Nachrichten aus dem Garten Eden. Beate Morgenstern

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Nachrichten aus dem Garten Eden - Beate Morgenstern

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Haus traf ich auf die Frau. Er liecht mits Hitze im Bette!, behauptete die. Wer wolln schon nach de Jemaindeschwester schickn, was das is!

      Ich begnügte mich nicht mits der Auskunft, spielte mich auf. Iche willn selwer sprechn!, sagte ich und bewies eine Entschlossenheit, die mir selber ganz neu an mir war. Sie zeigte mir, was es für einen Unterschied macht, ob man für sich selbst handelt oder im Auftrag einer Macht, wie klein die auch ist. Widerwillig pochte die Hausfrau an die Schlafzimmertür, rief laut, als wäre ihr der Eintritt verwehrt und sie müsse erst um Erlaubnis bitten: Hanz, das Fritzchen vom Ludder is da, der Schulze schicktn! Lange wartete sie auf Antwort. Hanz, Hanz!, rief sie. Biste anjeschlafn! Hanz! Und endlich vernahm man von drinnen eine Männerstimme. Die Hausfrau entschloss sich, die Tür zu öffnen. Der Knecht lag im Bett, eingepackt bis zum Kinn und knallrot. Ich schätzte, eher von der großen Eile, mits der er ins Bett gesprungen war und der Wärme infolge von zu viel Kleidung unter den Feddern als von der Hitze, wie man bei uns Fieber nennt und wofür nur die Gemeindeschwester ein Thermometer hatte, es zu messen. Doch die Decke konnte ich nicht vom Kinn ziehen, um ihn zu überführen. Wer war ich denn! So stand ich vor dem Bett und blies mich zu Größe und Vorwurf auf. Iche hawwe eire Kiehe jestripst! Dass de so was fertich bringst. – Vorje Zait war ihm janz jut. Un in de Nacht isses öwwer ihm jekomm. Die Frau sprach für den Mann. Aber dem Mann war es leid mits der Lügerei vor mir Bengel. Er ließ die Katze aus dem Sack und sagte: Dardamit will iche nischt zu dun ham! Was waßt du Piepel davonne, wenn miche der Astel in de Finger kricht. Un nu hau ab. Un wenn de ja was anderscht saachst, als wie iche bin krank, denn wer iche rumerzähln, dass de an Spitzel vonnem Schulzen bist un das rode Jesoxe.

      Se ham mir ja bloß jeschickt!, verteidigte ich mich. Weil, mir musstens doch meldn. Ich wolltsen Jerard zur Schule abholn.

      Besser an Fremder als wie iche, antwortete der Knecht. Da haißts doch jlaich, iche hätte dardarvon jewußt. Dafier kriste viellaicht Johre! Un wenn de Jemaindeschwester kommt, Hitze habch. Doran werds niche schaidern. Der Knecht lachte.

      Jut, biste ehmt krank, erwiderte ich. Ich wollte doch kein Judas nicht sein.

      Aufgepustet hatte ich mich. Nun war alle Luft raus. Ganz bedeppert, ganz belämmert ging ich nach Hause. Der Vater fragte nicht. Ich zog mich um, kochte in der Waschküche Kartoffeln für die Schweine, die Hühner. War ich auch nicht stark, bloß das Fritzchen, das dauernd krank auf der Nase lag und das nicht hinterm Pfluge herging wie Jerard oder ab heute richtiger: wie Jerard gegangen war, so hatte der Vater doch immer Verwendung für mich. Die Süße vom ständigen Kartoffelkochen mein Zuhause-Geruch, den ich gar nicht merkte, wusste ich nur von Margarete, die sagte, es würde bei uns immer nach Schweinekartoffeln riechen. Ich ging zu Lotte, putzte sie mitten am Tag, trotzdem dass der Hermann das schon am Morgen getan hatte. Während der Vater frühs die Kühe stripste, machte sich Hermann über die Pfäre her, weil das Putzen, das Striegeln noch mehr Kraft erforderte. Die Zotten sollten sauber auf den Acker. Was war das für ein Bauer, der seine Jäule dreckig gehen ließ, da konnten einem die Tiere leid tut, und die anderen Bauern sahen auf denjenigen herab.

      Ich wusste, die Lotte mochte es, und ich wollte ihr zeigen, ich war auch wer. Dann stellte ich mich gegen ihren Hals und spürte die Wärme und das Fell ihres Körpers. Ich griff nach ihrem Kopf, damits ich ihr warmes Schnauben in meiner Hand hatte, und ließ meine Finger von ihren Lippen bekosen. Was immer eine Wonne is, so ne sanften Pferdelippen. Auf einem Bauernhof, wie wir ihn haben, muss man sich nie ganz verlassen fühlen. Man kann immer bei die Tiere gehen. Mein Vater allerdings schimpte mits mir. Er sagte, ich solle die Jäule nicht wie meinesgleichen behandeln, wie sollen sie sonst Respekt bekommen. Was die Jäule betrifft, mein Vater hat recht. Um mits Jäule auf dem Acker zu arbeiten, müssen sie einem aufs Wort und bloß einen Wink folgen und wissen, wer der Herr ist, sonst geht gar nichts und hat man das schönste Durcheinander in den Fähren, den Furchen. Und wenn mein Vater auch grob zu unsen Jäulen war, sie haben immer seine Liebe rauserkannt. Da waren sie manichmal schlauer als wie iche.

      Von unse Lotte ging ich bei unse Oma, von meinem Vater die Mutter. Weil sie bloß noch so hutschen konnte mits ihre offene Beine und der kranken Hüfte, stellte sie mich an. Ich war ja bloß der Klane. Schad nischt, dass de aach Wiepchen-Arbeit machst, sagte sie immer. Brichst diche kane Zacke aus de Krone. Was solln wern, wenn iche mir mal for immer fortmache. Und ich antwortete: Der liewe Jott werd dir jor niche nehm, Oma, wail de musst off uns offpassn. Daraufhin lachte unse Oma. Aber sie hörte immer gleich auf und seufzte: Wenn ich erlehm kennt, dass der Hermann ane Frau anbrächte, wär mir schon liewer. Was sie für Gedanken darüber hatte, dass unser Vater nach dem Tod von unse Mutter nicht wieder heiratete, darüber hat sie sich nicht ausgesprochen. Es ist ihr gegangen wie die meisten ollen Wiepchens auf die Dörfer. Die haben sich aufhalsen lassen an Last, bis sie fast drunter zusammengebrochen sind. Standen mits einem Bein im Grabe und mits dem anderen noch immer am Kochtopp. Waren es so jewohne, kannten nichts anderes als wie Kleeje. Ich denke mal, indem sie mich anstellte, mir vorbetete, was alles in der Hauswirtschaft gemacht werden müsste, hat sie sich ihre Sorge, wenn es mits ihr gar nicht mehr ginge, ein bisschen weggeredet.

      Kurz vor zwölf kam Hermann mits Alwin und Juste vom Acker. Ich half ihm beim Ausschirren, wischte die Pfäre mits Stroh ab, weil sie nass waren von der Kleeje und der Hitze. Während er sie tränkte, sagte ich wie nebenbei: De Schiggedanzens sin innen Westen jemacht! In Wirklichkeit tat ich mich wieder ein bisschen groß mits der Nachricht, trotzdem die ja für mich die bisher traurigste meiner Kindheit war, da ich das Hinsterben meiner Mutter nicht bewusst erlebt hatte. Oje, sagte Hermann. Da is ja aach der Jerard mitsen mit.

      Ja, antwortete ich und fand keine weiteren Worte, trotzdem ich im Grunde noch nicht glaubte, dass Jerard weg war.

      An Unjlick isses!, sagte mein Bruder.

      Mer sin nun noch de anzijsten in Siehleken, die noch niche unterschriehm ham, erwiderte ich, wollte mich nun wieder aufspielen mits Wichtigkeit über unse Stellung im Dorf.

      Die wern sich off uns sterzen!, bestätigte der Bruder. Wenn der Pappa niche so stur wer, man Jott! LPJe Typ I, wo mer die Viechter behaltn kann. Mer kann sich doch niche jejen die Zait stelln!

      Oder mir machn aach fort, schlug ich vor, sagte es bloß dahin in gar keiner Hoffnung, mein Vorschlag würde bei Hermann auf freundlichere Ohren als die von meinem Vater treffen.

      Dardarvon kann kane Rede niche san!, entgegnete Hermann wütend. Wie de dir das vorstellst! Als Knecht bei jemand jehn? Was anderschtes, als wie Bauer san, kann iche niche und will iche aach niche. Un for die im Westen sin mir doch bloß Flichtlinge. Denke mol an de Ostler, die nach uns kamen.

      Der Astel werd uns erscht recht schigganiern, hielt ich dem Bruder vor.

      Soller!, sagte Hermann. Denn machn mir ehmt in de Jenossenschaft wie de andern. Da hat mer wenichstens aach mal Zait for was anderschtes als wie bloß Kleeje tachein-tachaus.

      War mein Bruder schon zu genossenschaftlicher Arbeitsweise bekehrt?

      Nachmittags bekam ich Besuch von Margarete. Was isn mits euch los?, fragte sie. Beim Gerhard is am Hof son Gummi mits Stempel un Strippchen, woll ein Siegel, dass mer nich reinkann. Margarete sprach Hochdeutsch, aber kein übertriebenes. Un du warst auch nich in der Schule.

      Du frächst!, sagte ich und erzählte ihr.

      Son Mist, meinte sie nach meinem Bericht. Nu sin mir bloß noch der Udo, du un ich von Sylken und von Arnrode Helmut und Kläuschen.

      Ganz übriggelassen kamen wir uns vor. Viele waren wir, der Jahrgang 45/46, ja nie gewesen. Bis in die Siebente war unsere Zahl immerhin durch Sitzenbleiber aufgebessert. Schon ab der Fünften lernten wir – gegenüber der anderen Klasse erheblich in der Minderheit – hauptsächlich im Stillen das Russische, weil uns Frau Münz meist Stillarbeit aufgab. Frau Münz hat das Russische

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