Nachrichten aus dem Garten Eden. Beate Morgenstern

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Nachrichten aus dem Garten Eden - Beate Morgenstern

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unsem Kreis wurde solcher Aufwand nicht betrieben, war da auch nicht notwendig, weil die Vergesellschaftung schon weiter als woanderschert vorangeschritten war, wegen die Güter von alters her. Es gab nur wenige Bauern, die in der Vergangenheit nur von der Landwirtschaft lebten. Maniche von die Neubauern, die auf dem Junkerland wirtschafteten, hatten starke Probleme und versprachen sich einen Vorteil von dem Eintritt. Vergesellschaftung, mits dem Wort sollte wohl das Gegenteil von Vereinzelung bezeichnet werden.

      Für den Schritt Vom Ich zum Wir war unser Vater nicht zu haben. Doch in den Westen zu gehen stellte für ihn auch keine Verlockung dar.

      Diche is woll niche janz jut, Klaner? Iche jeh hier niche fort, sagte der Vater. Du waßt, das war sait dem Jroßvader von unsem Jroßvader unser Hoff. Den jeb iche niche off wejen dem gommunisdischen Dreckstaat mits sane Jenossenschaften. Jeht das in dan Schättel oder muss iche noch mal nachhelfn! Iche bin for unsen Boden verantwortlich, da lasse iche niemand Fremden ran.

      Mein Vater war nicht der Mann, der sich entschuldigte. Wenn ich mal meiner Meinung nach ungerecht eine vom ihm jeschallert bekommen hatte, sagte er: Macht nischt, for irjendewas werds schon jewesen san.

      Se wern dir einlochn, wenn de so was von dem Staate saachst, warnte ich.

      Hawwe ich dir um Rat jebätn? Soll der Schiggedanz sehn, ob er im Westen san Glück find! For mir is das kan Bauer! Der hat sich for mir erledicht, wenn es wohr is, was du da annimmst! So was dut mer ums Verreckn niche. Der Vater schwieg, milderte dann sein Urteil. Es sai denne, da is noch janz was anderschtes dardarhinder, was mer niche waß. Un der Knecht?, erkundigte er sich.

      Aach niche da.

      Jehk runger bai de Jemainde, dem Schulzen dardavon Mittailunk machen, befahl der Vater. Die Viechter missn versorcht wern!

      De Kiehe hawwe ich jestripst!, vermeldete ich meinem Vater.

      Haste aach leerjestripst? Du waßt, darf nischt inne Euder blaihm.

      Pappa!, sagte ich beleidigt, wusste ja, wie empfindlich die Tiere auf die Euter sind. Iche hawwe aach alle Viechter zu saufen jejehm.

      Werd woll doch nochn Bauer aus diche!

      Das seltene Lob machte die ungerechtfertigte Maulschelle wett.

      Ich holte meine mits blauen Nitrolack angestrichene Mühle aus der Scheune. Mits den Scheinchen, die mir hoffentlich die Nappern und Napperschen, Nachbarn und Nachbarinnen, zur Konfirmation nächstes Palmarum spendierten, würde ich mir ein neues Fahrrad kaufen.

      Das Gemeindeamt im Unterschloss zwischen dem Unterdorf Arnrode und dem Oberdorf Sylken.

      Trotzdem Arnrode und Sylken verwaltungsmäßig zusammengelegt worden waren, sind sie zwei Dörfer, wie sie verschiedener nicht sein können. Sylken ein wahrscheinlich von Wenden erbautes Dorf auf dem Berg. Und somit wasserarm. Die Sage geht, einstmals hätten die Sylkener in einer Niederung in der Nähe eines Baches gesiedelt, am Sump, also auf Sumpfland. Suhle-Siehle-Siehleken-Sylken. Lüttjen-Siehle noch heute ein Gebiet in Richtung Hettstedt zu finden. Eine Überschwemmung suchte die Einwohner heim. Die Überlebenden flüchteten auf einen Berg. Jeder Hof wie eine Festung. Die sehr große Kirche mits ihren dicken Mauern zusätzlich von den Höfen geschützt, sodass sie vor ringsum sie umgebenden feindlichen Stämmen gesichert waren. Die Burgenmentalität hat sich bei den Sylkenern erhalten. Sie sind schwer zu gewinnen, wachsam gegen Fremde. Doch die Ausnahme ist Sylken in unsem Landstrich auch wieder nicht. Neulich war ich in einem Dorf, viel größer als wie unsres, jeder Hof abgeschlossen, dass man nicht mal die Tür aufklinken kann, kein Namensschild dran und keine Klingel, außer es handelte sich um ein Geschäft, und manichmal nicht mal eine Hausnummer. Ganz anderscht dagegen das kleine Arnrode, zweihundert Seelen, wie unser Paschter Kratochwil zu sagen pflegte, (weiß nicht, ob er damits auch die Ungläubigen in die Zahl einschloß), wasserreich, im Einetal gelegen, und ein zweites Flüsschen, die Mukeräne, fließt durch den Ort und dann in die Eine. Gerade Straßen durchziehen das Dorf. Die Bewohner freundlich. Nach der Wende machten sich beide Dörfer die neue Freiheit zunutze und trennten sich. Doch wurden in einer bals erfolgenden Verwaltungsreform nicht nur Arnrode mits Sylken und Sylken mits Arnrode wiedervereint, sondern zusammengeschmissen auch noch mits Alterode, Stangerode, Ulzigerrode im Harz, mits Welbsleben und Quenstedt. In Sylken der Sitz des hauptamtlichen Bürgermeisters. Dardarnach nennen wir uns heute. Die Dörfer dürfen ihren Ortsnamen nach Sylken hinzusetzen. So geht das Leben.

      Zwischen Sylken und Arnrode also das Unterschloss. Dort residierte der Schulze, der Bürgermeister. Der, der nach dem ersten nach 45 eingesetzt worden war. Ein scharfer Hund, aber gerecht. Direkt schaden wollte er niemandem. Der vorchte vom Astel-Knastel, unsem Schandarmen, im Frühjahr 53 abgeholt nebst seinem Arnröder Stellvertreter, dessen Tochter Evchen in unse Klasse ging, und dem Buchhalter.

      Alle Kinner hatten Schule. Ich aber fuhr mits meiner Mühle zum Schulzen als Überbringer von einer Nachricht. Das baute mich sehr auf. Ist ja auch so, dass besondere Vorkommnisse, egal, ob sehr schön oder ganz im Gegenteil, für ein Kind immer Abenteuerwert haben. Wie waren wir außer Rand und Band, als unser Arnröder Schulhof von der nahen Eine überschwemmt wurde nebst gleich dem an der Eine gelegenen Garten und der Wetterstation von unsem tapferen Werk- und Turnlehrer Herrn Münz. Über Holzlatten balancierten wir zum Abort, einem Plumpsklo, zum Garten hin. Das war etwas! Sowieso kann wohl kein Mensch auf einmal ermessen, ist ihm etwas Schlimmes passiert. Im Grunde glaubte ich gar nicht, dass Jerard nicht mehr da sein sollte. Und nachdem ich dem Vater Mitteilung gemacht hatte, war ich eher ganz befeuert von meiner Wichtigkeit und erschien mir gleichzeitig wie ein Lügenbold, wie einer, der in einem Film spielt, der der Wirklichkeit zum Verwechseln ähnlich ist, aber doch keine Wirklichkeit ist.

      Nach Arnrode gehts, wiewohl in den Harz hinein, immer abwärts. Doch rechter Hand wächst ein Berg auf Sylkener Höhe an. Der Wiepstein. Auf dem Berg Wiepstein die Burg Wiepstein. Nach zwölfhundert gegründet, also viel jünger als wie unser Siehleken und erst recht als wie Arnrode, was wohl noch fünfzig Jahre älter sein soll, trotzdem es so klein ist. Die Burg Wiepstein denn leider geschleift, weil die Bewohner zu Raubrittern verkommen sind. Die Reste mit Turm und erhaltenem großem Rittersaal immer noch gewaltig, dass man dort in den siebziger Jahren einen Film drehte. Til Ulenspiegel bei Rittern zu Gast, zeigt ihnen mal seinen Nackten. Einmal im Film auch unser Sieheleken zu sehen mits seinem dicken fetten dreifachbehaupteten Kirchturm. Sylken mehr als 200 Jahre vorher gegründet: 990. Grad im Wendejahr hatten wir unse Jahrtausendfeier. Zu drei Seiten fällt der Wiepstein steil ab, nur nach Sylken hin ist die Burg nicht auf natürliche Weise geschützt. Geheime Gänge von der Burg ins Tal solls wohl drei gegeben haben. Ein sehr breiter nach Siehleken, wo für Pferdewagen Platz war. Der soll im Sauerschen Hof geendet haben. Den Eingang sahk ich in meiner Kindheit noch mits eigenen Augen. Einer, nicht mehr auffindbar, soll hinunter ins Einetal zum Holzberg hin Richtung Alterode geführt haben. Und einer am Fuß des Burgbergs beginnend, der Bierkeller hieß, anscheins war da mal Bier gelagert worden. Der in meinen frühen Grundschuljahren auch noch ein Stück weit zu begehen, bis zu einem Wasserloch und eingestürzten Mauern. Nachhert nutzte die LPG den Bierkeller als Standort für ihre Trecker und verrammelte den Eingang.

      Am Unterschloss machen sich Berg mits Burg zu so einer Höhe auf, dass einem immer nochbeklommen wird beim Gedanken, wie schutzlos Reisende hier den räubernden Mansfelder Rittern ausgesetzt waren.

      Von wegen dem erhabenen Anblick verfingen sich in unse Kindheit unse Gedanken an den Fragen und Vorstellungen, was einstmals auf der Burg geschah. Und denn hörten wir in den unteren Klassen im Fach Heimatkunde allerhand Sagen aus unse Gegend. Herumführerin durch unse nahe Heimat war unse liebe Frau Münz, einzige Lehrerin in allen Fächern außer Werken und Sport – dafür und für die Betreuung des Schulgartens ihr Mann zuständig – Liederbeibringerin und Märchenvorleserin. Den letzten, auch schon den vorletzten Tag des Schuljahres ließen wir unse Arme und Köpfe auf unse tintenverschmierten,

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