Diener des Feuers. Karin Kehrer
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Keine Angst, meine Schöne. Alles läuft so, wie es laufen soll. Das tut es immer. Ich sorge dafür.
Kapitel 5
Der junge Mann musterte Catherine intensiv. „Sind Sie sicher?“
Sie erwiderte seinen Blick ruhig und versuchte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. „Ja, genau das.“ Sie hielt noch immer das Blatt in der Hand, das aus dem Buch mit den Vorlagen für Tattoos gerutscht war. Das musste es sein. Sie konnte es noch immer fast nicht glauben, ihr Muster gefunden zu haben. Der Weg, der in Kreisen zur Mitte führte.
Der Tätowierer meinte zögernd: „Sie wissen, dass es schwierig ist, ein Tattoo wieder zu entfernen, falls es Ihnen nicht mehr gefallen sollte?“
Catherine wedelte ungeduldig mit der Hand. „Natürlich. Ich kann auch zu jemand anderem gehen, wenn Sie es nicht machen wollen!“
Er sagte hastig: „Schon gut. Ich wollte sie nur darauf hinweisen. Es ist übrigens ein starkes Symbol.“
Catherine sah ihn überrascht an. „Was bedeutet es?“
Der Mann lächelte. „Das Labyrinth. Sinnbild für den Weg des Lebens, wenn man es so möchte. Eigentlich weiß niemand so genau, was es bedeutet. Labyrinthe kommen in allen Kulturen vor, das Zeichen ist an die fünftausend Jahre alt. Es gibt mittlerweile viele verschiedene Formen. Das hier ist die Urform, das kretische Labyrinth.“ Er unterbrach sich, lächelte. „Entschuldigen Sie. Bei diesem Thema gerate ich gerne ins Schwärmen. Es fasziniert mich, seit ich begonnen habe, mich damit zu beschäftigen.“
Catherine legte den Finger auf das Papier, folgte den Linien. „Das ist seltsam. Man hat das Gefühl, sich dem Ziel zu nähern und sich dann wieder zu entfernen. Bis man doch die Mitte erreicht. Man hat gar nicht die Möglichkeit, sich zu verirren. Ich glaubte …“
„Die meisten Menschen denken an einen Irrgarten, wenn sie von Labyrinthen hören. Aber ich finde die ursprüngliche Form viel interessanter. Der Weg ist vorgegeben und ich weiß, dass ich mein Ziel mit Sicherheit erreiche, ohne Angst haben zu müssen, mich zu verlaufen.“
Catherine starrte nachdenklich auf das Muster. „Der Weg ist vorgegeben“, wiederholte sie. „Das klingt so nach Bestimmung, danach, dass man seinem Schicksal nicht entrinnen kann.“
Der Mann lächelte. „Man könnte es auch anders sehen. Labyrinthe schaffen einen Weg, der vorher nicht da war und ich habe die Möglichkeit, ihn zu gehen. Und ich kann ihn so gehen, wie ich es möchte, denn ich muss nicht darauf achten, ob er falsch oder richtig ist.“
Sie nickte stumm, hatte plötzlich das Gefühl, als hätte sich eine Tür für sie aufgetan. Eine Tür, hinter der etwas Neues, Aufregendes wartete.
Der Tätowierer sah sie an. Eine hübsche Frau eigentlich, vielleicht etwas zu blass und verhärmt, eine Touristin, wie sie jetzt im Sommer zu Hunderten Tintagel an der Südspitze von Cornwall überschwemmten. Und doch war irgendetwas anders an ihr. Eine tiefe, verzweifelte Traurigkeit begleitete sie, die nicht zu ihr passte, auch nicht hierher, in diesen friedlichen, kleinen Ort. Sie erwiderte seinen Blick fast trotzig und er lächelte. „Gut. Sie wollen also ein Labyrinth als Tattoo. Wie groß und wohin?“
„Etwa so.“ Sie zeichnete einen Kreis von etwa vier Zentimetern Durchmesser.
Er hob die Augenbrauen. „Hm. Kann ich machen. Wird nur ein wenig dauern, weil ich sehr genau arbeiten muss. Das kostet natürlich auch mehr.“
In ihren meerblauen Augen blitzte es auf. „Das ist egal.“
Er zuckte mit den Schultern. „Na gut. Wo wollen Sie es haben?“
Sie öffnete den zweiten Knopf ihrer Bluse und schob sie zurück, legte zwei Finger unter das Schlüsselbein, etwa beim Ansatz des Schultergelenks. „Da.“
„Sind Sie wirklich sicher? Da wird es ziemlich wehtun.“
Die Frau gab seinen Blick herausfordernd zurück. Er ahnte, dass ihr zerbrechliches Äußeres wohl täuschte.
„Na gut. Ziehen Sie bitte die Bluse aus und legen Sie sich hier auf die Couch. Ich kann besser arbeiten, wenn Sie liegen.“
Etwas wie Panik war plötzlich in ihren Augen. „Sie sind doch seriös, oder?“, flüsterte sie.
Er musste lächeln. „Ja, natürlich. Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich habe ein Zertifikat. Es wird zwar nicht angenehm, aber Kinderkriegen ist bestimmt schlimmer.“
Ein Schatten huschte über ihr Gesicht, verzerrte es zu einer starren Maske. Erschrocken meinte er: „Entschuldigen Sie bitte, ich wollte Ihnen nicht zu nahetreten.“
Catherine legte die Hand an die Stirn und atmete tief durch. Dann knöpfte sie wortlos die Bluse auf und zog sich aus. Ein mit Spitzen besetzter, champagnerfarbener BH mit Bügeln kam zum Vorschein. Eine leichte Röte flog über ihr Gesicht, als sie seinen Blick bemerkte. Sie setzte sich auf die Couch, schwang die Beine hoch und legte sich hin.
Er stellte sein Werkzeug zusammen, überprüfte sorgfältig die Instrumente, desinfizierte die Nadel. Mit den Fingerspitzen hob er den Träger ihres BHs an und schob ihn auf den Oberarm.
Catherine erschauerte leicht unter seiner Berührung.
Der Tätowierer nahm einen Wattebausch, träufelte Desinfektionsmittel darauf und wischte sorgfältig über ihre Haut.
Catherine schloss die Augen, als der scharfe Geruch in ihre Nase stieg. Er weckte unangenehme Erinnerungen in ihr, Erinnerungen, die sie lieber für immer verdrängt hätte. An sterile Krankenhäuser, Schmerzen. An all das Leid in ihr.
Das leise Surren des Tätowierapparats drang an ihr Ohr und dann fühlte sie das leichte Brennen, als er die Nadel ansetzte und zu arbeiten begann. Um sich abzulenken, starrte sie auf den kahl geschorenen Kopf des Mannes, der sich über sie beugte. Verfolgte mit ihrem Blick das Muster aus feinen Strichen und Linien, das er auf die Stirn tätowiert hatte. Sie glaubte Buchstaben erkennen zu können, vermochte aber keinen Sinn in ihnen zu sehen. Er hatte anscheinend alles an Haut seiner Kunst gewidmet, wandelnde Werbung für seinen Laden. Der Mann mochte vielleicht Anfang zwanzig sein und sie fragte sich, wie er wohl aussehen würde mit sechzig, die Haut faltig und dann all diese Muster darauf.
Catherine hatte aus einem Impuls heraus beschlossen, sich ein Tattoo zuzulegen. Sie war ziellos durch den kleinen Ort geschlendert, hatte dort und da in die Auslagen der unzähligen Souvenirshops geschaut, ohne jedoch ihren Inhalt wahrzunehmen, wie immer seit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus. Nichts interessierte sie wirklich. In ihrem Inneren war immer noch diese Leere und diese Abwesenheit, die ihr seit Pauls und Sarahs Tod so vertraut geworden waren.
Sie wollte lieber nicht an die beiden denken, nicht jetzt, nicht hier. Wer wusste schon, welche Reaktion das hervorrufen würde. Womöglich käme der Zorn wieder und sie begänne zu schreien. Oder diese Traurigkeit, die einen harten Kloß in ihrem Magen entstehen ließ und sie zum Erbrechen brachte.
Catherine schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen. Aber es gelang ihr nicht so recht. Das Brennen auf ihrer Haut zwang sie dazu, sich der Tatsache zu stellen, dass der Mann recht gehabt hatte. Es tat weh. Sogar sehr. Sie blinzelte die Tränen weg, die in ihre Augen stiegen.
Der