Federträger. Yves Holland

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Federträger - Yves Holland

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übergab Malvea den Brief von Bruder Pak. Malvea schlug ihn sofort auf und las ihn rasch. Interesse war in ihren Augen zu sehen. „Eine alte Rolle? So, so...“, murmelte sie vor sich hin und strich sich gedankenverloren mit der Schreibfeder, die auf dem Tisch bereitlag, über die Lippen. Dann schrieb sie gleich eine Antwort auf die Rückseite des Briefs, wedelte die nasse Tinte trocken und gab ihn Huson zurück. „Ich komme morgen früh. Die Sache interessiert mich. Ein Schriftstück, das Bruder Pak alleine nicht entziffern und übersetzen kann? Das muss ja etwas ganz Besonderes sein!“

      Huson trank gerade einen Schluck von seinem wirklich vorzüglichen Wein – er hatte auch nicht anderes erwartet im Hause des Stadtherren –, als sie beide gleichzeitig den Tumult draußen bemerkten.

      Sie standen hastig auf und liefen in die Vorhalle, wo ihnen Brom von Bordur, der hünenhafte, breitschultrige Erste Wachmann der Stadtgarde, entgegeneilte. Er grüßte hastig nickend Malvea zu und stürmte sogleich in Richtung Olerichs Arbeitszimmer. Das Schwert an seiner linken Seite klapperte heftig bei jedem seiner großen Schritte, und das Metall an seiner Uniform blitzte kurz auf, als er durch einen Sonnenkegel lief. Ein leichter Geruch von Schweiß blieb in der Luft hängen, als der große, flachsblonde Mann fast gleichzeitig an die Tür des Arbeitszimmers des Stadtherrn klopfte, sie öffnete und ohne zu zögern mit seiner wichtigen Botschaft herausplatzte:

      „Herr, es werden Kämpfe weit draußen im Süden vor der Stadt gemeldet.“ Sein sonst volltönender Bass dröhnte etwas heiser vor Aufregung aus dem Raum hinaus durch die Halle. „Man sagt, es seien schwarze Reiter gesichtet worden, die auf Grünberg zureiten!“

      Thorn und Fandor waren in edlen, leuchtend blau gefärbten Stoff gekleidet worden, ebenso die Handvoll anderer Halbwüchsiger, die wie die beiden in dieser Nacht ihre Schwerter überreicht bekommen würden. Stolz und unsagbar nervös standen sie abseits des Getümmels, das auf dem Festplatz inmitten des Clanlagers während der letzten Tage entstanden war. Große Familien waren angeritten gekommen, alle prächtig gewandet und mit Geschenken im Gepäck für die anderen Clans sowie für die Götterbeschwörung heute zur Mittnacht.

      Fandor und Thorn hatten zwar schon viele Sonnwendfeiern mitgemacht, aber dieses war ihr Sonnwendfeuer, es war ihre Weihe, es war ihre Nacht!

      Das für die nächsten Tage angesetzte Thing interessierte sie heute nur sehr am Rande, denn in dem Stammes-Thing waren sie sowieso nicht geduldet. Da durften nur die Obersten, ihre ältesten Söhne und die Stellvertreter teilnehmen.

      Fandor und Thorn wollten feiern, und mit ihnen wollten das alle der etwa fünftausend gekommenen Gäste. Die Politik überließen sie gerne den Clanführern, denn heute und die nächsten Tage würde es Habermet, gegorenen Traubensaft, Hamlfleisch überm offenen Feuer geröstet, Honiggebäck und eine Menge anderer Leckereien geben, die die Frauen schon seit Wochen vorbereitet und für diese Feierlichkeiten auch streng unter Verschluss gehalten hatten.

      Manche der Männer standen in Gruppen herum und führten ernste Gespräche, aber die Mehrheit der Anwesenden freute sich erst einmal auf die Sonnwendfeier am Abend.

      „Was denkst du schon wieder?“, grinste Thorn seinen besten Freund und Bruder an. „Ich hab dir ja gesagt, du würdest es bekommen.“ Er strich zum sicherlich hundertsten Mal seine schwarzen Haare zurück, die ihm wie üblich ins Gesicht hingen und sich auch heute nicht bändigen lassen wollten. Sofort löste sich eine Strähne aus seiner für das Sonnwendfeuer etwas gestutzten Mähne und legte sich ihm wieder übers linke Auge. Er merkte es nicht einmal und schob sie reflexartig erneut zurück.

      Fandor, der neben ihm stand und an seinem grünen Festtagsumhang nestelte, schaute Thorn abwesend mit großen Augen an.

      „Das Schwert, Mensch!“ Thorn konnte es nicht fassen. Da hatten sie geübt und gekämpft und gerackert und geschwitzt, und Fandor wusste noch nicht einmal, worüber Thorn gerade sprach!

      „Weißt du, ich sprach gerade von der Sonnwendfeier“, sagte Thorn sehr ernst und langsam, und tat so, als ob Fandor ein sabbernder Altelter wäre, der nicht mehr so recht folgen konnte. „Du erinnerst Dich? Deine Schwertgabe ist heute Nacht. Oder hast du heute schon was anderes vor?“ Er grinste hämisch. Fandor hieb ihm den Ellbogen hart in die Rippen, so dass Thorn scharf ausatmete. Ehe Thorn wieder zu Atem kam, lag er schon auf dem Boden, über ihm Fandor, geschmeidig wie eine Tigra, der ihn mit einem stählernen Jagdgriff überrascht hatte. Thorn konnte sich kaum bewegen, so sehr er auch versuchte sich frei zu winden.

      Ihre blauen Gewänder bedeckten sich mit dem feinen gelblichen Staub, der überall im Lager anzufinden war, aber sie hatten beide keine Augen dafür, viel zu aufgeregt waren sie seit Tagen, als dass sie solche Alltäglichkeiten überhaupt wahrnehmen konnten.

      Thorn nieste laut, als Fandor ihn einmal ohne Ansatz blitzschnell überrollte, und beide kugelten quer über den Platz, sehr zur Belustigung einiger kleinerer Kinder, die alle gespannt dem Abend entgegenfieberten und nun vor Entzücken laut quietschten.

      Die beiden Jungen bemerkten plötzlich die Traube der schaulustigen Kinder, die sich um sie herum gebildet hatte.

      Sie stutzten, lachten dann aber ungestüm und befreit auf, während sich ihre immense Spannung im Staub des Festplatzes entlud.

      Die Feierlichkeiten waren den Freien Reitern heilig. Während Prakh von Wolff das riesige, zwanzig Fuß hohe Sonnwendfeuer entzündete, ebbte ein immer stärker werdender Gesang aus fünftausend Kehlen übers Feuer, brandete auf, toste gewaltig über das Land und lobte die Götter der Steppe, Jooba und Donner, für das Überstehen des vergangenen Winters und die reichlichen Gaben der östlichen Steppe.

      Im Rausch des Gesangs, des Mets, der strengen Gerüche des eigens hierfür entzündeten Myrholzes, der großen Hitze des Feuers, das so manchem die Barthaare absengte, und im rituellen Schwertkampf um die Vorherrschaft der Reiter über die Steppe erfuhren Fandor und Thorn gemeinsam ihre Mannwerdung im Kreise der Clans und unter den verstohlenen, stolzen Tränen von Mome Ira, die ihre beiden Jüngsten in dieser Nacht in die raue Erwachsenenwelt entließ.

      Und während im Ritus der geheiligten Nacht unter Donners Sternenzelt Joobas Schwerter übergeben wurden, trugen viele Meilen weiter südlich andere Schwerter mit entsetzlichem Klang den Tod in die östliche Steppe der Freien Reiter hinein.

      Bruder Pak hatte es jetzt auch gesehen. Die Glocken des Stadtturms hatten ihn aus seinem Studierzimmer getrieben, wo er doch tatsächlich von einem kleinen Nickerchen überrumpelt worden war. Er war äußerst irritiert. Die Glocken von Grünberg hatten schon eine halbe Ewigkeit nicht mehr geläutet, das letzte Mal zur Geburt der Zwillinge des Stadtherrn Olerichs von Grünberg, Malvin und Malvea. Und das war lange vor der Geburt seines Novizen Huson gewesen, der die Glocken heute wohl zum ersten Mal hörte.

      Wo war Huson überhaupt? Bruder Pak runzelte leicht die Stirn und rieb sich langsam über den Nasenrücken. Ach ja, er hatte ihn ja in die Stadt geschickt mit der Nachricht für die Edle Malvea.

      Pak kniff die Augen zusammen und schaute noch einmal aus dem Ausblick heraus nach Süden. Da, ganz weit hinten, sah er eine kleine Rauchsäule über den Bergen aufsteigen. Eins der kleinen Bergdörfer, die sich an die bis zu elftausend Fuß hohen Berge des Himmelsmassivs anschmiegten, musste brennen.

      Was mochte dort wohl geschehen sein? Ein eisiger Schauer überlief Pak. Die Papyrusrolle! Er musste sie unbedingt weiter übersetzen. Hoffentlich hatte die Edle Malvea Zeit für ihn. In der Rolle hieß es doch, dass Rauch über die Berge kommen würde!

      Bruder Paks Blick wurde hart. Er musste dringend noch heute Abend den Bruder Abt aufsuchen, um ihm von seiner Entdeckung zu berichten. Aber vorher würde er noch einmal versuchen, das Manuskript zu entschlüsseln.

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