Borderline. Frank Habbe

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Borderline - Frank Habbe

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in den von der Sonne aufgewärmten Sand, stützte den Kopf in die Hände und ließ ihren Tränen freien Lauf. Sturzbäche der Wut und Verzweiflung flossen ihre Wangen hinab. Was hatte sie sich blamiert!

      Vollkommen mit sich selbst beschäftigt, bemerkte sie nicht, wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte. Sie zuckte erschrocken zusammen.

      „Mutig, mutig!“

      Claire blickte nach oben, kniff die Augen zum Schutz gegen die Sonne zusammen. „Bitte?“

      „Respekt, dass du dich an dieses verschissene Monster rangetraut hast!“

      Jetzt erst erkannte sie Ken, der mit einem anerkennenden Lächeln im Gesicht über ihr stand. Sie wollte etwas erwidern, doch da war er schon einen Schritt zurückgetreten. Mit einem Wink lud er sie ein, ihr zu folgen. „Komm zu uns rüber. Wir haben Coke. Oder Windhoek. Vielleicht herrscht ja Bedarf?“

      Damit drehte er sich um und ging die paar Meter zu seinen inzwischen am Strand lagernden Leuten.

      Claire nickte stumm. Sie war viel zu erschöpft, um sich über die Einladung zu freuen. Dann erhob sich und folgte dem Surfer. Und so wurde sie zum zweiten weiblichen Mitglied der Clique.

      Von da an war sie kaum noch aus dem Wasser zu bekommen. Unter der Woche ging es nach der Highschool direkt an den Strand.

      An den Wochenenden fuhren sie raus aus der Stadt. Kens Vater gehörten Immobilien in der gesamten Kap-Region, darunter Sommerhäuser in Camps Bay und Elands Bay - sie hatten die freie Auswahl.

      Seit ihrem Llandudno Wipe Out war Claire nur noch mit der Gang unterwegs, was ihrer Mutter überhaupt nicht gefiel. Seit klar war, dass Willem sich inklusive neuer Freundin eine Zweit-Existenz am anderen Ende des Landes aufgebaut hatte, hatte sich ihre Ehe aus dem Zustand des friedlichen Desinteresses in eine kriegerische Auseinandersetzung verwandelt. Allein gelassen von ihrem Mann, versank Cynthia zusehends in Depressionen. Und jetzt fehlte auch noch Claire, sodass es nun an der Mutter lag, sich mit ihren Gedanken und Ängsten in der großen Villa zu verschanzen. In dieser trostlosen Lage fand sie mehr und mehr Gefallen an einer Rückkehr in die Staaten.

      Zunächst bemerkte Claire nichts von dem Wandel, der in ihrer Mutter vorging. Wie auch, sie war ja ständig unterwegs. Ihre jugendliche Leidenschaft für Ken hatte sich zu einer ausgewachsenen Verliebtheit gesteigert. Sie wunderte sich über sich selbst, denn sie war eigentlich nicht der Typ, der sich einfach so verknallte. Doch je häufiger sie zusammen waren, desto schlimmer wurde es.

      Nur: Es tat sich nichts. Sie kam nicht voran bei ihm. Dabei versuchte sie es pausenlos mit vorsichtigen Flirtversuchen. Kens Reaktion darauf? Ernüchternd, denn es gab keine. Zuerst hatte Claire Gaby, das schmächtigste Mitglied der Clique, im Verdacht. Aber obwohl auch sie offensichtlich viel für Ken übrig hatte, stand sie auf einem ähnlichen Abstellgleis wie Claire. Immer ging es nur ums Surfen.

      Erst mit der Zeit verstand Claire die Hierarchie innerhalb der Gruppe. Ganz oben stand Ken, natürlich. Gleich darunter sein ältester Kumpel Frederick „Frat“ Fred. Auf gleicher Ebene danach kamen Colin und Marten, etwas ältere muskelbepackte Hardcore-Surfer, die beide nicht viel redeten. Zusammen formten die vier Jungs den Kern der Gang, den die beiden Mädels wie zwei Satelliten umkreisten.

      Es war nicht so, dass sie ausgegrenzt, überheblich behandelt oder bei den Wellen benachteiligt wurden. Aber richtig drin waren sie eben nicht. Gaby schien sich nicht daran zu stören, aber Claire machte die unmerkliche Trennung zu schaffen. Besonders aus Marten wurde Claire nicht schlau. Oft hielt er sich abseits der Gruppe, um sich dann mit aller Vehemenz als Erster in die Wellen zu stürzen. Bis auf die Möglichkeiten, die ihm Ken hinsichtlich Transport und Unterkunft bot, schien er kein weiteres Interesse an der Clique zu haben. Manchmal war Claire allerdings, als ob zwischen Marten und Ken eine ganz eigene Verbindung bestand. Sie sollte bald sehen, wie richtig sie mit ihrer Vermutung lag.

      Sie waren gemeinsam für ein Wochenende nach Elands Bay gefahren. Die Bedingungen am Samstag waren nicht berauschend gewesen, und so hatten sie beschlossen, den Tag grillend auf ihrer Terrasse ausklingen zulassen. Vielleicht lag es daran, dass Claire den ersten und einzigen Joint ihres Lebens rauchte, vielleicht auch an der einen Rum-Cola zu viel. Jedenfalls lief sie später in der Nacht giggelnd über den Flur zu Kens Zimmer - das keiner von ihnen ohne direkte Einladung des Gastgebers jemals betrat. Berauscht setzte sie sich über das unausgesprochene Gesetz hinweg und schlich sich leise in den spärlich beleuchteten Raum. Der Anblick Martens, der mit gespreizten Beinen nackt vor dem ebenso unbekleideten Ken lag und sich mit geschlossenen Augen von ihm einen blasen ließ, ernüchterte Claire auf der Stelle. Eine lahme Entschuldigung stotternd, trat sie augenblicklich den Rückzug an, rannte in ihr Zimmer und raffte ihre Sachen zusammen. Dann verließ sie das Haus, bevor Ken sich etwas anziehen und ihr folgen konnte. Den Rest der Nacht verbrachte sie am kalten Strand, ehe sie am nächsten Tag einen Surfer fand, der sie mit zurück nach Kapstadt nahm. Ken sah sie nie wieder.

      Die folgenden Tage heuchelte Claire ihrer Mutter eine Grippe vor, ließ sich krankschreiben und schloss sich in ihrem Zimmer ein. Sie war nicht wütend auf Ken, auch nicht moralisch entsetzt oder angeekelt. Vielleicht war sie sogar erleichtert zu wissen, dass Kens Ablehnung nicht mit ihr persönlich zusammenhing, sondern einzig mit der Tatsache, dass sie eine Frau war.

      Dennoch fühlte sie sich traurig und leer. Ihr war bewusst, dass es für sie keinen Weg zurück in die Gang gab. Auch die Schule, insgesamt alles, was mit Ken zu tun hatte, war tabu. Da passte es gut, dass Cynthias Rückwanderungspläne in der Zwischenzeit weit gediehen waren. Für Claire stand fest: Sie würde mit ihrer Mutter fahren. Es kostete sie nicht viel Überredungskunst, und neun Wochen später reisten sie nach San Diego, zurück in Cynthias Heimat.

      San Diego klang gut für Claire. Trotz der Wellen.

      * * *

      Bei dem Gedanken an die Wellen sinkt Claire versonnen zurück in ihren Flugzeugsitz. Sie kann es kaum erwarten, dem brausenden Schlag der Wogen am Mission Beach von morgen an wieder zuhören können.

      Als die Räder auf der Rollbahn aufsetzen, reibt sich müde die juckenden Augen und ist froh, die beengte Kabine endlich verlassen zu können. Während sie über das riesige Flughafengelände zum Gate rollen, schaltet Claire ihr Mobiltelefon ein. Um sie herum ertönt ein eifriges Gepiepe und Gebrumme, mit dem all die Nachrichten auf den Telefonen ihrer Mitreisenden angekündigt werden. Auch ihr Gerät signalisiert mit einem leisen Klingeln, dass jemand eine Nachricht für sie hinterlassen hat. Eine SMS von Dave, der ihr für Montag geplantes Dinner auf morgen vorverlegen möchte.

      Umso besser. Morgen ist ihr letzter Urlaubstag.

      Mit einem Ruck stoppt die Maschine an ihrem Gate. In dem sofort entstehenden Gewusel und den sich klappernd öffnenden Gepäckfächern lehnt Claire den Kopf an die Lehne und gönnt sich einen letzten Moment der Ruhe.

      Schon kurios, dass Dave sich ausgerechnet gemeldet hat, als sie in Kapstadt war. Da, wo es vor Jahren zwischen ihnen zu knistern begonnen hat. Sie betrachtet für eine Weile das Display ihres Mobiltelefons, dann bestätigt sie Dave den Termin per SMS, ohne jedoch etwas von ihrem Aufenthalt am Kap zu verraten. Dafür wird beim Essen noch genug Zeit bleiben.

      Claires Gedanken schweifen ab in die Vergangenheit. Es war Ende 2005, als sie für zwei Monate in Simons Town bei einem Schulungsprojekt für die südafrikanische Küstenwache eingesetzt wurde, das ihr Arbeitgeber, die US Coast Guard, unterstützte. Natürlich bewarb sich Claire. Schließlich hatte sie in der Region die ersten fünfzehn Jahre ihres Lebens verbracht. Nach einigem Genörgel stellte sie Doug, ihr Boss, für das Projekt frei.

      Beruflich wurde es eine entspannte Zeit. Es ging um die Einweisung in

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