Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg

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Sonnenwarm und Regensanft - Band 4 - Agnes M. Holdborg

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wun­der­te sich An­na dar­über, dass ihm die Knie von der lan­gen un­be­que­men Hocke­rei nicht weh­zu­tun schie­nen. Und trotz ih­res Zwie­spalts, Zwei­fels und Ke­tus vie­ler trös­ten­der Wor­te, die sich bei An­na erst noch den rich­ti­gen Platz in ih­ren Hirn­win­dun­gen su­chen muss­ten, ki­cher­te sie. Ihr war näm­lich et­was Be­stimm­tes ein­ge­fal­len, das Ke­tu zu­vor über Si­stra ge­sagt hat­te. In der ihm so ei­gen­tüm­li­chen Wei­se hob Ke­tu fra­gend sei­ne Brau­en.

      »Si­stra woll­te Vi­tus in den Hin­tern tre­ten?«, er­kun­dig­te sie sich un­gläu­big.

      Ke­tus Lä­cheln brei­te­te sich in sei­nem Ge­sicht aus wie ein war­mer Som­mer­wind. »Si­stra hat un­se­rem Kö­nig so ei­ni­ge Ma­le in den Hin­tern ge­tre­ten, An­na. Ge­ra­de die bei­den ha­ben sich sehr ge­liebt. Wir al­le sechs hal­ten ei­ne tie­fe, in­ni­ge Bin­dung zu un­se­rem Kö­nig, emp­fin­den gro­ße Zu­nei­gung für ihn und er für uns. Aber die­se bei­den hat­ten ei­ne ganz be­son­de­re Be­zie­hung zu­ein­an­der. Vi­tus leg­te größ­ten Wert auf Si­stras Mei­nung.«

      Trau­er um­flor­te sei­ne schö­nen Goldau­gen. »Du kannst dir gar nicht vor­stel­len, wie sehr wir ihn ver­mis­sen, je­den ver­damm­ten Tag.«

      »Nein, das kann ich wohl nicht, nicht so rich­tig je­den­falls. Ich kann dir nur sa­gen, dass ich dei­nen Bru­der klas­se fand und sehr ge­mocht ha­be. Si­stra war lus­tig, cle­ver und mu­tig. Er hat mich – ge­mein­sam mit dir, Vik­tor, Vi­tus und den an­de­ren – vor die­sem Mons­ter Zitt ge­ret­tet. Er hat Jens vor den Nu­urt­ma be­schützt. Au­ßer­dem konn­te er dich so herr­lich auf die Pal­me brin­gen. – Und er hat dich un­glaub­lich ge­liebt.« Schon wie­der kämpf­te sie mit den Trä­nen. »Er müss­te noch bei uns sein, Ke­tu. Er fehlt mir so sehr. Und das zeigt mir, um wie viel mehr er dir feh­len muss.«

      Nun war es doch ge­sche­hen. Aufs Neue kul­ler­ten ihr Trä­nen über die Wan­gen.

      »Komm her, klei­ne Fee.« Ke­tu hob sie be­hut­sam auf und setz­te sich mit ihr auf dem Schoß in den Ses­sel. »Jetzt wird nicht mehr ge­weint. Bis Vik­tor und Vik­to­ria sich mit Vi­tus aus­ge­spro­chen ha­ben, lehnst du dich ein­fach ein biss­chen an mich, machst die Au­gen zu und schläfst. Schließ­lich musst du mor­gen früh wie­der zur Schu­le.«

      Er zog sie ganz sanft zu sich her­an. An­na konn­te sich tat­säch­lich ein we­nig ent­span­nen. Wäh­rend sie lang­sam in dämm­ri­gen Schlaf sank, spür­te sie noch, wie er ih­ren Bru­der Jens men­tal kon­tak­tier­te. Sie emp­fand Ke­tus Für­sor­ge als so tröst­lich, dass sie sich en­ger bei ihm an­ku­schel­te, be­vor sie end­gül­tig ins Land der Träu­me glitt.

      ***

      »Wie­so wuss­te ich nichts da­von? Wie­so er­fah­re ich es erst heu­te und auf die­se Wei­se?« Wäh­rend Vi­tus sei­ne Toch­ter wei­ter­hin fest im Arm hielt, sah er Vik­tor an. Sei­ne Mie­ne war aber nicht miss­bil­li­gend, son­dern im­mer noch ge­prägt von Schmerz und Selbst­vor­wür­fen.

      »Pa­pa, das ist doch schon so lan­ge her. Bit­te, lass es gut sein.«

      »Gut sein? Ich soll es gut sein las­sen?« Vi­tus‘ Stim­me klang mitt­ler­wei­le schnei­dend.

      Der Ton­fall sei­nes Va­ters si­gna­li­sier­te Vik­tor, dass sie sich ge­fähr­lich nah am Ran­de ei­nes hef­ti­gen Streits be­fan­den. Da­her such­te er sorg­sam nach den rich­ti­gen Wor­ten, ehe er sich und da­mit auch Vik­to­ria er­klär­te:

      »Vik­to­ria und ich, wir ha­ben da­mals un­se­re Ge­füh­le für uns be­hal­ten und nur un­ter uns aus­ge­tauscht, weil wir be­fürch­te­ten, man könn­te uns viel­leicht falsch ver­ste­hen. Wir fühl­ten uns al­lein, woll­ten je­doch Estra und Isi­nis nicht da­mit be­las­ten oder gar krän­ken. Schließ­lich lie­ben wir die bei­den und sie uns. Sie ha­ben al­les für uns ge­tan. Wir woll­ten sie nicht ent­täu­schen und ih­nen auf kei­nen Fall weh­tun. Von dir dach­ten wir, dass du nicht son­der­lich viel für uns üb­rig hät­test, Pa­pa.«

      Jetzt sah Vik­tor sei­nen Va­ter mit schmerz­vol­lem Ge­sicht an. »Wir wuss­ten es nicht bes­ser. Wir wa­ren doch noch hal­be Kin­der und stell­ten uns Fra­gen. Fra­gen, die in die­ser Ent­wick­lungs­pha­se nun mal auf­tre­ten. Die­se Fra­gen blie­ben un­be­ant­wor­tet. Das hat uns na­tür­lich nicht ge­fal­len.«

      Er ging zu Vi­tus und leg­te ihm ei­ne Hand auf die Schul­ter. »Pa­pa, wir wa­ren doch nur ein we­nig rast­los in un­se­rer Su­che nach Lie­be, zu­dem dumm und un­er­fah­ren. Trotz die­ser Rast­lo­sig­keit ging es uns gut. Wir wa­ren gern bei Isi­nis und Estra, wirk­lich. Al­ler­dings ha­ben wir dich ver­misst und wir ha­ben un­se­re Mut­ter ver­misst, trotz al­lem.«

      Als er sei­ne Hand wie­der her­un­ter­nahm, schau­te er Vi­tus mit fle­hen­dem Blick an. »Kannst du denn nicht ver­ste­hen, dass wir das lie­ber für uns be­hal­ten woll­ten – dass wir Estra und Isi­nis auf kei­nen Fall weh­tun woll­ten, spä­ter auch dir nicht? Du siehst das als Ver­trau­ens­bruch an, aber das war es nicht, ganz be­stimmt nicht. Für uns ist das al­les Ver­gan­gen­heit, nicht mehr wich­tig. Du bist jetzt für uns da und wir wis­sen, dass wir uns sei­ner­zeit ge­irrt hat­ten. Wir ha­ben doch schon so oft dar­über ge­spro­chen, Pa­pa, woll­ten einen Schluss­strich zie­hen und uns nur noch auf das Hier und Jetzt kon­zen­trie­ren. Des­halb bleib ich da­bei: Lass es bit­te gut sein.«

      ***

      Vi­tus sah sei­nen Sohn lan­ge an. Da­nach blick­te er zu Vik­to­ria, die er nach wie vor fest­hielt. Als er nun die zahl­rei­chen Fa­rb­kleck­se auf ih­rem Ge­sicht und Haar wahr­nahm, konn­te er ein Schmun­zeln nicht un­ter­drü­cken. Lie­be­voll strich er über die bun­ten Tup­fen und Li­ni­en. Dann wisch­te er mit den Dau­men ih­re Trä­nen fort, at­me­te tief durch und be­trach­te­te sei­ne bei­den Kin­der.

      »In Ord­nung. Ich lass es gut sein. Kein Wort mehr dar­über, auch nicht zu Isi­nis und Estra. Al­ler­dings lie­be ich euch zu sehr, um mei­ne un­ter­schwel­li­ge Angst, euch er­neut zu ver­lie­ren, gänz­lich ver­drän­gen zu kön­nen.« Sei­ne Mund­win­kel zuck­ten kaum merk­lich. »Es könn­te al­so sein, dass ich im­mer mal wie­der einen Rü­ck­fall er­lei­de.« Nun muss­te er grin­sen, weil er Ke­tus Ge­spräch mit An­na, al­so auch Ke­tus Be­mer­kung über Si­stra, ge­dank­lich ver­nom­men hat­te. »Ihr habt die Erlaubnis, mir dann kräf­tig in den Hin­tern zu tre­ten.«

      Er küss­te Vik­to­ria auf den Mund, be­dach­te sie noch ein­mal mit vä­ter­lich war­mem Blick. »Vik­tor und ich ge­hen run­ter und schi­cken dir Ke­tu rauf. Er bleibt heu­te bei dir.«

      Un­ten an­ge­kom­men fand er Ke­tu mit der schla­fen­den An­na im Arm vor. »Vik­tor soll noch schnell Jo­han­nes an­ru­fen, da­mit der weiß, dass An­na heu­te Nacht hier­bleibt. Da­nach kann er sie nach oben tra­gen und du kannst zu Vik­to­ria ge­hen.«

      »Ein An­ruf wird nicht nö­tig sein, mein Kö­nig, weil ich Jens be­reits kon­tak­tiert ha­be. Er sagt den El­tern Be­scheid.«

      An­er­ken­nend zog Vi­tus ei­ne Braue hoch. »Da wer­de ich hier ja nicht mehr ge­braucht

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