Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg

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Sonnenwarm und Regensanft - Band 4 - Agnes M. Holdborg

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ge­ni­e­ßen. Es ist wie ein Spiel. Wä­re Lo­a­na mit ei­nem Mal lamm­fromm, wür­den sie die­se Spiel­chen al­le furcht­bar ver­mis­sen. Und ich oben­drein.«

      Be­vor Vik­tor sei­ne Freun­din zu Bett brin­gen konn­te, zog sein Va­ter ihn in die Ar­me, um ihn ge­nau­so herz­lich zu küs­sen wie Vik­to­ria. »Dan­ke, dass du so ehr­lich zu mir warst. Es tat zwar weh, aber es ist gut, dass ich es nun weiß.« Mit die­sen Wor­ten nick­te er noch ein­mal Ke­tu zu und mach­te sich auf den Weg ins Schloss.

      ***

      Ei­ne Welt aus kal­tem Stein schloss sie ein. Es gab kei­nen Aus­weg. Die grau­en Mas­sen droh­ten sie zu zer­mal­men, wes­halb sie ih­re Hän­de fest da­ge­gen stemm­te. Tat­säch­lich wi­chen die glat­ten Fel­sen zu­rück. Doch nun wur­de ihr Blick von et­was an­de­rem an­ge­zo­gen:

      Eis­kal­te dun­kel­blaue Au­gen stier­ten sie an, vie­le dun­kel­blaue Au­gen – kühl, vor­wurfs­voll, has­s­er­füllt. Au­gen in an­sons­ten lee­ren Ge­sich­tern. Die­se schma­len Ge­sich­ter be­sa­ßen we­der Mün­der noch Na­sen und Oh­ren. Sie thron­ten auf hoch­ge­wach­se­nen schlan­ken Frau­en­kör­pern mit lan­gen dün­nen Hälsen und tru­gen al­le­samt hüft­lan­ges dun­kel­blon­des Haar. Ein­gehüllt in hauch­zar­te schwa­r­ze Ge­wän­der schweb­ten sie auf sie zu, wo­bei die­se Au­gen sie im­mer ein­dring­li­cher und ab­schät­zi­ger an­starr­ten. Furcht­ein­flö­ßend!

      »Die an­de­ren Frau­en! Ich muss hier weg! Ich muss hier schnells­tens weg!«

      Vol­ler Pa­nik er­griff sie die Flucht und rann­te los. Sie lief und lief, wie der Wind. Un­ter­des­sen er­ahn­te sie den Duft von Blu­men und Gras, von ei­ner schö­ne­ren Welt mit Licht und Fa­r­ben. Dort woll­te sie hin.

      Mit ei­nem Mal über­kam sie das be­rau­schen­de Ge­fühl, flie­gen zu kön­nen. Die schreck­li­chen Au­gen wa­ren ver­ges­sen, denn nun streb­te sie hin­auf, ge­noss die Macht, die sie den Him­mel stür­men ließ. Ja, wahr­haf­tig, sie flog! Die Luft un­ter ihr trug sie wie ein wei­ches Kis­sen da­von. Sie glitt im­mer hö­her und fühl­te sich groß­ar­tig da­bei. Der sam­te­ne Wind hauch­te über ih­ren nack­ten Leib, strei­chel­te sie mit mil­der Zart­heit. Un­ter sich ver­nahm sie das Rau­schen herr­lich grü­ner Bäu­me. Das Was­ser ei­nes eis­blau­en Sees glit­zer­te wie ein leuch­ten­der Sma­ragd. Vor ihr nä­her­ten sich die Ber­ge. Hoch­auf­ra­gen­de Gi­gan­ten von fas­zi­nie­ren­der Schön­heit im Licht der auf­ge­hen­den Son­ne.

      Sie soll­te noch hö­her flie­gen, um nicht ge­gen ei­ne Fels­wand zu pral­len, über­leg­te sie, wäh­rend sie sich den Ber­gen nä­her­te. Sie soll­te hö­her flie­gen oder bald um­keh­ren. Doch noch war Zeit. Bis da­hin woll­te sie die­sen atem­be­rau­ben­den Flug ge­ni­e­ßen. Es war wie ein Rausch, den es in Gän­ze aus­zu­kos­ten galt.

      Der Berg zog sie ma­gisch an. Es schien, als streb­te er ihr ent­ge­gen und zö­ge sie un­auf­halt­sam zu sich her­an.

      Ihr Glücks­ge­fühl schwand so jäh, dass Herz und Sin­ne blei­schwer wur­den und ih­re Kräf­te spür­bar nachlie­ßen. Wie soll­te sie sich sei­ner be­droh­li­chen An­zie­hungs­kraft wi­der­set­zen? Bald wür­de sie mit ihm zu­sam­men­sto­ßen, könn­te sich am schrof­fen Stein nicht fest­hal­ten. Dann wür­de sie fal­len. Tie­fer und tie­fer.

      Neue Pa­nik schlich sich ein. Nun woll­te sie end­lich das Tem­po dros­seln und um­keh­ren. Aber es fühl­te sich an, als hät­te der Berg sei­ne Hän­de nach ihr aus­ge­streckt, als woll­te er nach ihr grei­fen. Sie konn­te sich sei­nem Bann nicht ent­zie­hen. Hek­tisch sah sie sich um. Vol­ler Ent­set­zen er­kann­te sie die mes­ser­scha­r­fen Kan­ten des Fels­mas­sivs. Sie be­gann zu strau­cheln, ver­such­te mit al­ler Kraft, den Flug zu ver­lang­sa­men, um kehrtz­u­ma­chen. Es woll­te ihr ein­fach nicht ge­lin­gen.

      Mit un­ge­brems­ter Wucht prall­te sie ge­gen den spit­zen, scha­rf­kan­ti­gen Stein, der ihr tief ins Fleisch schnitt und sie Blut schme­cken ließ. Der Schmerz war grau­sam, woll­te nicht ab­rei­ßen, be­vor sie in die Tie­fe stürz­te – und fiel und fiel. …

      An­na schreck­te hoch und blin­zel­te in das Licht, das Vik­tor ein­ge­schal­tet ha­ben muss­te. Sie er­blick­te sei­ne dun­kel­blau­en Au­gen. Die­se Au­gen schau­ten sie Gott sei Dank nicht kalt, son­dern warm und nach­denk­lich an.

      ***

      »Al­les in Ord­nung, An­na?«, fra­ge Vik­tor be­sorgt.

      »Hhm?« Sie schüt­tel­te sich, so, als wä­re sie noch nicht rich­tig wach. »Ja … Hhm … Ja, ich hab ge­träumt. Hab ich dich ge­weckt? Hab ich et­wa ge­schri­en?«

      »Nein, ich hab noch gar nicht ge­schla­fen. Du warst furcht­bar un­ru­hig. Es wirk­te fast so, als woll­test du vor et­was da­von­lau­fen. Ist denn wirk­lich al­les in Ord­nung?«

      … Vik­tor fand sei­ne Sor­ge durch­aus be­rech­tigt. An­na hat­te ihm er­zählt, dass sie frü­her nie­mals Alb­träu­me ge­habt hät­te. Erst seit sie näch­te­lang von Ka­na mit fürch­ter­li­chen Träu­men ge­quält wor­den war, wur­de sie im­mer wie­der da­von heim­ge­sucht, selbst nach Ka­nas Tod. Wei­ter­hin schli­chen sich in vie­len Näch­ten fie­se, häss­li­che Sze­na­ri­en und Fi­gu­ren in An­nas Schlaf, die ihr gro­ße Furcht be­rei­te­ten. Oft hat­te Vik­tor sie nur vor­sich­tig in sei­nen Ar­men zu wie­gen brau­chen, um sie da­von zu be­frei­en.

      Jens hat­te ihm vor Kur­z­em be­rich­tet, dass auch er mit­be­kam, wie An­na häu­fig schlecht träum­te, wenn sie zu Hau­se war. Dann hol­te er sie, meist ge­mein­sam mit Le­na, be­hut­sam aus ih­ren Ängs­ten, oh­ne dass An­na et­was da­von be­merk­te. …

      »Was hast du ge­träumt?«, woll­te Vik­tor wis­sen. »Er­zähl‘s mir.«

      »Nichts.«

      »An­na.«

      Sie seufz­te schwer und brach­te ihn da­mit zum La­chen, da er wuss­te, dass sie gar nicht da­zu in der La­ge war, ih­ren Traum vor ihm zu ver­ber­gen, selbst wenn sie es ver­su­chen wür­de. Wie er­war­tet ließ sie ihn kur­zer­hand men­tal dar­an teil­ha­ben. Al­ler­dings spür­te Vik­tor im­mer häu­fi­ger, wie sie Tei­le ih­res Geis­tes vor ihm ver­barg, was ihr gu­tes Recht war, so mein­te er.

      »Ich weiß nicht, was das zu be­deu­ten hat, Vik­tor. – Lau­ter blöd­sin­ni­ges Zeug. Mein Kopf hat manch­mal ei­ne wirk­lich ko­mi­sche Art, mir den Schlaf zu ver­der­ben.«

      »Tja, und weil das dei­nen Schlaf seit so lan­ger Zeit re­gel­mä­ßig stört, wer­den wir mit Lo­a­na und Vi­tus dar­über re­den müs­sen. Viel­leicht kann Lo­a­na was tun, um sol­che Träu­me ab­zu­wen­den. Viel­leicht hat sie ja ein Kraut da­ge­gen. So was wie Jec­tam, oder so.«

      »Mit Jec­tam fin­de ich be­stimmt über­haupt kei­nen Schlaf«, ki­cher­te An­na und ku­schel­te sich an Vik­tor.

      »Kannst du denn schla­fen?«

      »Ich

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