Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg
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Das zweite Mal nahm sie mit ihrer damaligen Schulklasse an einem einwöchigen Skiausflug nach Österreich teil. Auch die winterliche Bergwelt faszinierte Anna.
Besonders das Skifahren bereitete ihr riesigen Spaß, trotz der häufigen Hänseleien ihrer Mitschüler. Die konnten ihr die Freude an dieser Klassenfahrt nicht verleiden.
Sie genoss den Schulausflug in vollen Zügen, obgleich sie sich in den Bergen schon beim ersten Mal nicht hundertprozentig wohl gefühlt hatte.
Ihr fehlten sowohl der Salzgeschmack der Luft, das Rauschen des Meeres, die traurig schaurigen Möwenschreie, das manchmal heftig raue Klima als auch der unendliche Horizont sowie das nie endende Wechselspiel von Ebbe und Flut. …
Sie war wohl eher ein Kind der See, dachte sie, als sie im Wintergarten des großen Herrenhauses stand und hinaus auf die weißen Schneekuppen der bizarren gewaltigen Bergriesen schaute. Ein herrlicher Anblick, zweifellos. Trotzdem wäre es schön, alsbald ihre Insel und das Meer wiederzusehen. Diesmal gemeinsam mit Viktor.
»Ja, das wäre echt klasse!«
»Es ist nicht sonderlich schmeichelhaft, einen Gast in meinem Hause zu beherbergen, der dieses einzigartige Panorama nicht wirklich zu schätzen weiß, sich stattdessen nach Sand, Salz und Wellen sehnt.« Estra war lautlos zu ihr getreten und musterte sie nun freundlich von der Seite.
Wie sein älterer Bruder war auch er ein beeindruckender Mann. Etwas größer als Vitus, sah er ihm in vielerlei Hinsicht ähnlich. Nur sein Mund war eine Spur voller als der des Bruders und seine Augen hatten die Farbe sahniger Milchschokolade. Ansonsten konnte jedermann aufgrund Haarfarbe, Körperbau und nicht zuletzt wegen der Grübchen auf den Wangen sofort erkennen, dass es sich bei den beiden Elfenmännern um Brüder handelte. Estra allerdings strahlte eine ungeheure Ruhe und Kraft aus, während Vitus eher eine Aura von Macht, Autorität und Temperament umgab.
Anna wusste, wie sehr sich die beiden liebten, hatten sie doch ihre Eltern früh verloren und danach nur noch sich gehabt. Damals musste der ein Jahr ältere Vitus schon als Neunzehnjähriger den Thron übernehmen, um seine Pflicht als König zu erfüllen.
Wie kam es eigentlich, dass sie so viele Elfen kannte, deren Eltern schon früh gestorben oder aber nicht gut zu ihren Kindern gewesen waren?, fragte sich Anna. In solch einem Augenblick war sie stets dankbar, eine derart wunderbare Familie zu haben.
Im letzten Jahr war ihre Mutter schwer krank gewesen, was Anna in Angst und Schrecken versetzt hatte. Gott sei Dank ging es Theresa nun wieder gut.
Estras Worte rissen sie aus ihren Gedanken. – Den Gedanken an die See, ihre Eltern, an schlechte Menschen und Elfen und daran, dass die Zwillinge von Estra und Isinis großgezogen worden waren, weil Vitus damals gegen eine böse Bedrohung hatte kämpfen müssen. Sie errötete, da Estra all diese Gedanken problemlos hatte in ihr lesen können.
»Nein«, erwiderte sie hastig, »nein, die Berge sind wunderschön, Estra. Wunderschön. Aber …«
»Aber du hast den Großteil deiner Sommer zusammen mit deinen Eltern und Geschwistern verbracht, und das am Meer«, vollendete Estra ihren Satz. »Das hat eine enge Bindung zu dieser Gegend geschaffen. Du liebst deine Familie und hast die Zeit, die du mit ihr dort verbringen durftest, sicherlich genossen. Deine Eltern sind wundervolle Menschen, Anna. Dich wird es immer dorthin ziehen, wo du solch unbeschwerte Sommertage mit ihnen erlebt hast. Das verstehe ich.«
Er grinste verschmitzt. »Wären Theresa und Johannes jedoch von Anfang an nicht ans schnöde Meer mit euch gereist, sondern in die wirklich und einzig schöne Bergwelt, dann, ja dann würdest du jetzt keinen Deut auf die läppische Nordsee geben.«
Anna lachte. Estra war ein bemerkenswert warmherziger Mann. Sie konnte sich gut vorstellen, wie sich Isinis und er darum bemüht hatten, Viktor und Viktoria eine ebenso unbeschwerte Kindheit zu bereiten wie den drei leiblichen Kindern.
»Wie das wohl gewesen sein mag, plötzlich zwei Kinder zu haben? Von jetzt auf gleich. Sie waren noch so jung und hatten zu der Zeit ihre eigenen Kinder noch nicht.«
»Es war schwer, Anna. Furchtbar schwer«, seufzte Estra. Unterdessen bot er ihr einen der bequemen Sessel an.
Kaum hatte sie Platz genommen, brachte einer der Bediensteten Apfelsaft zur Erfrischung. Anna hob den Kopf, um dem jungen Elfen zu danken. Doch der wirkte schüchtern und senkte demütig den Blick. Mit dem kurzen üblichen Kopfnicken Estra gegenüber und den Worten »Mein Herr« verließ er leise den Raum.
Anna würde sich wohl niemals daran gewöhnen, jeden Handgriff von Fremden erledigt zu bekommen. Das war ihr unangenehm. Sie schob den Gedanken beiseite und wandte sich wieder Estra zu, der seinen Diener mit einem knappen »Danke, Hamo« bedacht, ihm ansonsten keine weitere Beachtung geschenkt hatte.
»Versteh mich bitte nicht falsch«, setzte er unbeirrt fort. »Wir hatten natürlich kein Problem damit, die beiden zu uns zu nehmen. Nein, wir haben Viktor und Viktoria von der ersten Sekunde an geliebt.« Mit traurigem Gesichtsausdruck rieb er sich das Kinn. »Es waren nur so furchtbare Umstände. Du hast Kana ja im letzten Jahr erlebt, sie und ihren Hass, ihre Habgier und Rachlust. Dadurch hat sie Vitus‘ Leben zerstört und das unserer Eltern beendet. Danach starb zudem Veronika direkt nach der Geburt der Zwillinge.«
Nun wirkte er nachdenklich. »Heute glaube ich, dass Kana auch mit Veronikas Tod etwas zu tun hatte. Sie hätte die Macht dazu besessen. Schließlich hat sie ja auch dir und deiner Mutter mit ihren üblen Gedanken und Träumen zu schaden versucht. Na ja, das werden wir wohl nie mehr erfahren, nicht wahr?«
Erneut strich Estra mit der Hand über sein Kinn. »Es war jedenfalls eine schreckliche Zeit. Zu alledem wollte Kana sogar Viktoria und Viktor töten. Aus seiner Sicht hatte Vitus damals keine andere Wahl. Er musste die Babys uns überlassen. Bei uns waren sie geschützt. Dafür hatte er gesorgt.« Den Kopf schüttelnd fuhr er fort: »Es läuft mir immer noch eiskalt den