Was für Ticker ist ein Politiker. Marion Wolf
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Um sich von den Werten totalitärer Regime abzugrenzen, wurde im Laufe der 68iger Revolte von vielen gleich alle Moral über Bord geworfen und das Hirngespinst einer wertfreien Gesellschaft erfunden. Dieser Unsinn wurde in den Medien gepriesen und hat Einzug in die Kinderzimmer gehalten. Inzwischen zeitigt diese Ideologie abstruse Blüten: Eltern biedern sich ihrem Nachwuchs an und machen sich zu Sklaven kindlicher Wünsche. Werbespots reden ihnen mit kitschigen Heile-Welt-Bildern ein, womit Dreikäsehochs zu beglücken sind – und der Rubel rollt.
Schon Kleinkinder werden in familiäre Entscheidungen mit eingebunden, für die ihnen der Horizont fehlt. Was die meisten Familienmitglieder wollen, wird gemacht – auch wenn es Unsinn ist. So verwechseln Kinder die Mehrheit mit der Wahrheit und Willkür mit Sachverstand.
Mit diesem absurden Demokratieverständnis wird weltweit politische Macht errungen. Der Populismus ist heutzutage in erschreckendem Maße auf dem Vormarsch.
Sobald sie ihre Macht über unterwürfige Eltern erkennen, terrorisieren die lieben Kleinen ihre Erzeuger mit Frechheit. Manche Mütter fragen verzweifelt, was sie tun sollen, wenn der dreijährige Sohn sie vor anderen Leuten beleidigt und auf sie einschlägt. Auf "hör bitte auf, das tut weh" reagiert so ein verzogener Fratz nicht und ein deutliches Machtwort kommt überzeugten Samthandschuh-Muttis schon gleich gar nicht über die Lippen, geschweige denn ein körperlicher Eingriff, um die Schlägerei zu beenden.
Warum lässt so ein kleines Monster seine Aggressivität an Erwachsenen aus und was wird aus solchen Kindern?
Ein renitentes Kind schreit nach Führung!
Wie soll so ein Wicht auch Anstand entwickeln, wenn ihm keiner Wertvorstellungen beibringt? Versäumt man, ihnen klare Verhaltensrichtlinien mitzugeben, testen Kinder ihre Grenzen aus, um Orientierung zu gewinnen – gebietet ihnen keiner Einhalt, glauben sie noch als Erwachsene, sich alles erlauben zu können. Erst werden daraus Flegel, später familiäre, berufliche oder politische Despoten.
Natürlich gilt es Kinderwünsche zu beachten, doch ist es Aufgabe der Eltern, ihren Kindern auch mal verständlich zu erläutern, warum sie manches verbieten müssen oder nicht verwirklichen können. Damit meine ich nun keine dummen Ausreden, um die eigene Willkür zu rechtfertigen, sondern eine sinnvolle Erwägung der Umstände. Nur wer richtig begründet, kann auch einwandfreie Werte vermitteln – und die muss ein Elternteil erstmal selber im Kopf haben!
Gesunder Menschenverstand entsteht nicht von selbst, den muss sich jeder im Laufe seiner Jugend geistig erarbeiten! Sich irgendwie durchs Leben zu mogeln, wie das leider die meisten tun, ist verantwortungslos.
Doch wie soll vernünftige Erziehung vonstatten gehen, wenn schon bei den Großeltern weder Werte vermittelt, noch Sprachkompetenz gelehrt oder Streitkultur gepflegt wurde? Wer nie gelernt hat, sich ehrlich mit anderen auseinanderzusetzen, verfällt in archaische Verhaltensmuster: Da wird gedroht, geschlagen, intrigiert und geduckmäusert, dass einem schlecht wird. Das Sozialverhalten in unsrer übertechnisierten Unkultur steckt in den Kinderschuhen! Und solange soziale Bildung kein Thema ist, ändert sich daran auch nichts. Bei Politikern wirken sich solche Hirnrissigkeiten dann gleich für Millionen Menschen fatal aus:
Ideologischer Widerstreit oder persönliche Eitelkeit führen zu Feindschaft und Krieg. Und wer um des lieben Friedens willen Unrecht erduldet, zementiert Ungerechtigkeiten.
Echte Harmonie entsteht nur, wo man Konflikte austrägt und faire Lösungen findet ‒ keine faulen Kompromisse, sondern Abmachungen, die den Beteiligten gerecht werden. Für annehmbare Entscheidungen braucht es bei Konflikten Sachkenntnisse, eine sorgfältige Analyse aller Umstände und Lösungsideen, an denen alle Betroffenen mitwirken. Stattdessen werden in Familien und auch bei Behörden Entscheidungen willkürlich von oben herab getroffen.
Die Leute fragen nicht nach Bedingungen, die von Belang sind, weil sie nie gelernt haben, die Dinge anhand der Umstände zu betrachten. Anstatt angemessene Entscheidungen zu treffen, denken sie sich einfach irgendwas Naheliegendes aus. Und wenn in Gesetzen von Abwägung der Umstände die Rede ist, wenden Beamte die Spielräume nicht an – oder tun es aus Missgunst nicht.
Willkür und falsche Toleranz sind die Kehrseiten einer Medaille! Nicht nur selbstherrlich Regierende verursachen Unrecht, sondern all jene, die dabei wegschauen oder sich alles gefallen lassen. Recht will erkämpft sein – und zwar mit einleuchtenden Argumenten! Und diese müssen allseits akzeptiert und nicht vom Tisch gewischt werden.
Wenn Unrecht zu Recht wird,
wird Widerstand zur Pflicht!
Bertolt Brecht, 1898-1956
In der Kindheit nehmen Geisteshaltungen ihren Anfang und haben die sich erstmal eingeprägt, kleben sie dort fest, denn umdenken strengt den Kopf zu sehr an.
Die größten Laster der Menschheit
sind die Dummheit und die Bequemlichkeit.
Professor Franz Martin Schmölz, 1927-2003
Oft wird Toleranz auch mit Wurstigkeit verwechselt – ist ja auch bequemer, die Dinge einfach laufen zu lassen.
Ich erinnere mich an eine Klasskameradin, die meinte, bei uns wäre der Kapitalismus richtig, für Entwicklungsländer der Kommunismus. Mit einem derartigen Spagat wollte sie sich die Analyse der Systeme sparen.
Ich fand diese Einstellung oberflächlich, da keine Staatsform nur für einen Teil der Menschheit taugen kann. Ist ein staatliches System durchdacht, ist es überall anwendbar. Und wird es zurecht kritisiert, ist es überall untauglich, denn Mensch bleibt Mensch, egal welcher Rasse.
Inzwischen sind kommunistische Staatsgebilde zusammengebrochen, weil sie sich als Diktaturen von Parteibonzen entpuppten. Die Zeit des Turbo-Kapitalismus geht ebenso ihrem Ende zu, denn zunehmend wollen sich Leute nicht länger von der Industrie bevormunden lassen. Fragt sich nur, wie lange es noch dauert, bis es den überheblichen Wirtschafts-Dinos an den Kragen geht…
Ökonomen haben schon vor Jahrzehnten festgestellt, dass eine Volkswirtschaft am stabilsten ist, wenn sie von vielen kleinen Unternehmen getragen wird. Geht eins zugrunde, reißt das kein so tiefes Loch, als wenn ein Konzern pleite geht. Das haben CSU-Politiker nicht beherzigt und unterstützen Siemens mit Steuerfreiheit, obwohl die das weder nötig haben, noch dafür Arbeitsplätze erhalten.
Ich frage mich, wozu Fabrikanten und Manager Geld anhäufen, das sie nicht benötigen, dafür ihren Mitarbeitern ein ausreichendes Entgelt verweigern und ihren Kunden verfälschte Waren oder Produkte zu überhöhten Preisen andrehen. Wieso lassen Politiker unmäßige Gier gewähren, anstatt sie zu unterbinden? Weil auch sie raffgierig ticken? Wenn die Unternehmen Lobby und Parteispenden sparten und das Geld ihren Mitarbeitern zukommen ließen, wäre Korruption überflüssig.
In einer fairen Gesellschaft braucht es:
Regeln für einen gerechten Mindestlohn,
eine gesetzlich geregelte Beteiligung für Erfinder,
begrenzte Gewinnspannen im Handel und
eine Deckelung von Managergehältern.
Warum werden Politiker gewählt, die das verhindern? Weil das Volk selbst immer gieriger wird: Einesteils nimmt die Jagd nach Schnäppchen überhand, andrerseits wird auch da gestreikt, wo das verboten gehört.
Es ist unsozial, wenn öffentliche Verkehrsmittel ausfallen, Kindergärten dicht machen oder in Krankenhäusern