Borderline. Frank Habbe

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Borderline - Frank Habbe

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für den Willem arbeitete, gestellt bekamen. In dieser begüterten Umgebung wuchs Claire auf, unbeeinflusst von den sich abzeichnenden Umwälzungen in ihrem Land. Sie war ein stilles Kind, das sich aber, wenn es einmal die Stimme erhob, schon früh mit einer Entschlossenheit äußerte, die ihren Altersgenossen gänzlich abging. Dies und die Tatsache, dass sie in jungen Jahren mit ihrer plumpen Statur eher nach dem Vater zu geraten schien, verschafften ihr in Kindergarten und Schule ein hohes Maß an Spott und Häme.

      Claire war auf sich allein gestellt, denn von ihren Eltern war keine Hilfe zu erwarten. Willem, der pausenlos zwischen den im ganzen Land verstreuten Minen pendelte, sah sie lediglich an den Wochenenden. Und Cynthia? Die schien froh, allmorgendlich zur Arbeit in Richtung Kapstadt aufbrechen zu können. Außer einem Kuss blieb nicht viel an Aufmerksamkeit. Claire gewöhnte sich bald an die wechselnden Haus- und Kindermädchen, und anstatt mit anderen Kindern draußen herumzutoben, verkroch sie sich lieber in der riesigen Villa. Besonders hatte es ihr die maritime Bibliothek angetan, in der sie Bildband um Bildband verschlang. In ihren Träumen reiste sie mit den Fotografen und Autoren über die Ozeane dieser Welt. Früh schon stand für sie fest: Sie würde Meeresbiologin oder Fischerin werden - Hauptsache ein Beruf, der sich auf dem Meer abspielte. Das waren natürlich keine Jobs, mit denen sie bei den Mitschülern punkten konnte. Aber nicht nur mit den Gleichaltrigen gab es Ärger, denn mit dem Einsetzen der Pubertät verstärkte sich ihre direkte Art, die von den meisten Lehrern eher als patzig und vorlaut wahrgenommen wurde. So wurde ihre Mutter Cynthia in immer kürzeren Abständen vor das Kollegium zitiert, bis ihr schließlich eindringlich geraten wurde, Claire von der Schule zu nehmen. Bei der schwierigen Suche nach einem Ersatz musste Cynthia sich allein auf ihren Charme verlassen. Von Willem, der sich nur noch sporadisch zu Hause blicken ließ, war nichts zu erwarten. Es kriselte zwischen den Eltern, was auch der jungen Claire nicht verborgen blieb.

      Trotzdem gelang es Cynthia schließlich mit viel Überredungskunst und Charme, den Direktor einer Highschool in Tokai davon zu überzeugen, Claire mitten im Semester an seiner Schule aufzunehmen. Und so kam es, dass die Vierzehnjährige sich eines Montagmorgens im Oktober in der hintersten Reihe ihres neuen Klassenraums wiederfand, um dort ihre beschwerliche Schullaufbahn fortzusetzen.

      Jedoch fiel ihr die Eingewöhnung hier leicht, da sich mit zunehmendem Alter etwas veränderte, was ihre Akzeptanz besonders unter dem männlichen Teil ihrer Mitschüler begünstigte: Ihr Körper hatte begonnen, sich von dem plumpen Vorbild des Vaters zu lösen. Claire hatte einen ordentlichen Schub gemacht, der sowohl ihre Beine als auch ihren Oberkörper in eine Figur streckte, die den Jungs den Atem stocken ließ. Zusammen mit den langen schwarzen Haaren, die sie von ihrer Mutter geerbt hatte, und dem goldbraunen Teint machte sie das rasch zur ernsten Anwärterin auf den Platz des Sweethearts ihres Jahrgangs. Claire war sich ihrer Wirkung durchaus bewusst und lernte, diese für ihre Zwecke einzusetzen.

      Nur einer schien sich von der allgemeinen Begeisterung nicht anstecken zu lassen: Ken. Groß, blond, langhaarig, Surfer. Dazu vermögendes Elternhaus, ein rebellisches Wesen und eine aus beidem entstandene Fuck You-Mentalität, besonders gegenüber Lehrern und anderen Autoritäten. Wie gemacht, um Probleme anzuziehen. Aber auch perfekt, um Mädchen um den Verstand zu bringen. Was permanent geschah, und auch bei Claire dauerte es nur kurze Zeit, bis es sie erwischte.

      Doch ihr erging es genau wie all den anderen Schönheiten der Highschool; sie schien Ken gänzlich egal zu sein. Für ihn gab es bloß Surfen, seine Gang und die Steigerung davon: Surfen mit der Gang. Dabei handelte es sich um vier seiner ehemaligen Klassenkameraden und ein dünnes, unscheinbares Mädchen, bei der niemand verstand, wieso ausgerechnet sie es in den erlauchten Kreis geschafft hatte.

      Die sozialen Kontakte von Claires Schwarm spielten sich zu achtundneunzig Prozent innerhalb der Clique ab. Die Welt außerhalb war Luft. Sie surften, wann immer es der Stundenplan zuließ. Im Sommer oder überhaupt immer bei gutem Wetter, gern auch mal während der Schule. Stets lagen in der Kabine von Kens altem Land Cruiser diverse Boards und Wet-Suits, um bei Bedarf ein paar Wellen in der nur wenige Kilometer entfernten False Bay zu nehmen.

      Anders als ihre Konkurrentinnen zog sich Claire nach Kens Abfuhr allerdings nicht schmollend zurück, sondern wählte eine andere, langfristig angelegte Strategie: Sie lernte Wellenreiten. Von nun anstürzte sie sich voller Eifer in das Vorhaben und die Wellen, die bei Muizenberg an den Strand donnerten. So oft es ging, zog es sie in Gary’s Surf-Camp. Ob nach der Schule oder am Wochenende - stets belud sie in diesem Sommer ihren City Golf und fuhr die kurze Strecke hinunter ans Meer. Es kostete sie unzählige Stunden, Schürfwunden an Rücken und Knien und Gallonen an geschlucktem Salzwasser, bis sie das Brett soweit beherrschte, dass sie sich aus der Obhut von Garys Team traute. Kens kritischem Blick wollte sie sich noch nicht aussetzen und trainierte deswegen weiter an den Surf-Spots der Kap-Region. Zu Beginn erntete sie von den Locals meist nur abfällige Blicke oder wurde bei ihren Bemühungen sogar von der einen oder anderen Welle vertrieben. Als sie aber sahen, wie verbissen Claire nach jedem Sturz mit ihrem Brett zurück in die Brandung paddelte, legte sich die Arroganz allmählich.

      Claire registrierte dies mit Genugtuung, und bald darauf stand für sie fest, dass es an der Zeit war, sich bei Ken und seinen Freunden zu beweisen. So nahm sie eines Nachmittags ihren ganzen Mut zusammen und steuerte ihren bepackten VW die schmale Stichstraße hinunter nach Llandudno, den Ort, zu dem die Gang nach der Schule aufgebrochen war. Nachdem sie hinter dem Strand geparkt hatte, lehnte sie sich für einen Moment in ihrem Sitz zurück und schloss die Augen. Sie spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals klopfte. Warum bloß? Die paar Wellen, dachte sie, stieg aus und schlüpfte in ihren kurzärmligen Neoprenanzug. Dann griff sie nach dem Brett und ging entschlossen die wenigen Schritte zum Wasser hinunter.

      An diesem Tag blies der berüchtigte Cape Doctor den feinen Sand kräftig über den Strand, sodass sich die wenigen Sonnenanbeter hinter die Steine verzogen hatten. Rechter Hand, bei einigen ins Wasser laufenden Felsen, machte Claire eine bunte Ansammlung von Kleidungsstücken aus. Die dazugehörige Clique schwebte in etwa hundert Metern Entfernung im Rhythmus der leichten Dünung auf dem Wasser. Strömung und ablandiger Wind führten zu einer sich am Eingang der Bucht steil aufstellenden Welle, die kurz danach sauber brach und sprudelnd am Strand auslief. Perfekte Bedingungen für einen Anfänger wie Claire. Dachte sie.

      Sich ein wenig links von der Gruppe haltend, marschierte sie schnurstracks ins eiskalte Wasser, warf sich auf ihr Brett und paddelte mit kräftigen Zügen in Richtung Ozean hinaus. Doch je weiter raus sie kam, desto ungemütlicher wurde die Lage für sie. Die ersten beiden Wellen verfehlte Claire schon beim Reinschwimmen. Nummer drei ging sie zu steil an und tauchte die Spitze ihres Boards in das Wellental, was es zum Überschlagen brachte und sie in hohem Bogen aufs Wasser warf. Verbissen und bemüht, das rechts von ihr treibende Grüppchen zu ignorieren (die doch sicher jeden ihrer Fehltritte bemerkten!) paddelte sie zurück in den Break. Sie zitterte. Vor der Kälte des Atlantiks, aber auch vor Wut über sich selbst.

      Was war nur los mit ihr? Sie konnte es doch!

      Tief durchatmend, visierte sie kurz die nächste Welle an, die sie ohne großes Nachdenken anschwamm. Wenn sie sich die herankommende Woge nur etwas genauer angeschaut hätte, wäre ihr nicht entgangen, dass diese kurz davor war, sich zu einem kapitalen Brecher zu entwickeln. Was Claire jedoch erst bemerkte, als sie sich gerade kraftvoll von ihren Knien in den Stand gestemmt hatte. Da war ihr das laute Brausen des Wassers bereits gefährlich nahe, und aus dem Augenwinkel sah sie nichts außer der sich direkt hinter ihr aufbäumenden Welle, die nur einen Augenblick später schäumend über Claire zusammenbrach.

      Mein erster Tunnel, registrierte sie angsterfüllt. Da aber hatte die Wasserwand sie bereits unter sich begraben, war über ihren Körper hinweggerollt und hatte sie tief in die eisigen Fluten hinabgedrückt. Sie spürte, wie sie über den steinigen Untergrund gezogen wurde, während sie mit zappelnden Armen und Beinen verzweifelt versuchte, wieder an die Oberfläche zu gelangen.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit kam sie hustend und spuckend nach oben,

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