Nachrichten aus dem Garten Eden. Beate Morgenstern

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Nachrichten aus dem Garten Eden - Beate Morgenstern

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ließ man viele von anderen Berufen als Neulehrer umlernen.

      Neulehrer hatten wir und Neubauern. Das waren die, die sich nach 45 neu einrichteten. »Neuland unterm Pflug« von Scholochow wurde nachhert auch ein wichtiger Roman in der Schule. Neu ein ganz beliebtes Wort, wie man an vielen Benamsungen entnehmen kann wie »Neues Deutschland«, das »Zentralorgan« von unse führenden Partei. Jetzt ist man mehr auf Restauration aus. Wie das liebe Wort Wiedervereinigung oder Wiedereinrichter. Ihr wisst vielleicht, die Bauern, die sich auf dem Hof der Eltern selbstständig machen.

      Für uns war Frau Münz eine gute Lehrerin außer in Russisch, was aber nicht an ihr lag, sondern weil unse Klasse Jahr um Jahr geschrumpft war. 56 die Wiepsteinbande weg. Anfang der Fünften verließ uns Evchen. Durch eine Amnestie – in Moskau war inzwischen Entstalinisierung im Gange und Chruschtschow an der Macht – waren die Bürgermeister von Sylken und Arnrode und der Buchhalter früher freigekommen, und Evchen machte mits ihrer Mutter ihrem Vater nach in den Westen. Die fünfte Klasse war vorbei, da verließ uns unser zeitweiliger Schulleiter und mits ihm auch seine in unse Klasse weilende Tochter Kerstin. Margarete verblieb als alleiniges Mädchen. In der Sechsten kriegten wir einen Neuen von den Leuten, die das »Grüne Röckchen« neben der Eine in Arnrode übernommen hatten, wo im Saal ein Barren stand, und ein gepolsterte Ledermatte lag für unseren Turnunterricht bei Herrn Münz. Der Junge war schon hängengeblieben und blieb es wieder und ging damits aus der Sechsten ab.

      Margarete fand, wir müssen uns beistehen in unsem Erstaunen über Jerards fortdauernde Abwesenheit. Denn bin ich ehmt mal nich da!, sagte sie darüber, dass ihre Mutter sie diesen Nachmittag umsonst rufen würde, dies und das zu tun. Zunächst sahen wir uns genau die Verklebung am Schickedanz-Hof an. Die sin wohl bleede!, sagte ich, und Margarete schüttelte heftig den Kopf, trotzdem sie mehr als ich schon voraussetzte, dass die Behörden die Dummheit gleich tellerweise gesoffen hätten. Die Einstellung hatte sie von ihrem Vater her, der dem Staat nicht grün war, in keinster Weise. Was im Übrigen auf Gegenseitigkeit beruhte. Wir schlenkerten durchs Dorf, wir stromerten über die Felder. Die Kerschen auf den Bäumen am Feldrand leider noch nicht reif. Die waren so lange frei zu pflücken, bis der Öbster seine Bude aufstellte. Vorzuziehen den krepligen, wenn auch süßen auf dem Schiefergestein wildwachsenden Zippelbeern des Wiepstein, Nachkommen von schönen Kirschbäumen, wie sie auch mal auf dem Wiepstein gestanden hatten.

      Damals wuchsen an den Feldwegen Obstbäume. Weißkirsche, Herzkirsche, Glaskirsche, schwarze Knacker, was weiß ich noch, Äpfel der verschiedensten Sorten, die nacheinander reiften, vom Staat gepflanzt und von einem Bauern gepachtet, dem Öbster. Während das Getreide reifte und nach der Getreideernte hatte er Muße für das Obst. Er stellte Frauen zum Pflücken ein, übernachtete in seiner Bretterbude, bei sich die Körbe und vor der Bude angekettet die Leitern. Das Obst verkaufte er an den Großhandel. Nicht nur die Feldwege waren genutzt, sogar die Chausseegräben, die waren vom Staat an die Zickenbauern verpachtet, die sich dort ihr Gras absensten. Und kurz blieb das Gras auch unter den Obstbäumen. Da ließ der Schäfer seine Tiere weiden. So war alles in bester Ordnung bei uns, bis die LPG kam und nachhert vor allem die Großraumwirtschaft.

      Im Grase am Feldrain lümmelnd, dachten wir an Jerard und betrauerten uns als sozusagen Hinterbliebene. Bestimmt hat Jerard nischt jewußt, sagte ich. – Bestimmt, bestätigte Margarete. Sonst hätter was gesagt. Ne Andeutung wenigstens. Oder uns noch mal orntlich de Hand gedrückt oder so. Wir überlegten, ob uns etwas einfiele, womit Jerard uns ein kleines Zeichen gegeben hätte, kramten jedoch ganz umsonst in unsem Gedächtnis herum. Awer wenn ers doch jewusst hat, philosophierte ich. Dasser uns hat ehmt jar nischt saren derfn, kan bisschen, das muss for ihn aach niche anfach jewesen san!

      Einfach war´s für ihn so und so nich, bestätigte Margarete. Un vielleicht hatter gar nich mitgewollt.

      Der hat niche mitjewollt. Nee. Da isser doch aach bloß an Flichtlink ausm Osten. Ehmt noch hatte ich Jerard beneidet, und schon sahk ich im Gegenteil, was mein Bruder mir vorgehalten hatte. Werscht du mal abhaun?, fragte ich Margarete kleinlaut.

      Mein Vater sagt, Gott hat uns hier hingestellt, antwortete sie.

      Dan Vader, aber du, forschte ich.

      Kann ich mer nich vorstelln, sagte sie. Muss auch hier noch Menschen gehm. Der Satz gab mir vorläufig Mut und Zuversicht.

      Wie ich zurück ins Dorf kam, klebte am Schickedanzschen Hofeingang immer noch das Siegel. Wieder und wieder rannte ich zum Hof. Das Siegel blieb. Als wir abends mits dem Füttern und Melken fertig waren, ging der Vater mits uns Söhnen, um selbst nachzusehen. Was solln das?, fragte der Vater und deutete auf den roten gestempelten Wachs. Hawwe iche dir bei den Schulzen jeschickt, dasse an Siechl annen Hoff machen oder dass de Viechter versorcht wern? Ich gab ihm keine Antwort, weil die ja klar war. Gleich wurde mir auch deutlich, dass der Vater sich um kein Siegel scheren würde. Da darfste niche rain!, sagte ich. Pappa!, warnte auch Hermann.

      Und ob ich da rain darf!, sagte der Vater, öffnete die Tür, ging zu den Ställen. Die Tiere brüllten. Nicht einmal Wasser hatten sie. Und mir tat leid, dass ich mich frühs von meiner Angst hatte übermannen lassen und sie nicht gefüttert hatte. Anzaijen bei de Behörde wer ich den Hund, den elendijen Krepel!, tobte der Vater. Den Hoff zuklehm mits son Dings, un de Viechter kenn verreckn! Denn man los.

      Wern mer Ärjer kriejen!, gab Hermann zu bedenken.

      Un was iche for an schon hab, das kannste dir niche denkn!, entgegnete der Vater. Aber wir dachten es uns schon: Halbtot schlagen würde er den Astel, bekäme der Vater ihn unter die Finger. Dem Schickedanz, der sein Vieh im Stich gelassen hatte, würde es kaum anders gehen. Ich pumpte, Hermann und der Vater schleppten das Wasser. Ich tränkte die Pfäre. Wir fütterten notdürftig, denn mits Heu, Spreu, Hafer und Weizen allein ists ja nicht getan. Frisches muss sein im Sommer, nicht nur für die Karnickel. Ist im Sommer ja kein Raufutter, getrocknete Luzerne, Kartoffeln, geschnitzelte Rüben und so weiter im Sortiment wie winters über. Hermann und der Vater saßen unter den Kühen und stripsten – wie wenig sie nun auch an Milich hatten – gemolken werden musste. Mits einem Mal kam Astel-Knastel, der Schandarm, in den Stall.

      Hawich euch erwischt!, brüllte er. Seine Stimme hielt nicht, deschertwegen das Weitere mehr ein wütendes Flüstern wurde. Sich an Jenossenschafts-Aijentum beraichern! Der Vater stand auf, Hermann auch. Ich sprang zu ihnen. Wie der Vater auf den Astel zu wollte und sich sein ganzes weiteres Leben verderben, stellte sich Hermann, der große, starke Kerl, vor den Vater, den auch sehr starken, packte ihn, ruckte mits dem Kopp mits der Bedeutung, auch ich solle den Vater halten, damits der merkte, seine Söhne waren sehr dardargegen, dass er dem Astel an die Gurgel ging. Ich gehorchte Hermann, stemmte mich mits gegen den Vater. Nun hatten wir die Kampfhähne einigermaßen auseinander. Der Vater wusste, was wir Gutes für ihn wollten, schrie erst einmal bloß: Haste uns aufjelauert, du Mistkrepel, du jemeines Sticke Dreck, du Matzbläke, du ausjeknaupelte Kerschkuchen-Lawwe. Direkt erfinderisch wurde mein Vater in seinen Ausdrücken. Un de Viechter, de kenn verreckn, das dut dir niche inderressiern!

      Du bleeder Kerel, entgegnete Astel-Knastel dem Vater. Im Gesicht von Astel-Knastel ein Ausdruck größter Freude, aber von welch einer Art! Da hätte sogar ich gern in seine Lawwe unsanft reingelangt. Tuste unterschraihm, denn haste bloß de Jenossenschaft ausjeholfen, un kaner kann dir was vorwerfn! Die Worte des Schandarmen machten, dass der Vater mich zur Seite schleuderte und Hermann umwarf. Ane Falle haste uns stellen wolln!, rief der Vater. Noch während Hermann der Länge lang hinschlug, flehte er: Pappa, Pappa! Riehre ihn niche an! Er is de Staatsmacht! Hermann bekam die Füße des Vaters zu fassen. Weil der Vater trotzdem unbedingt fortwollte zum Astel hin, schlug es ihn nieder auf den glitschigen, mistigen Stallboden. Sein Fall schien mir ungeheuerlich. Doch in solcher Not konnte Hermann den Vater nicht vor Peinlichkeit bewahren. Mache dir fort, off der Stelle!, schrie Hermann dem Astel-Knastel im Liegen zu. Un wenn iche bis zum Ulbricht jeh, mir beschwern, dass anem Hilfsbereitschaft for die Jenossenschaft so ausjeleecht werd. Wie klug Hermann redete! Wer es richtig drehte, dem

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