Im Schatten des Deiches. Fee-Christine Aks

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Im Schatten des Deiches - Fee-Christine Aks StrandtGuth

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Petri-Kirche getroffen hat.

      Auch wenn es Lotta selbst gewesen ist, die sich vor fünf Jahren von dem egozentrischen Anwaltssohn getrennt hat, so ist es doch schmerzhaft gewesen, ihn Arm in Arm mit dieser Vanessa zu sehen, an deren Ringfinger ein Hochkaräter mit der Weihnachtsdekoration um die Wette geblitzt hat.

      Christian ist immerhin ihre erste große Liebe gewesen, und die vergisst eine Frau nie; selbst nicht, wenn sie wie Feuer und Wasser gewesen sind und nie ernsthaft eine Zukunft gehabt hätten.

      Die drei nichtssagenden Lückenbüßer, mit denen sie nacheinander bis kurz vor den Abschlussprüfungen an der Polizeischule zusammen gewesen ist, hat sie ohnehin aus ihrem Gedächtnis verdrängt. Sie kann sich kaum an ihre Namen erinnern, so austauschbar sind sie gewesen. Und ohnehin kommt sie gut allein zurecht und stirbt nicht am Single-Dasein.

      So gesehen ist sie seit dem letzten Versuch vor einem guten Jahr nicht mehr auf der Suche nach ‚Prince Charming‘ oder ‚Mr Right‘. Sie stürzt sich lieber in ihre Arbeit, um gar nicht erst auf düstere Gedanken zu kommen, die nur ein einfühlsamer Mann mit Traumkörper, Humor und der nötigen Portion Grips erhellen könnte. ‚Mann-los glücklich‘, hat ihre beste Freundin Sanna gesagt, ‚nein, das könnte ich nicht. Aber du, Lottchen, du schaffst das. Du bist so viel stärker als ich.‘

      Offiziell glaubt Lotta das auch und lebt diese Unabhängigkeit, in der sie auf niemanden außer sich selbst Rücksicht nehmen muss. Sie hat ihre kleine Zwei-Zimmer-Dachgeschosswohnung in einem westlichen Hamburger Stadtteil, ihren zukunftssicheren Job, Sanna und ihre Eltern. Mehr braucht sie nicht, offiziell gesprochen.

      Wenn sie aber ehrlich ist, dann wünscht sie sich insgeheim doch einen starken Mann an ihrer Seite, einen, der sie nach einem harten Arbeitstag auch einfach mal nur in den Arm nimmt, ohne ihr immer gleich an die Wäsche zu gehen.

      Rein optisch würde ihr Gegenüber, der sie aus seinen warmen braunen Augen freundlich anlächelt, gut passen. Aber Christian war auch gutaussehend, wobei der schöne Schein getrogen hat und die anfängliche heiße Verliebtheit mit der rosaroten Brille schnell in Enttäuschung umgeschlagen ist.

      „Wenn Sie noch nie auf Borkum waren“, fährt ‚Mister Lilienthal‘ nachdenklich fort, „dann brauchen Sie vielleicht Hilfe, sich dort zurecht zu finden? Im Winter soll es etwas ruhiger zugehen als im Sommer, hat man mir gesagt. So hat zum Beispiel mein Lieblingscafé nur während der Saison auf, weil es ein Strandcafé ist. Aber, wenn Sie möchten, führe ich Sie gern mal ins Teehaus aus. Dort kann man gut essen.“

      „Soll das ein Date werden?“

      Die Frage rutscht Lotta unbeabsichtigt laut heraus. Erst denken, dann reden. Oberste Regel. Verdammt, als Polizistin hätte sie sich beherrschen müssen. Aber stattdessen sitzt sie hier vor diesem ausgesprochen hübschen Exemplar männlichen Geschlechts und lässt sich von seinem Charme einspinnen wie ein Backfisch, während die Fähre in den Hafen von Borkum einfährt. Ein Mädchen mit einer großen quadratischen Plastikwanne eilt routiniert durch die Gänge und sammelt das schmutzige Geschirr ein.

      „Wenn Sie möchten, gern“, erwidert er nach einer Sekunde des Erstaunens über ihre Direktheit, bevor er mit treuherzigem Augenaufschlag hinzusetzt: „Wo wir uns jetzt schon so gut kennen, sollten wir uns vielleicht mit richtigem Namen anreden, was meinst du? Ich heiße Sebastian, Sebastian Pfeiffer, mit drei „f“ natürlich.“

      „Angenehm“, will Lotta erwidern, doch da stoppt das Schiff mit einem harten Ruck und schleudert sie mit der Bauchdecke gegen die Tischkante, sodass ihr kurz der Atem wegbleibt.

      „Und das dort drüben ist Momo“, ergänzt Sebastian und deutet zu einem Tisch rechts von der Tür, durch die bereits Fahrgäste zu den Gepäckablagen strömen. „Moritz Antonius Guth, heißt er richtig.“

      Er hebt den Arm und winkt. Lotta wendet den Kopf, folgt seinem Blick und reißt die Augen auf. Sie merkt kaum, dass ihr die Kinnlade herunterklappt. Der junge Mann, der sich dort drüben gerade erhebt, ist in etwa genauso alt und groß wie Sebastian, ebenfalls blond, aber noch weitaus besser aussehend. ‚Beinah schon Model für Männerunterwäsche‘, denkt Lotta und spürt, wie ihr das Blut in die Wangen schießt.

      ‚Lieber Himmel, Lotta! Reiß dich zusammen!‘ schimpft sie in Gedanken mit sich selbst und drückt sich mit einer Hand den Unterkiefer nach oben, während sie mit dem anderen Handrücken einen dünnen Speichelfaden aus ihrem Mundwinkel wischt. ‚Wie peinlich!‘

      *****

      Ungeduldig wirft Moritz einen Blick auf seine sportliche Armbanduhr. ‚Nur kurz das Geschirr zurückbringen‘, hat Basti gesagt, bevor grinsend durch den Gang in Richtung Essensausgabe verschwunden ist. Eine Entfernung von höchstens vier Metern. Wieso braucht man für diese Aktion mehr als fünf Minuten?

      Nachdenklich lässt Moritz seine grün-grauen Augen über die anderen Fahrgäste an Bord der MS Ostfriesland schweifen. Viele von ihnen sind bereits leicht grün im Gesicht, da das rollende Auf- und Niederstampfen der Autofähre beständig zunimmt, je weiter sie sich von Emden entfernen.

      An den meisten Tischen sitzen Rentner oder junge Mütter mit Kleinkindern. Im Winter nimmt die Zahl der Grauköpfe offenbar überproportional zu, wenn nicht mehr Familien-Strandurlaub angesagt ist, sondern Kur und Wellness. Es wird herrlich ruhig sein in der gemütlichen Ferienwohnung im Dachgeschoss der alten Signalstation, die sie bereits im Sommer bewohnt haben.

      Zwei Wochen Urlaub, eine Woche Erholung und den Rest der Tage Lernen für die Prüfungen, die Ende Januar anstehen. Warum nur hat er Mathe als zweites Hauptfach gewählt? Nicht, dass Basti mit Biologie einfacher dran wäre, aber irgendein ‚Laberfach‘ als Ergänzung zu Sport hätte es auch getan. Aber im Nachhinein ist man ja immer klüger.

      So ist es mit allem, auch mit Frauen. Meistens hat er erst festgestellt, dass sie nicht zueinander gepasst haben, nachdem endgültig Schluss war. Nicht, dass sich jemals eine von ihm getrennt hätte. Dazu muss er nur einen Blick in den Spiegel werfen, um das ausschließen zu können. Aber sie sind alle langweilig geworden, mal früher, mal später, aber mit unausweichlicher Gewissheit. Sie sind austauschbar gewesen wie Barbie-Puppen. Ein bezauberndes Lächeln, ein makelloser Modelkörper, aber ohne Geist und Verstand.

      Im Grunde genommen hat er mit keiner von ihnen mehr als drei zusammenhängende Sätze gewechselt. Wenn ihm oder ihr nichts mehr eingefallen ist, sind sie stets wie Tiere über einander hergefallen, um in körperlicher Ekstase den Ersatz für die Leere und Langeweile zu finden, die ihr Zusammensein mit sich gebracht hat. Aber er weiß, dass dies nicht alles sein kann.

      Ohne es sich selbst oder Basti jemals offen eingestanden zu haben, sehnt er sich nach einer Frau, mit der er wirklich sein Leben teilen kann. Eine Frau, die ihn fasziniert, überrascht, begeistert und gleichermaßen erregt. Eine Frau, mit der er reden kann, wenn ihm danach ist, und die ihn nach einer langen Nacht des Lernens für einen herrlich langen Moment sanft in den Arm nimmt und zärtlich auf die Stirn küsst, wenn sie das gemeinsame Bett verlässt, um zur Uni oder zur Arbeit zu gehen.

      ‚Wunschträume!‘ schimpft Moritz in Gedanken mit sich selbst. ‚So eine Frau gibt es nicht, Momo. Die müsstest du dir schon selber backen…‘‘

      Mit einem Seufzen denkt er zurück an den vergangenen Sommer, den er mit Basti auf Borkum verbracht hat. Sechs herrliche Wochen lang haben sie in der gemütlichen Ferienwohnung gewohnt und den Sommer genossen. Basti hat als Surflehrer gejobbt, Moritz selbst als Surf- und Segellehrer. Er hat es aufgegeben zu zählen, wie oft sie die Bucht am Hauptstrand hinauf und hinunter gekreuzt sind, vorbei an der Seehundbank und mit ausreichendem Sicherheitsabstand zur Badezone.

      Er

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