Nachrichten aus dem Garten Eden. Beate Morgenstern

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Nachrichten aus dem Garten Eden - Beate Morgenstern

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ob se mir niche adoptiern wolln. Berlin vorm Kriech war scheen. Hat miche jefalln. Awer, Fritzchen, janz in de Stadt? Nee, iche bin an Bauer! Wie was underweechs war, da hat man Vader jesaacht: Du mußtn niche hairatn! Ziehks Kind allane jroß. Mir sin doch da. Musste dir vorstellen, Fritzchen! Damals! Da hat mer noch viele Johre lank an uneheliches Kind als ne Schande betracht. Man Vader hat jeahnt, man Mann passt niche. Er is kan Bauer. An Bruder Lustich. Janz anderscht als wie iche. Iche war niche fors Faiern. Iche muß mits de Hände in de Erde, was pflanzn, säen und glupschen, was rauskommt. Un Fritzchen, nach so vielen Johrn kann ichs saren: Mane jroße Liewe warer aach niche. Das war man Verlobter, der im Kriech jebliehm is. Man Mann war lebensfroh un jut aussehend. Da isses passiert. Es is ehmt ans nach dem andern verkehrt jeloofn. Den Anfang war im Kriech. Un wer dardardran schuld is, waßt du. Woll mir uns mal ehrlich san, de Polen niche un de Tschechen niche oder die Russen. Awer ausbadn missn dies nach so viele Johre immer noch.

      Du hast werklich wechmachn wolln?, fragte ich.

      Ja. Awer wie die Mauer kam, war ich aus mane Frarerei, was nu richtich is, raus. Man Vader hat sich nochemal jerappelt. Im Herbst isser denn furtjemacht. Leukämie. Der Arzt hat gesaacht, die paar Monate bei dem Alder, das is unjewehnlich, das musser schon lange mits sich rumjeschleppt hawwen. Un wie de Pfäre um ihn jetrauert ham, Fritzchen! Das ane hatn doch offn Friedhoff jezochn. Am Ahmd musste iche das ane das mits Nappern rejelrecht vom Jrabe wechtreckn. Zun Menschen jabs vonnem sowieso nie an böses Wort. Hawwe ich zwischen man Vader un mane Mudder nie jeheert. Un trotzdem er so jrob zu die Zottn war, ham se wohl sane Liewe jefiehlt, wasser werklich forn Mensch war.

      Ich dachte an meinen Vater. Der in der Art vielleicht von seinem Onkel was hatte. Und hat ja auch die Jäule manichmal traktiert, wenn sie nicht wollten wie er. Aber trotzdem!

      Meine Tante guckte mits offenen Augen in sich hinein. Bei der Betrachtung wollte ich nicht stören. Ich erinnerte mich an meinen Großonkel Ernst, was der für einer gewesen war. Offenbar ein Mann mits viel Liebe und Zartheit für seine einzige Tochter. Ich sahk ihn vor mir, wie ich ihn am liebsten hatte: als stattlichen Mann im Sonntagsstaat. Die Sonntage oben auf seinem Hof so ganz anderscht als wie bei uns: Er ging nicht zur Kirche. Doch er kleidete sich feiertäglich. Wenn er um Feldarbeit nun gar nicht drumrum kam, so hat er sich nachhert noch gewaschen und ist in seinen Anzug gestiegen, sodass er fein aussah. Auch meine Großtante, was eine liebe Frau war, und die ganze Familie am Sonntag fein angezogen. Manichmal habe ich mich hingeschlichen, damits ich an so einer Familie teilhatte, die den Sonntag feierte und von allen Tagen sonst unterschied. Ich aß mits vom frischen Blechkuchen und ließ es mir wohl sein. Ich sahk auch die drei Mächen gerne an, wovon die älteste hellblonde Haare hatte und blaue großtraurige Augen, die mittelste, die Sieglinde, goldene fast kupferne lockige Haare. Die leuchteten! Sieglinde gefiel mir am besten. Heute ihre vielen Haare auch dunkel und kurz. Als eine der wenigen von unse Verwandtschaft hat sie mits ihren kleinen, schrägstehenden Augen und ihren hohen Wangenknochen und breitem Gesicht Ähnlichkeit mits dem Martin Luther, der der Bruder von unsem Urahn sein soll. Die Jüngste, eine kleine Schwarze, ist mir damals bisschen tücksch vorgekommen. Heute ist sie eine regelrechte Schönheit auf andere Art als ihre Mutter vorzeiten, mehr herbe, doch hat sie von ihr die Schwärze der Haare und Augen.

      Mächtigen Respekt hatten ich und alle Menschen vor meinem Großonkel. Er ein studierter Bauer, was man damals sonst nicht oft hatte. Der hatte sich viele Gedanken gemacht, was dem Boden guttut und damits den Menschen. Er hatte eine hohe Vorstellung von seinem Beruf. Trotzdem er nicht der älteste Sohn war und kein Hoferbe, hat er sich dem Bauernsein zugewandt und mits dem, was ihn unser Großvater ausgezahlt und was er in seinem ersten Beruf selbst verdient hat, einen Hof oben am Barch gekauft und hätte sich nachhert noch einen größeren kaufen können. War er aber zu vorsichtig. Und nach der Währungsreform wars Geld weg. Sagte ich woll schon. Im Dorf hat er viel geholfen, mits Rat und Tat, mits Geräten, den ganz Armen auch mits Nahrung. Von einer Frau, die nicht in der Lage war, ihr Leben zu meistern, hat er nach dem Krieg die drei Kinner durchgebracht. Ist er nach Aserschlehm rein, hat er sich mits Kanter Köhler abgesprochen und rückwärts immer eine Fuhre, Kohlen für die Leute, Dünger und was sonst so anfiel, mitgebracht. Hinwärts die Fuhre leichter als rückwärts den langen Aserschlehmer Barch hoch. Mein Vater hat sich viel mits ihm beraten und auf ihn gehört wie auf niemand sonst. Mein Vater war zunächst fürs Bauernsein nicht bestimmt, trotzdem er in der Kindheit und Jugend auch hat ran müssen. Das Bauernsein ist erst über ihn gekommen nach dem Unglück, bei dem sein Vater und sein älterer Bruder ums Leben kamen. Mein Großonkel Ernst war sozusagen die Ansprechstelle in der Familie für das Landwirtschaftliche. Vielleicht war mein Großvater wie er. Ich weiß nichts von ihm. Es muss damals so schlimm in unse Familie eingeschlagen haben, warum der Vater nicht den Mund mehr aufkriegte über ihn, und selbst unse Oma nicht und selbst nicht Tante Ruth, die Schwester von meinem Vater.

      Man Mann war for das Amt niche jeschaffn, das wars, fuhr meine Tante im Erzählen fort. Jrade damals niche, wo alles jlaich bolitisch wurde. Er war ja kan bisschen ernsthaft, jede Voraussicht hatm jefehlt. Hattn Leitn vertraut. Dass immer an schlechter Mensch dabei is, jink anfach niche in san Kopp, da konnt ich reden, was ich wollde. Im Jrunde kann man das, wasser jemacht hat, niche mal als was Bolitisches ansehn. War rane Dummhait.

      Un weswejen sin die draie nu abjewandert?, fragte ich. Mits de Friedensdante hattes doch zu dun?

      Endlich kamen wir auf den Punkt. Ich von dem Vor und Zurück, dem Hüben und Drüben schon ganz dumm im Kopf.

      War 53. Wir gerade in der ersten Klasse, lernten bei unse Frau Münz auf Schiefertafeln die Buchstaben schreiben. Ein Geschmiere war das. Immer wieder mits dem Schwämmchen rüwwer und denn die Griffel dauernd abgebrochen. Ein Tag im März Stalin tot. An die Nachricht kann ich mich nicht erinnern, an kein Geheule oder Zusammenbrechen von Menschen. Auch nicht an heimliche Freudenausbrüche. Aber doch hat es eine Freude gegeben. Oder die drei, der Sylkener Schulze, der Arnröder, sein Stellvertreter, und der Buchhalter saßen ehmt so in der Kneipe. Doch ich nehme mal an, sie haben auch aus Freude einen über den Durst getrunken. Wie sie da hocken und einen heben, taucht die Friedenstante, viel schöner auch Friedenstaube geschimpt, in der Kneipe auf, groß, in ihren abgetragenen Sachen, ein Strickmützchen auf dem Kopp. Sie hatte wohl gehört, da könne man die drei Männer finden. Menschenscheu, wie sie war, muss es sie große Überwindung gekostet haben, überhaupt nach Sylken hoch zu gehen und noch dazu in die Kneipe. Sie sieht die drei fröhlichen Zecher und geht demütig, bloß ehmt eine alte Frau mits allerdings festen Ansichten und einem sehr, sehr dringenden Wunsch, einem Herzenswunsch, auf die drei zu. Was is, Olle?, fragt der Buchhalter. Kommste in alten Taren noch offs Saufen? – An Schnaps for unse Börjerin, ruft der Sylkener Schulze, mein Onkel, dem Wirt zu. – Sie will etwas, sagt der Arnröder, was ein alter Offizier ist, mal ein hohes Tier gewesen in der Wehrmacht, verwickelt in die Geschichte um den 20. Juli, wobei er da gut rauskam und man ihm dardarschwejen auch nach dem Krieg nicht an den Kragen ging. Der war keiner aus der Gegend und mehr feiner, denke ich mir. Die alte Frau tut also beherzt einen Schritt nach dem anderen auf die Männer zu, die über ihren Anblick in immer größere Freude geraten. Sie ist nun am Tisch angelangt und spricht sehr gefasst gegen die drei. An den übrigen Tischen wird es still, weil man hören will, was die Frau zu sagen hat. Wird wieder was ganz Verrücktes sein, da ist man schon darauf eingestellt. Ich will nach Moskau reisen, sagt die alte Frau. Sicher doch, sagt der Sylkener Schulze, mein Onkel. Unsen Sejen haste! Jrüße de sowjetischen Jenossen von uns. Die bekümmerte Miene der alten Frau aber hellt sich nicht auf, denn um eine Delegierung einfach so geht es ihr nicht. Aber das Reisegeld!, gibt sie zu bedenken. (Ich nehme mal an, sie ist nicht aus unse Gegend, sondern wegen dem Krieg auf dem Wiepstein gelandet.) Ich kann das viele Geld nicht aufbringen. – Aber klar doch, das bekommst du, sagt der Arnröder augenzwinkernd zu dem Sylkener. Die Frau schaut zu dem Sylkener, ob der auch einverstanden ist, denn der ist ja der richtige Schulze. Mache diche kane Jedankn, sagt der. Unnen Blechkranz spendiern mir darzu, damits der Stalin hört, wenns rejent! Der rote Kopf von meinem Onkel wird noch röter, und auch die der anderen kriegen Feuerfarbe vor Anstrengung, nicht laut rauszulachen. For so ne Raise muss Jeld san! Wenn mirs uns aach aus unsen ajenen Rippen schnaiden missten, gibt der Buchhalter Seins dazu. Die Friedenstante zieht ab. Vorfreude

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