfangen, auch sein restlicher Körper glühte und er sah in seinem Sichtfeld graue Flecken anstelle des Grases.

      Der Durst brannte in ihm wie ein gleißendes Feuer, das auf seine Haut strahlte und ihn noch mehr schwitzen ließ.

      Das plötzlich wiederkehrende Flüstern des Baumes ließ ihn zusammenzucken.

      »Bitte …«, flehte er, »Bitte, gib mich frei! Warum willst du mich zu einem Dasein als Dämon zwingen? Kannst du mich nicht retten … weil ich schon verflucht und verloren bin? Das ist es, nicht wahr? Du tust das, was du auch für ihr Volk immer tust, und versuchst mich so nah am Leben zu halten, wie es geht … ein Geisterdasein. Das ist kein Leben! Selbst wenn ich noch aus Fleisch und Blut … bestehen sollte, werde ich zu einem willenlosen Monstrum …«

      Jamil schwieg, doch niemand antwortete ihm. Er schloss die Augen, als ihn neue Schwäche überkam und er wieder Blut auf den Lippen schmeckte. Für eine lange Zeit lauschte er dem Wind und dem Rauschen des Meeres, die ihm ebenfalls Geschichten erzählen wollten. Er konnte es durch die Hitze seines Fiebers spüren. Das Meer … groß und tief und dunkel … es wollte ihn in die kühle Tiefe seiner Erfahrungen ziehen, doch er wehrte sich dagegen. Bilder suchten ihn heim, wie er wieder über die Klippe stürzte und die schäumenden Wellen auf ihn zurasten. Er würde in ihnen versinken und von den Algen verschlungen werden.

      Gerade als er das Gefühl hatte, zu ertrinken, zuckte der Schmerz der Wunden durch seinen Körper und riss ihn wieder aus dem Fieber.

       Was geschieht mit mir? Ich habe Wunden, die für drei Tode reichen – und bald habe ich auch kein Blut mehr, nur noch Feuer und flüssige Asche, die durch meine Adern strömen …

      Er öffnete zitternd wieder seine Augen, als Schritte über die Wiese auf ihn zukamen. Zeit schien vergangen zu sein.

       Mutter? Vater? Kommt ihr mich endlich holen?

      Das Mädchen tauchte in seinem Blickfeld auf, blieb stehen und kniete sich nach einem kurzen Zögern neben ihn ins Gras. Sie hob eine Schale vor sein Gesicht.

      »Ich habe Wasser für dich.«

      Er wollte ihr antworten, doch seine Stimme versagte, noch bevor er seinen Mund zu öffnen versuchte. Sie stellte die Schale neben ihm ins Gras, doch als er sich nicht rührte, verstand sie.

      Zögerlich fasste sie in seinen Nacken und hob seinen Kopf etwas an. Sie legte den Rand der Schale an seine Lippen, doch das Wasser lief aus seinem Mundwinkel und sein Kinn herab, ohne dass er auch nur einen Schluck trinken konnte.

      Sie befeuchtete ihre Finger mit dem Wasser und strich ihm über die Lippen, um das eingetrocknete Blut zu lösen, das sie verklebt hatte.

      »Ich wusste nicht, dass man zu schwach sein kann, um seine Lippen zu öffnen«, murmelte sie und setzte wieder die Schale an. Sie flößte ihm das Wasser in kleinen, fürsorglichen Schlucken ein, es rann mehr seine Kehle hinunter, als dass er trank.

      Das kühle Nass linderte seine Schmerzen und ließ die Flammen kleiner werden, die in ihm brannten. Er fühlte, wie mit jedem Schluck ein Hauch seiner Kraft zurückkehrte.

      Als sie die Schale von seinen Lippen nahm, war sein Durst nicht im Mindesten gestillt. Am liebsten hätte er ihr Handgelenk gepackt und sie zu sich gezogen, doch sein Arm zuckte nur kurz, als er versuchte ihn anzuheben.

      »Willst du noch mehr?«

      Anstatt zu antworten, deutete er ein Nicken an und sie setzte die Schale wieder an. Sie gab ihm Wasser, bis das Gefäß leer war, und stellte es dann neben sich ins Gras.

      »Du hättest dich vorhin nicht so überanstrengen sollen. Kannst du sprechen oder willst du erst noch mehr trinken?«

      Er schüttelte leicht den Kopf. »Danke …«, krächzte er und musste sich bemühen, nicht vor seiner eigenen Stimme zu erzittern. »… dass du zurück … gekommen bist. Ich hatte nicht … damit gerechnet …«

      Er musste alle paar Worte eine lange Pause einlegen, in der sein röchelnder Atem ging. »Ich kann mich nicht … erinnern, wann ich das letzte Mal … etwas getrunken habe …«

      Sie beugte sich etwas näher und zog die Brauen hoch. In der Dunkelheit reflektierten sich erneut seltsam fremde Lichtpunkte in ihren Augen. Ihm wurde nur langsam klar, dass es seine eigenen sein mussten, die so blau schimmerten.

      Sie strich ihm ein paar Haare aus dem Gesicht und ließ dann seinen Kopf zurück auf die Wurzel sinken. »Warum seid ihr hierhergekommen?«

      Er sah ihr nicht länger in die Augen, sondern richtete seinen Blick auf die dunkle See. »Unsere Heimat … wurde von Feinden zerstört. Die Flucht aufs offene Meer war unsere einzige Chance. Unser Schiff wurde von heftigen Stürmen gepackt und wir verloren die Orientierung. Meine Leute … wollen ein neues Leben aufbauen und den Schrecken hinter sich lassen. Zumindest dachte ich das, bis ich erschossen wurde.«

      Sie

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