Aus den Tiefen des Tages und der Geschichte. Helmut Lauschke
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Читать онлайн книгу Aus den Tiefen des Tages und der Geschichte - Helmut Lauschke страница 13
mit dem Abschneiden der Brot- und Fleischmarken
oder dem Wechseln des ersten Nachkriegsgeldes
mit einer anderen Kundin beschäftigt war.
Mundpropaganda hinter vorgehaltener Hand
und Mundraub mit weniger vorgehaltener Hand
gesellten sich früh zur tristen Nachkriegskultur.
Wer überleben wollte, musste was dafür tun.
Gebratene Tauben flogen nicht in die Münder,
dafür war die Zeit nicht mundgerecht.
Im späteren Leben gab es keine Phase,
die so elementar und lehrreich war
wie die Zeit der Nachlese und eingewickelten Braunkohle.
Da muss Wasser sein,
wenn es Enten gibt.
Da muss noch mehr sein,
wenn es in Strömen gießt.
Der Sturm hat sich gelegt,
da paddelt ein ganzer Verband friedlich einher.
Die Schnäbel gehen auf und zu
und lassen das Wasser einlaufen,
das sie in sachten Wellen weiterträgt.
Vorbei geht’s an nassen Wiesen
in einen Morgen,
über dem sich die Wolken zu lichten beginnen.
Es wäre ein Lichtblick im neuen Tag,
wenn das friedliche Einher
in die Häuser und Etagen käme,
dass Kinder wieder lachen.
Sie wollen sich geliebt und geborgen fühlen
und stolz auf Vater und Mutter sein,
die so hart für den Frieden und die Schule,
das Essen und die Kleidung arbeiten.
Kinder zeigen die Hausaufgabenhefte
und erzählen von den Erfolgen im Rechnen und Schreiben.
Das sagen Kinder nur zögernd,
dass sie sich freuen,
wenn Eltern ihr Interesse am schulischen Gang des Kindes haben,
es bei der Arbeit an den Hausaufgaben begleiten
und auf die Fragen eingehen und bei der Antwort helfen.
Zukunft beginnt mit jedem Tag,
und mit jedem Tag kommt morgens die Frage,
wie der Tag verlaufen wird
mit dem, was ist,
und wie er anders und besser verlaufen würde,
wenn es das friedliche Einher der Enten
auch bei den Menschen gäbe.
Natürlich beruht das Verständnis auf der Gegenseitigkeit.
Da macht es die Natur den Enten leichter,
die es auf dem dahinwellenden Wasser spüren,
dass es der Morgen gut mit ihnen meint.
Die Serviererin setzt den Teller
mit dem Spiegelei auf den kleinen Tisch.
Draußen suchen Bettler aller Altersstufen
nach Essensresten auf Plätzen und Straßen,
wie es die mageren Hunde und Katzen tun.
Haben sie so einen Rest gefunden,
wischen sie den Schmutz mit großer Aufmerksamkeit
von der Brotscheibe oder dem Fleischanhängsel am Knochen.
Als spiegelt das Ei
das Leben auf der Halde in der Bedürftigkeit
auf den Teller zurück.
Die Haldengesichter haben sich angeglichen,
sie sehen alle alt aus,
selbst die Blassgesichter der verwaisten Kinder.
Die Zähne sind verwahrlost oder rausgebrochen,
die Haut ist rissig und von eiternden Wunden überzogen.
Der Bissen stockt hinter der Zunge,
als würde sich das Servierte müllkippig verhaken.
Es ist doch das Ei und kein spitzer Knochen,
was am Schlundeingang hängenbleibt.
Nichts scheint mehr weich fürs Leben,
wenn Hände und Füße die Halde durchwühlen.
Kanten und spitze Scherben setzen Wunden,
die, weil sie eitern, nicht heilen.
Das Kauen behält die Dürftigkeit auf der Zunge,
und die drückt sie gegen den Gaumen.
Es reibt am entzündeten Zahnfleisch entlang
und schiebt sich über die Höhlen ausgefallener Zähne.
Die Serviererin, ein hübsches Mädchen, kommt an den Tisch.
Sie fragt, ob alles in Ordnung ist
und ob sie noch ein Kännchen Kaffee bringen soll.
Das mit der Dürftigkeit auf der Zunge,
dem Druck gegen den Gaumen, das entzündete Zahnfleisch
und das Hängenbleiben am Schlundeingang werden verschwiegen.
Das zweite Kännchen Kaffee wird verneint.