Der Westwald. Lukas S. Kindt

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Der Westwald - Lukas S. Kindt

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ganzen Tag und einen Halben waren sie mittlerweile unterwegs gewesen, als sie wieder in der verdreckten Küche ankamen, wo noch immer unberührt die Leiche des armen Jungen lag. Der Leichenbestatter war wohl nie losgefahren. Und hier sollte aber nun Polizeihauptkommissar Johann Schulz von seinem Kollegen Ernst Müller gerichtet werden. So war es ausgemacht.

      Es ging dabei alles sehr schnell und reibungslos: Schulz kniete sich hin und blickte auf das schwarze Loch direkt vor seinen Füßen. Da drunten konnte man indessen schon das gierige Tapsen und Lechzen von gewissen Wesen hören. Wenn er starb, würde sein Körper dort hinunter fallen und für alle Ewigkeiten von undurchdringlicher Schwärze verschluckt werden – vereint mit dem Rest der Menschheit.

      Schulz lachte jedoch nur über diesen Gedanken, als ihn die Kugel endlich von hinten traf und er lachte auch noch, als sein Körper schon weit weg in der tiefen Erde sich befand. Selbst nach ein paar vergangenen Stunden drang noch ein heiseres Gekicher von unten zu seinem Kollegen herauf.

      Dieser wollte sich aber noch einmal vergewissern: Mit ungeschickten und nervösen Bewegungen huschten seine Finger über die vertappte Handytastatur:

      »Kein Anschluss unter dieser Nummer….Piep«, danach versuchte er es beim Justizpalast:

      »Kein Anschluss unter dieser Nummer...Pieeep«, hierauf bei allen seinen Arbeitskollegen in der Polizeistation:

      »Kein Anschluss unter dieser Nummer...Pieeeep«, gefolgt von seinen Eltern:

      »Kein Anschluss… Pieep… Guten Morgen, wo sind denn alle ihre Freunde hingekommen?« Müller antwortete der fremden Stimme nicht und tippte stattdessen die nächste Nummer, die letzte Nummer, die endgültige Nummer, die Nummer seiner Familie:

      »Kein Anschluss unter dieser Nummer… Pieeeeeeepppp. Kein Anschluss unter dieser Numm...«

      Mit einem gebrochenen Schrei warf Müller schließlich das Handy in den Abgrund zu seinem lachenden Kollegen hinunter und sah hinauf zum wolkenverhangenen Himmel. Ein einzelner Sonnenstrahl brach dort zaghaft durch das graue Zwielicht. Erst jetzt bemerkte Müller, dass er der letzte Mensch auf diesem Planeten war.

      1 Grenzschreiten

      1 Anmerkungen:

      (Fußnoten und Kapiteluntergliederungen sind vom Editor des Textes zum besseren Verständnis hinzugefügt worden. Original-Schreibstoff: Gebundene Kladde, Din A5, normales Papier. Fundort des Textes: Unbekannt1)

      1 Kapitel 1: Die Grenze an der Grenze

      Entsetzt starrte ich den alten Professor an. Wie konnte er auch nur daran denken, mir so etwas Abscheuliches vorzuschlagen! Für einen kurzen Moment war ich sprachlos.

      »Beruhige dich doch«, sagte er mit erhobener Hand, »Ich wollte dir lediglich mitteilen, dass diese Möglichkeit besteht und denk doch bitte mal daran, was wir alles erreichen könnten!« Mein Professor versuchte mich aufrichtig zu beschwichtigen, doch ich war immer noch viel zu aufgewühlt und überrascht.»Weißt du überhaupt, was für Risiken bei diesem Versuch dabei sind? Wir könnten sterben, oder für immer im Nichts verloren gehen, oder... sogar noch Schlimmeres! Herrgott nochmal! Willst du das denn nicht verstehen?«, warf ich ihm also wütend entgegen. Sein bleiches Gesicht wirkte ausgelaugt.

      »Ich weiß, ich weiß... es hört sich gefährlich an. Und ja, mit den alten Werkzeugen wäre es das auch gewesen, aber mit der neuen Methode, die ich entwickelt habe, sind die tatsächlichen Risiken nur minimal«, belehrte er mich in seiner typischen sonoren Stimme, die schon manchen gelehrigen Schüler bei langen Vorträgen eingeschläfert hatte. »Ja, du hast Recht, Der Pfad könnte sich - rein theoretisch - hinter uns schließen, aber praktisch ist das mit meiner neuen Technologie ein Ding der Unmöglichkeit! Glaub mir doch bitte, ich kann es schaffen. Ich kann das Tor offenhalten!« Erschöpft sank der alte Mann daraufhin in seinen Sessel zurück. »Du bist doch meine allerbeste Schülerin. Wieso willst du mich nicht verstehen? Ich habe immer gedacht, du wärst begeistert, wenn ich dir die Möglichkeit geben würde, eine völlig neue Welt zu betreten! Wollten wir denn nicht immer diesem ganzen Wahnsinn hier entfliehen? Dorthin wo es all das nicht mehr gibt? Ich meine, Krankheit, Hunger, Tod, Ungerechtigkeit wohin man nur blickt... Ich denke, es ist gerechtfertigt, in einer solchen Welt nicht mehr leben zu wollen.«

      Er blickte enttäuscht; seine alten, grauen Augen, aus denen sonst immer ein zynischer Glanz heraus strahlte, verloren ihre Leuchtkraft, doch ich hatte kein Mitleid mit ihm. Sein trotz des hohen Alters erstaunlich kräftig schwarzes Haar fiel wirr über das Gesicht. Er sah aus, als hätte er sich schon seit Wochen nicht mehr gebadet.

      Angestrengt versuchte ich meinen Abscheu zu unterdrücken. Dieser Mann, den ich früher einmal über alles andere auf der Welt respektiert hatte, ja, vergöttert hatte, erschreckte mich nun auf eine Weise, die ich mir selbst nicht einmal richtig erklären konnte. Natürlich, er hatte eine verrückte Idee, die ihn vermutlich umbringen würde, doch solche Ideen hatte er eigentlich ständig. Und ich redete sie ihm genauso ständig wieder aus. Doch jetzt war etwas anders. Ich konnte dieses klebrige Gefühl einfach nicht abschütteln. Es war eine Mischung aus vagem Ärger und tiefstem Abscheu. Abscheu auf einen Mann, der mir schlicht alles in meinem Leben gegeben hatte und dem ich früher stets dafür dankbar gewesen war.

      »Minimale Risiken! Wenn du dich Reden hören könntest...«, ätzte ich verärgert. »Wir wissen nichts von dem, was hinter den Strömen wartet. Ja, es könnte eine neue Welt sein, durchaus, aber was für eine Welt?« Erregt stand ich nun auf. Der Sessel rutschte hörbar unter meinem Ärger zurück. »Der Tod ist kein minimales Risiko!«

      »Aber es ist absolut sicher!«, unterbrach er mich fast schon kindisch verbockt, doch ich ließ mich nicht so einfach abwürgen.

      »Nein, es ist nicht absolut sicher! Du.. Du denkst, du wüsstest etwas über die Ströme, weil du in irgendwelchen alten Büchern darüber gelesen hast, aber diese Bücher sind tausende von Jahren alt. Sie sind geschrieben in einer primitiven und gleichzeitig vollkommen uneindeutigen Grammatik. Die Sprache ist mit modernen Methoden nicht einwandfrei zu interpretieren. Und ich sage dir deshalb, lass dich nicht auf die Legenden von den verrückten Völkern ein. Man nennt sie nicht umsonst so!«

      Anscheinend äußerst angespannt hörte er meinen rechthaberischen Widerlegungen zu, doch sie schienen nicht wirklich in ihn einzudringen. Ich fragte mich also langsam der Verzweiflung nahe, wie ich ihn noch überreden könnte, von dieser Wahnsinnigen Idee, die Ströme zu besuchen, Abstand zu nehmen.

      Doch bevor ich mir irgendetwas überlegen konnte, sprang der Alte Mann urplötzlich wutentbrannt auf. Sein Gesicht war zornesrot. Blaue Adern traten krampfhaft aus der dünnen und blassen Haut hervor.

      »Nenn sie nicht verrückt, du dummes Balg!«

      Wie eine Dampfwalze kam er auf mich zugeschossen und packte mich an den Schultern. Sein Griff war unheimlich stark. Das grausige Gefühl als ob seine Hände meine Knochen langsam zermalmen würden, tobte durch meinen Körper. Vor Schmerz ächzend wollte ich mich also losreißen, aber sein Griff blieb eisern. Ruckartig drehte er meinen Kopf und ich musste ihm nun direkt in seine weit aufklaffenden, schwarzen Augen starren, die mir das mulmige Gefühl eingaben, ich sähe durch Sie in eine andere, dunklere Dimension als die Unsere hinein.

      »Dieses Volk... Ja, dieses Volk, die Erleuchteten... werden mir den Weg weisen, und ihr arroganten Taugenichtse von der Fakultät werdet mich nicht aufhalten. Niemand kann das! Ich habe das Recht dazu, die Ströme zu sehen! Ich...habe...das...Recht!« Sein Atem ging schwer. Die Worte wurden zischend zwischen seinen Zähnen herausgepresst und dabei blickte er mich immer noch

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