Das Lexikon der uncoolen Dinge. Harry Luck

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Das Lexikon der uncoolen Dinge - Harry Luck

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abgeschlossen, und bald darauf wurde das erste Baugeld in Höhe von zehntausend Mark zugeteilt. Schon im Jahr 1928 beschäftige die Bausparkasse rund zweihundert Mitarbeiter. Bis 1934 wurden an über fünfzehntausend Bausparer mehr als zweihundertzwanzig Millionen Mark ausgezahlt.

      Die Geschichte des Bausparens ist heute anschaulich dargestellt im ersten Wohnhaus Kropps, wo aus einem Einzimmer-Unternehmen ein großer Finanzdienstleister wurde. Dort ist auch Deutschlands erster Bausparvertrag zu sehen, unterschrieben von einem Sparfuchs namens Johannes Rau, der nur zufällig so hieß wie der spätere Bundespräsident. Man erfährt außerdem, dass Theodor Heuss, Thomas Gottschalk und Karl-Heinz Rummenigge prominente Wüstenrot-Bausparer waren – außerdem der Tier-Experte Bernhard Grzimek, dessen Brief an die Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot ausgestellt ist: Er schrieb kurz vor Weihnachten 1969 den „sehr geehrten Herren“, dass er eine Dreieinhalbzimmerwohnung in der Nähe des Frankfurter Zoos kaufen wolle. Der Standort des kleinen Museums verrät auch, woher der Name Wüstenrot eigentlich kommt: Denn in diesem Sechstausendachthundert-Einwohner-Dorf bei Heilbronn – übrigens nur dreißig Kilometer von Schwäbisch Hall entfernt - wurde die erste Bausparkasse gegründet. Dort ist jeden Tag Wüstenrot-Tag.Apfelschorle

      Es gibt viele gute Gründe für alkoholfreie Erfrischungsgetränke. Der beste Grund dafür besteht je zur Hälfte aus Wasser und Apfelsaft. Warum dieses simple, schmackhafte und erfrischende Getränk hierzulande den merkwürdigen Namen Apfelschorle bekommen hat, ist unter Sprachforschern noch nicht vollkommen geklärt: Das Duden-Herkunftswörterbuch führt die Bezeichnung auf das niederbayerische Wort „Schurlemurle“ zurück, das seit dem 18. Jahrhundert für ein Mischgetränk aus Wein und Sprudelwasser stand. Noch älter ist der niederdeutsche Begriff „Schurrmurr“ für „Mischmasch“. Andere Etymologen führen das Wort „Schorle“ auf das mundartlich südwestdeutsche „schuren“ – sprudeln – zurück. Es gibt weitere Deutungsversuche, die uns nach Persien, Russland, auf den Balkan oder in die Niederlande führen wollen, uns hier aber nicht wirklich weiter bringen. Denn fest steht, dass Apfelschorle längst sämtlichen alkoholischen Erzeugnissen den Rang abgelaufen hat und ein deutsches Nationalgetränk geworden ist. Sie hat es sogar neben den Wörtern „Biergarten“ und „Weinstube“ in die englischsprachige Ausgabe von Wikipedia gebracht hat, wo es heißt: „Apfelschorle is a popular soft drink in Germany.“ Und tatsächlich: Sobald man die deutschen Landesgrenzen überschreitet, ist von Apfelschorle keine Rede mehr. Die Schweizer und Österreicher sprechen ganz unlyrisch-profan von „gespritzten Fruchtsäften“ – okay, dafür haben sie ihren Almdudler.

      Für mich ist „German Apfelschorle“ mehr als ein mit Sprudel verdünnter Apfelsaft, für dessen Zubereitung die internationale Kochrezepte-Seite food.com genau zwei Minuten veranschlagt. Ich bestelle im Flugzeug keinen Tomatensaft, beim Thailänder kein Singha-Bier, in der Kneipe kein Radler und in der Kantine keine Bionade. Und vor allem brauche ich keinen Johannisbeersaft! Wer Apfelschorle trinkt, bringt eine Lebenseinstellung zum Ausdruck, die von Gesundheitsbewusstsein, Sportlichkeit und Bescheidenheit geprägt ist – und er kurbelt die heimische Landwirtschaft an, statt die chinesische Litschibaum-Mafia zu fördern. Apfelschorle-Trinker erhöhen ihre Gedächtnis- und Konzentrationsleistung zum Beispiel auf langen Autofahrten, und durch einen konstanten Blutzuckerspiegel vermeiden sie Heißhungerattacken, weshalb sie schlanker und schöner sind als jeder Fanta-Trinker.

      Natürlich trinke ich keine industriell gefertigten Produkte, auf denen zwar Apfelschorle drauf steht, in denen aber vor allem Zucker und künstliche Aromastoffe drin sind und die laut Stiftung Warentest zum Teil sogar nach „Shampoo mit Apfelduft“ riechen. Die beste Apfelschorle ist immer noch die selbst gemachte. Das Rezept ist einfach und im Internet auf www.kochrezepte.de nachzulesen:

      Zutaten: 100 ml Apfelsaft, 100 ml Mineralwasser. Zubereitung: Eiswürfel in ein Glas geben. Apfelsaft und Mineralwasser einfüllen.

      Fertig. Und Prostata!

      Lieblicher Wein

      „Oh, wie süß“, ist ein Ausdruck des wohlwollenden Entzückens - sofern es sich um ein selbst getextetes Liebesgedicht, ein Elefantenbaby oder eine krakelige Kinderzeichnung handelt. Sobald es aber um Wein geht, gilt „süß“ als die laienhafte Umschreibung für das Prädikat „besonders wertlos“. Da hilft es auch nicht, als Synonym die Begriffe „lieblich“, „mild“ oder „feinherb“ zu verwenden oder darauf zu verweisen, dass im anglofonen Sprachraum die wohlklingenden Wörter „charming“ oder „lovely“ üblich sind. Süßer Wein ist etwas für Weicheier, so die landläufige Meinung, und für einen echten Weingourmet kann es nicht staubtrocken genug sein. Darum bedarf es einer gehörigen Portion Mut, sich vom Sommelier im Sternerestaurant etwas servieren zu lassen, was nicht zumindest als „halbtrocken“ deklariert ist. Aber warum ist das so? Hat schon mal jemand über süße Kekse die Nase gerümpft oder nach einer halbtrockenen Sahnetorte verlangt? Ist schon mal jemand als kulinarischer Banause verschrien worden, bloß weil er seinen Kaffee mit Zucker gesüßt, sein Vollkornbrot mit Nutella beschmiert oder eine Pizza mit Ananasscheiben verfeinert hat? Und wird der Wein nicht immer noch aus süßen Trauben gewonnen?

      Guten Wein erkennt man daran, dass er a) schmeckt, b) eine Flasche mehr als fünf Euro kostet und c) am nächsten Tag der Schädel nicht brummt. Und genau jene Kopfschmerzen, die der Genuss von süßem Wein angeblich unweigerlich hervorruft, dienen als letztes Argument im Munde der staubtrockenen Süßweindenunzianten. Dass nicht jeder die Kombination aus Zucker und Schwefel gleichermaßen verträgt und am nächsten Morgen mit einem Brummschädel reagiert, ist wohl nicht zu verleugnen. Aber es gibt auch Menschen mit Heuschnupfen – sollen deshalb alle anderen im Frühling einen großen Bogen um frisch gemähte Wiesen machen?

      Wer schon mal das Glück hatte, ein Glas „Amadeus“ oder „Sisi“ der Weinkellerei Meran zu verköstigen oder sich an der wunderbar vielschichtigen, feinnervigen und finessenreich betörenden Fruchtfülle mit leicht mineralischer Note einer Schloss Johannisberger Grünlack Spätlese zu erfreuen, der wird bestätigen: Der Verzicht auf süßen Wein ist ein nicht wiedergutzumachender Verlust an Gaumenfreude.

      Und übrigens: Jeder Hobby-Önologe, der es spießig findet, Weinflaschen mit Schraubverschluss zu verwenden, der sollte sich mal fragen, ob ein Schraubverschluss nach Kork schmecken kann.

      ZDF

      Das Erste für die „Tagesschau“ und „Lindenstraße“, das Zweite für „Wetten, dass ...?“ und „Traumschiff“ und das Dritte für den Regionalsport, Telekolleg und die „Sesamstraße“. Das war Jahrzehnte lang ausreichend – und ist es auch heute noch. Auch wenn ich „Dalli, Dalli“ und die „Hitparade“ ebenso vermisse wie die „Drombuschs“ und das „Schaufenster am Donnerstag“, so kann ich mich doch auch heute noch darauf verlassen, dass ich im gebührenfinanzierten Fernsehen alles kriege, was ich zur feierabendlichen Dauerberieselung benötige, ohne alle zwanzig Minuten von Slogans à la „Geiz ist geil“ oder „Carglassrepariertcarglasstauschtaus“ aus dem Suppenkoma gerissen zu werden.

      Genau genommen, ist dem zu Unrecht als Narkosesender verspotteten ZDF zu verdanken, dass ein ganz normaler Samstagabend auch im Zeitalter nach Peter Frankenfeld, Hans-Joachim Kulenkampff, Kurt Felix und Rudi Carrell noch so verlaufen kann, wie es sich ein werktägiger Gebühren zahlender Durchschnittszuschauer nach einer harten Arbeitswoche verdient hat: Apfelschorle, Eierlikör, Käseigel und Erdnussflips – und dazu eine zweieinhalbstündige Fernsehshow, die nicht durch Werbespots, sondern durch Live-Darbietungen internationaler Musikgrößen von Elton John bis Meat Loaf unterbrochen wird. Und auch wenn es Kultsendungen wie „Wetten, dass…?“, „Drehscheibe“, „Tele-Illustrierte“, „Kennzeichen D“, „Rappelkiste“, „Vorsicht, Falle!“ oder das „ZDF-Ferienprogramm“ nicht mehr gibt, so standen sie doch Pate für

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