Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg
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»Sistra wollte Vitus in den Hintern treten?«, erkundigte sie sich ungläubig.
Ketus Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus wie ein warmer Sommerwind. »Sistra hat unserem König so einige Male in den Hintern getreten, Anna. Gerade die beiden haben sich sehr geliebt. Wir alle sechs halten eine tiefe, innige Bindung zu unserem König, empfinden große Zuneigung für ihn und er für uns. Aber diese beiden hatten eine ganz besondere Beziehung zueinander. Vitus legte größten Wert auf Sistras Meinung.«
Trauer umflorte seine schönen Goldaugen. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr wir ihn vermissen, jeden verdammten Tag.«
»Nein, das kann ich wohl nicht, nicht so richtig jedenfalls. Ich kann dir nur sagen, dass ich deinen Bruder klasse fand und sehr gemocht habe. Sistra war lustig, clever und mutig. Er hat mich – gemeinsam mit dir, Viktor, Vitus und den anderen – vor diesem Monster Zitt gerettet. Er hat Jens vor den Nuurtma beschützt. Außerdem konnte er dich so herrlich auf die Palme bringen. – Und er hat dich unglaublich geliebt.« Schon wieder kämpfte sie mit den Tränen. »Er müsste noch bei uns sein, Ketu. Er fehlt mir so sehr. Und das zeigt mir, um wie viel mehr er dir fehlen muss.«
Nun war es doch geschehen. Aufs Neue kullerten ihr Tränen über die Wangen.
»Komm her, kleine Fee.« Ketu hob sie behutsam auf und setzte sich mit ihr auf dem Schoß in den Sessel. »Jetzt wird nicht mehr geweint. Bis Viktor und Viktoria sich mit Vitus ausgesprochen haben, lehnst du dich einfach ein bisschen an mich, machst die Augen zu und schläfst. Schließlich musst du morgen früh wieder zur Schule.«
Er zog sie ganz sanft zu sich heran. Anna konnte sich tatsächlich ein wenig entspannen. Während sie langsam in dämmrigen Schlaf sank, spürte sie noch, wie er ihren Bruder Jens mental kontaktierte. Sie empfand Ketus Fürsorge als so tröstlich, dass sie sich enger bei ihm ankuschelte, bevor sie endgültig ins Land der Träume glitt.
***
»Wieso wusste ich nichts davon? Wieso erfahre ich es erst heute und auf diese Weise?« Während Vitus seine Tochter weiterhin fest im Arm hielt, sah er Viktor an. Seine Miene war aber nicht missbilligend, sondern immer noch geprägt von Schmerz und Selbstvorwürfen.
»Papa, das ist doch schon so lange her. Bitte, lass es gut sein.«
»Gut sein? Ich soll es gut sein lassen?« Vitus‘ Stimme klang mittlerweile schneidend.
Der Tonfall seines Vaters signalisierte Viktor, dass sie sich gefährlich nah am Rande eines heftigen Streits befanden. Daher suchte er sorgsam nach den richtigen Worten, ehe er sich und damit auch Viktoria erklärte:
»Viktoria und ich, wir haben damals unsere Gefühle für uns behalten und nur unter uns ausgetauscht, weil wir befürchteten, man könnte uns vielleicht falsch verstehen. Wir fühlten uns allein, wollten jedoch Estra und Isinis nicht damit belasten oder gar kränken. Schließlich lieben wir die beiden und sie uns. Sie haben alles für uns getan. Wir wollten sie nicht enttäuschen und ihnen auf keinen Fall wehtun. Von dir dachten wir, dass du nicht sonderlich viel für uns übrig hättest, Papa.«
Jetzt sah Viktor seinen Vater mit schmerzvollem Gesicht an. »Wir wussten es nicht besser. Wir waren doch noch halbe Kinder und stellten uns Fragen. Fragen, die in dieser Entwicklungsphase nun mal auftreten. Diese Fragen blieben unbeantwortet. Das hat uns natürlich nicht gefallen.«
Er ging zu Vitus und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Papa, wir waren doch nur ein wenig rastlos in unserer Suche nach Liebe, zudem dumm und unerfahren. Trotz dieser Rastlosigkeit ging es uns gut. Wir waren gern bei Isinis und Estra, wirklich. Allerdings haben wir dich vermisst und wir haben unsere Mutter vermisst, trotz allem.«
Als er seine Hand wieder herunternahm, schaute er Vitus mit flehendem Blick an. »Kannst du denn nicht verstehen, dass wir das lieber für uns behalten wollten – dass wir Estra und Isinis auf keinen Fall wehtun wollten, später auch dir nicht? Du siehst das als Vertrauensbruch an, aber das war es nicht, ganz bestimmt nicht. Für uns ist das alles Vergangenheit, nicht mehr wichtig. Du bist jetzt für uns da und wir wissen, dass wir uns seinerzeit geirrt hatten. Wir haben doch schon so oft darüber gesprochen, Papa, wollten einen Schlussstrich ziehen und uns nur noch auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Deshalb bleib ich dabei: Lass es bitte gut sein.«
***
Vitus sah seinen Sohn lange an. Danach blickte er zu Viktoria, die er nach wie vor festhielt. Als er nun die zahlreichen Farbkleckse auf ihrem Gesicht und Haar wahrnahm, konnte er ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Liebevoll strich er über die bunten Tupfen und Linien. Dann wischte er mit den Daumen ihre Tränen fort, atmete tief durch und betrachtete seine beiden Kinder.
»In Ordnung. Ich lass es gut sein. Kein Wort mehr darüber, auch nicht zu Isinis und Estra. Allerdings liebe ich euch zu sehr, um meine unterschwellige Angst, euch erneut zu verlieren, gänzlich verdrängen zu können.« Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich. »Es könnte also sein, dass ich immer mal wieder einen Rückfall erleide.« Nun musste er grinsen, weil er Ketus Gespräch mit Anna, also auch Ketus Bemerkung über Sistra, gedanklich vernommen hatte. »Ihr habt die Erlaubnis, mir dann kräftig in den Hintern zu treten.«
Er küsste Viktoria auf den Mund, bedachte sie noch einmal mit väterlich warmem Blick. »Viktor und ich gehen runter und schicken dir Ketu rauf. Er bleibt heute bei dir.«
Unten angekommen fand er Ketu mit der schlafenden Anna im Arm vor. »Viktor soll noch schnell Johannes anrufen, damit der weiß, dass Anna heute Nacht hierbleibt. Danach kann er sie nach oben tragen und du kannst zu Viktoria gehen.«
»Ein Anruf wird nicht nötig sein, mein König, weil ich Jens bereits kontaktiert habe. Er sagt den Eltern Bescheid.«
Anerkennend zog Vitus eine Braue hoch. »Da werde ich hier ja nicht mehr gebraucht