Jamil - Zerrissene Seele. Farina de Waard

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Jamil - Zerrissene Seele - Farina de Waard

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war das beste Zeugnis davon.

      Eigentlich hätte Asha wie die meisten anderen Jäger jetzt auch viel weitere Strecken auf sich nehmen müssen, doch da sie die Aufgabe hatte, den Dämon zu beobachten, waren ihr die naheliegenden Fallen zugeteilt worden. Die Jäger machten mittlerweile längere Jagdausflüge in Richtung der Berge, denn sie fanden kaum noch Großwild in der Nähe.

      Wie schnell sich alles ändern kann …, dachte Asha und schüttelte den Kopf. Da kommt ein seltsames, riesiges Boot über das Meer und spuckt mehr Menschen aus, als bei uns im Dorf leben … und dann schickt Haluschk ausgerechnet mich als erste zum Hara–Baum, in ihre Nähe. Wie aufgeregt ich war … ich wollte nichts mehr, als ihm und Chaled zu zeigen, dass ich dieser Aufgabe gewachsen war. Wollte sehen, was die Fremden da machten, was sie für Hütten bauen würden, wie sie lebten … und jetzt haben wir einen Dämon zwischen uns und ihnen.

      Asha kontrollierte die letzte Falle und spannte dann seufzend die Sehne von ihrem Bogen ab. Heute Nacht würde sie nichts nach Hause bringen außer ein paar neuen Lügen und Ausflüchten.

       Ob Haluschk mich wohl darum gebeten hatte, die Gaben zum Hara–Baum zu bringen, um mich zu prüfen? Ob ich als Partie für seinen Sohn geeignet bin? Aber das wäre … nein, das würde nicht funktionieren, er ist wie ein Bruder für mich.

      Asha erreichte den Pfad, der sie zu ihrem Dorf führte, durchquerte die Reihe der Felder und erspähte die Lehmhütten im Dunkeln. Sie lief auf das Haus ihrer Eltern zu, schlüpfte an dem dicken Leder am Eingang vorbei und schlich zu ihrem Bett.

      Ihr Vater schlief leise schnarchend auf seinem Lager, ihre Mutter war noch nicht von ihrem nächtlichen Streifzug zurück.

      Ashanee lehnte ihren Bogen an die Wand, zog sich leise aus und rollte sich auf ihrem gemütlichen Fell zusammen. Sie seufzte und genoss den Geruch der teuren Webdecke, die sie um sich geschlungen hatte. Das kostbare Geschenk, das sie zu ihrem fünfzehnten Jahrestag bekommen hatte, roch nach wohliger Geborgenheit. Sie schloss die Augen, dämmerte in dunkle, ruhige Träume weg und wachte erholt wieder auf, als ihre Mutter einige Holzstücke in das kleine Feuer nachlegte. Die Luft war frisch und klamm, das erste Licht des schattenlosen Morgens drang zur Tür herein. Kalla hatte das Leder zurückgeschlagen, um den Tag hereinzulassen. Akando war wohl bereits auf und draußen.

      Gähnend streckte Asha sich, schälte sich aus ihrer Decke und stellte sich neben ihre Mutter an das kleine Feuer. Kalla band mehrere Zweige eines Krauts zusammen und hängte sie an einer Schnur über den Rauch, um sie zu trocknen.

      »Heute Morgen wird es eine Versammlung geben. Die Schamanen wollen über den Dämon beraten, deine Anwesenheit wird gefordert.«

      Asha nickte und trank mit ihrer Mutter zusammen etwas Tee, bevor sie hinausgingen.

      Der Geruch von ersten Kochfeuern lag in der Luft und feiner Rauch hing in einer dünnen Schicht über dem Dorf. Es war noch so früh, dass kein Lüftchen wehte, doch bald würde das Meer wieder seine morgendlichen Böen schicken und den Rauch vertreiben, der im Tal festhing.

      Die Versammlung fand diesmal nicht in der großen Gemeinschaftshütte statt, sondern draußen auf dem Dorfplatz. Die Schamanen standen wie unbewegte Statuen zu viert nebeneinander, eine Reihe voller Macht und Einfluss. Asha fragte sich nicht zum ersten Mal, wer eigentlich über ihr Dorf bestimmte, Haluschk als Anführer oder die Weisen? Vielleicht war es auch einfach schon immer so gewesen, dass dieses Gefüge so bestand.

      Asha nannte die Vier genau wie alle anderen nie bei ihren echten Namen, diese waren durch ihre Ernennung zu heiligen Worten geworden. Für die Sukrani waren sie nur die Ältesten oder die Schamanen, aber insgeheim hatte Asha jeden von ihnen nach einer auffälligen Eigenschaft benannt.

      Die Frau mit dem strengen Blick und den glatten roten Haaren, deren stechende Augen jeden zu durchbohren und erforschen schienen, nannte Asha die Nadel.

      Ihre Meisterin war sehr alt, hatte ihr weißes Haar zu einem langen Zopf geflochten und würde vermutlich wieder nichts sagen, was ihr auch den Namen die Stille eingebracht hatte.

      Neben ihr stand der riesige Mann, den Asha den Bären nannte. Er brummte meist zur Zustimmung, und wenn er doch etwas sagte, war seine Stimme so tief wie das Grollen eines Bären. Asha wusste, dass die Kinder im Dorf vor ihm am meisten Angst hatten, doch für sie war er eher ein alter, stoppliger Bär, der seinen Winterschlaf hielt und an den man sich anlehnen konnte.

      Für sie wirkten der scharfe Blick der Nadel und die milchigen Augen ihres älteren Bruders, des wichtigsten Schamanen, viel bedrohlicher.

      Dieser kleine Mann, der schon in Ashas jüngsten Erinnerungen immer runzlig und alt gewesen war, hieß für sie der Blinde. Seine Augen waren von einem milchigen Schleier verhüllt. Er konnte kaum mehr sehen als ein paar Bewegungen und Schatten, dafür war sein Blick in die Welt der Geister von allen am klarsten. Oft verfiel er in tiefe Traumzustände und bisweilen sprachen die Geister sogar direkt durch seinen Mund, wenn er bestimmte Kräuter und Pilze zu sich nahm.

      Obwohl die Nadel nur die Nachfolgerin der Stillen war, hatte sie bereits so viel Ansehen wie alle anderen Schamanen. Was der Blinde und sie sagten, das galt, auch wenn Haluschk ihr Anführer war.

      Die rothaarige Frau trat jetzt vor und wandte sich an ebendiesen, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte und jetzt ihr gegenüber seine Position einnahm.

      »Ihr alle wartet schon seit Tagen auf unsere Verkündung. Wie ihr wisst, haben die Fremden sich offenbar dazu entschieden, hier bei uns zu siedeln. Die anderen Dörfer sind weit weg, wir sind abgelegen und müssen daher mit diesem Problem allein zurechtkommen. Wir haben gleich am ersten Tag einen Späher zu den Fremden ausgesandt, doch die Geister haben geschwiegen.«

      Asha warf einen Blick auf die Versammelten, während Haluschk schließlich schwieg und der älteste Schamane verheißungsvoll die Hände hob.

      »Die Geister haben jetzt wieder zu uns gesprochen. Sie erzählen, dass die Fremden aus einem weit entfernten Land gekommen sind. Sie konnten über die Weite des Meeres reisen und das muss bedeuten, dass sie den Schutz mächtiger Geister genießen. Der Sturm, der sie unversehrt hierher gebracht hat, ist ein deutliches Zeichen dafür«, berichtete der Blinde.

      Haluschk nickte, während alle Versammelten weiter schwiegen. Er bedeutete seinem Sohn, näher zu kommen.

      Chaled trat vor und strich sich die dunkelbraunen Haare aus der Stirn. Asha kannte diese Bewegung gut, das tat er immer, wenn er gelassen wirken wollte, in Wahrheit aber angespannt war. Sie war sich außerdem ziemlich sicher, dass die Nadel das mit Leichtigkeit durchschaute.

      »Chaled, während Ashanee damit beauftragt wurde, den Dämon zu beobachten, wurdest du ausgesandt, um die Neuankömmlinge nicht aus den Augen zu lassen. Was hast du uns zu berichten?«

      »Mehrere von ihnen sind in die Wälder aufgebrochen und seitdem verschwunden. Die anderen haben mittlerweile eine Schneise in den Wald geschlagen und das meiste Wild durch ihren Lärm vertrieben. Sie bauen ihre Häuser wohl vollständig aus Holz, statt den Lehm zu nutzen. Ihr riesiges Boot liegt zwischen den Felsen im Meer festgeklemmt. Ich glaube nicht, dass sie vorhaben, es noch einmal zu nutzen. Sie können es vielleicht auch nicht.«

      Er hielt kurz inne, bevor er weitersprach.

      »Ich bin mir sicher, dass die Fremden die Wiese vor dem heiligen Baum zu einem Feld machen wollen. Damit haben sie auch auf der anderen Seite ihrer Siedlung begonnen, denn sie fällen ja den Wald«, berichtete Chaled und erntete ein zustimmendes Nicken seines Vaters, während die Umstehenden

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