Nachrichten aus dem Garten Eden. Beate Morgenstern

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Nachrichten aus dem Garten Eden - Beate Morgenstern

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Ende des Dorfes befindet sich ihr Hof. Ich greife vor ins jetzige Leben, denn ich möchte euch die alte Frau nicht vorenthalten, wenn ich schon von der jungen nichts weiter sagen kann, weil sie kaum in mein Blickfeld geriet, da sie ehmt immer auf Kleeje war als Krankenschwester in Aserschlehm, und denn hatte sie auch noch mits dem Hof und ihren Mächens zu tun.

      Ich schackerte also zu ihr die Lindberg-Gasse rauf, klingelte am Tor. Als niemand hörte, ging ich durch den Hof. Der Hof nicht eben groß. Der Onkel Ernst hätte einen größeren haben können, weil er gut wirtschaftete. Denn kam der Krieg. Nachhert war sein Geld nichts mehr wert. Wie ich so ging, waren meine Gedanken damits beschäftigt, wie meine Tante mein Anliegen aufnehmen würde. Tante Hildegards Töchter alle weggemacht. Sie lebt allein und abgekapselt. Wer weiß, würde sie, Menschen nicht mehr jewohne, mich gleich wieder rausbefehlen. Doch dann meldete meine Nase mir im Haus einen süßen Duft, der Festtag verhieß. Und wo Festtag in Vorbereitung ist, ist Freude und somit eher freundlicher Empfang zu erwarten. Mits schon mehr Mut ausgestattet, trat ich in die Küche ein.

      Ach du, Fritzchen!, sagte meine Tante Hildegard. Jerade bin iche baim Backen vonnem Matzkuchen. De Annett kommt, mane Enkelin aus Quedlingburch!

      Ach was, sagte ich.

      Ja, die besucht miche immer mal. Manichmal fährt se zejor mits es Rad de janze Strecke. Vieranhalb Stundn. Stelle dir das mal vor, Fritzchen!

      Das is awer lieb vonner!, sagte ich und konnte die Enkelin verstehen, denn nun bemerkte ich: Nicht nur sieht meine Tante Hildegard immer noch hübsch aus wie sonst keine alte Frau, die ich kenne, mits fast noch schwarzen Haaren. Sie kann lächeln! Es schmilzt einem das Herz. Sicher raubte sie in anderen Zeiten den Männern, die in ihre Nähe kamen, damits ihren Verstand. Die Nachrede von den Nappern konnte ich nun verstehen. Ich rückte mits der Sprache heraus, dass wir eine Dorfchronik schreiben und dazu von ihr wissen wollten. Musste aach jornischt saren, Dante Hildejord!, beschwichtigte ich sie. Nur ehmt, ich soll des dir als Anliejen vortraachn!

      Das dausendjährje Siehleken!, erwiderte sie. Und statts mich vor die Tür zu setzen, überzog ein spöttisches Lächeln ihr rotbäckiges, feines Gesicht. Ihre dunklen, fast schwarzen Augen glitzerten gar nicht altweiberhaft. Na ja, denne. Setze dir un kost von maim Matzkuchen. Oder wolln mer hoch in die Schtuwe?

      Nein, das wollte ich nicht, ist es doch so heimelig, wo gekocht, gebacken wird. Auch wollte ich durch ihr kleines Rotnessel-Blumen-Fenster hinaus auf ihren Hof gucken. Wie hatte sie den hergerichtet, nachdem nun weder Jäule noch landwirtschaftliche Geräte ihn bevölkerten. Bäume, Bäumchen wuchsen, Steinpflanzen. Kaum noch Platz, dass Blumen gediehen. Das war kein Garten, das war schon wildwuchernder Dschungel, versteckt in Mauern zwischen Ziegelscheune, Stall und Haus. Ich war stark beeindruckt. Gärten hatte man in Sylken außerhalb vom Dorf, am meisten Schrebergärten oder ein Stück Land, was einem gehörte. Sylken selbst Hof an Hof, Hoff an Hoff, wie man bei uns sagt, die Gassen, Straßen rundum und hinauf, hinab. Man lässt sich nicht reingucken, ehmt wie kleine Festungen sind sie aus Ziegel oder Fachwerk-Lehmbauten. Das Pfarrgehöft in der Dorfmitte mits seinen Gärten, seinen Linden, Nussbäumen und so weiter erschien uns Kinnern deschertwejen als etwas so Besonderes. Es war ein Wunder, warum wir trotzdem in der Mehrzahl nicht an das Paradies glauben wollten. Aber die Mansfelder Seele ist wohl zu hartgesotten, als dass sie sich in Spintisiererei verliert, bloß weil sie mal was Schönes zu sehen kriegt. Schon der Martin Luther hat ja seine Schwierigkeiten mits der Kerche gehabt. Nur war damals die Religion so gang und gäbe, dass man nicht ganz herausfallen und Atheist werden konnte. Nun wuchs und gedieh es also hier im ausgedienten Hof. Eine Herzenslust war es, das mits anzusehen!

      Tante Hildegard machte uns Kaffee. Ich langte beim Matzkuchen zu, wie man bei uns zu Quarkkuchen sagt. Meine Tante gab Auskunft. De Friedensdante, saachste? Fritzchen, da biste aufm Holzwäch. Im Jrunde war se ne arme Verrickte. Die hat die draie niche ins Kittchen jebracht. Oder saren mir so: Deschertwejen sin se niche ins Kittchen, wail se der ollen Frau mitjespielt ham. Die Jeschichte hat es Fass bloß öwwerlaufn lassn. Schuld war der Laichtsinn manes Mannes, dasser dachte, ihm kann jor nischt passiern. Ihm doch niche. Er is ja so beliebt. Trotz sane Verwundunk isser offenbar in saner Nachrichten-Anhait immer noch zu jut öwwern Kriech gekomm, dasser sich ne Lehre anjenomm hätte. Aus de russische Jefangenschaft ham se ihn aach vorzaitch entlassn aus Dankbarkeit, weil er ehmt so jeschickt war un den Russen jeholfn hat beim Widderaufbau von ihre Kraftwerke. Er hat ja bai Junkers Ingenieur jelernt. Un das Verrickte, Fritzchen, se ham ihn zejor nachhert im Kittchen widder for sane juten Laistungen zum Aktivisten der Sozialistischen Arwait jemacht!

      Ein Lachen flitzte in mein Gesicht, weil ich von so was bisher nicht gehört hatte, dass man sogar im Kittchen als Gefangener zum Helden geschlagen wurde und von da an als ausgezeichneter Aktivist herumlief. Werklich wohr?, fragte ich.

      Du iche miche so was ausdenkn?, sagte meine Tante.

      Nee, nee, sagte ich eilig.

      Tante Hildegard redete weiter: Er hatte ehmt was Jewinnendes un Verstand zu tifteln un was widder in Jank zu bringen. Der Fähler war, dass de Russen ihn als Schulzen anjesetzt ham. Dardarzu warer niche jeaichnet. Zu laichtes Blut, ja? Sie sah mich an, ob ich richtig verstehe. Und ich gab ihren Blick zurück. Immer in de Knaipen, hat in de Harzderfer owen mitter Quetschkommode zum Danze offjespielt. De Leite ham ihn jemocht. Awer aner is immer dabei, Fritzchen, du waßt. Ich hawwe viel dröwwer nachjedacht. Es hat ehmt jeder san Schicksal, san Päckchen zu traachn, ja? Tante Hildegard blickte mir wieder in die Augen, um sich zu vergewissern, ob ich ihre Meinung teile.

      Tante Hildegard sinnierte vor sich hin. Und ich ruhte mich im Zuhören aus, erstaunt wie erfreut, dass sie so frei mits mir redete, da ich auf das ganze Gegenteil eingestellt gewesen war.

      61 im Sommer wollden mer röwwer, redete sie weiter. Wie man Vader, dan Jroßonkel Ernst, in Rende jink. Iche, mane Jroße un mane Klane. Die Siechlinde niche, die wollde baim Jroßvader blaihm. Man Jott, was hat das Kind anem jehangn! Du kennsten ja aach noch. Iche hawwe man Mann öfters in Berlin besucht. Iche allane un mits de Mächens. Zur Siechlinde hatter gesaacht: Du brauchst kan Vader, du hast dan Jroßvader. War so. Im Westen hat man Mann denn bai Siemens ane jute Arwait jehabt. Was ich ihm anerkannt hawwe: Er hat sich niche als Opfer darjestellt, als er da dröm war. Trotzdem er sich in Bautzen ane offene Debece jeholt hat wie die annern Männer aach, un schließlich starb er dardardran. Na ja, konnte sane Raacherei niche offjehm, hat aach sonst unverninftich jelebt da dröm. Also, wenn man Vader in Rende jink, wolltn mir röwwer. Awer im Mai 61 is man Vader jesterzt, vonner Schoßkelle runger inne Ackerfähre. Bis mern jefundn ham! Denn hawwe iche de Ernte anbringn missn. Das war ne Schungerei.

      Allane?, fragte ich.

      Fast. Nappern ham mer jeholfn, de Arnolds zum Baispiel.

      Trotzdäm, sagte ich. Dass de diche da hast abschinden missn, kann iche mer vorstelln.

      Dan Vader hat aach jetan, wasm meechlich wor, erwiderte Tante Hildegard. In dem Sommer kam de Mauer. Iche denke, es hat so sollen san. Man Mann hat ja denn aach niche mehr lange jemacht. Un ich denn allane mits de Mächens dröm, ja? Un früher ihm nach? Konntch mir offn verlassen? Ich mane, warum isser wech? Hätt mer doch besprechn könn! Mits de Amnestie 56 hat er sane Strafe abjebießt un hat sich zejor ausjezaichnet. Er hätte widder neu anfangn können in san aijentlichen Beruf. Iche denke, er hat uns nischt jesaacht, weil er jedacht hat, mir sin niche dafier. De Frau von dem Arnröder, na jut, die wor niche von hier un hatte niemand, was sollde se machn, un der Mann war schon älter, war schon im erschten Krieje Offzier, die is jlaich mitm Mann und mits ihre zwai Kinner mits. Der Jroße schon mits Awitur. Awer Jlick hat se aach niche jehabt. Iche war bis zuletzt noch mitser im Kontakt. Un ehmt: Ich wollde man Vader niche im Stiche lassn. Der hat for mir un die drai Kinner jesorcht, wie man Mann niche da war. Un öwwerhaupt, mane Eldern hawwen mer alles ermeglicht. Jeld war ja da. Iche de anzije. Trotzdem, annen Hoff ham se mir niche jefesselt. Winters bin iche jeraist un bin in Stellunk jejangn, um zu lern. Un schon als Kind

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