Nachrichten aus dem Garten Eden. Beate Morgenstern

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Nachrichten aus dem Garten Eden - Beate Morgenstern страница 13

Автор:
Серия:
Издательство:
Nachrichten aus dem Garten Eden - Beate Morgenstern

Скачать книгу

Liebe in ihrem Herzen zu dem großen Stalin und der Sache des Kommunismus hat ihr nach vielen Entsagungen, Spott und Hohn nun doch einen Lohn eingebracht. Sie hat die Ehre, als Abgeordnete der Gemeinde Sylken/Arnrode ins Freundesland zu reisen, wenn der Anlass auch erschütternd ist und sie über den Verlust dieses ausgezeichneten Genossen Stalin wohl nie hinwegkommen wird.

      Tage vergehen. Auf der Burg lässt sich keiner mits einem Geld, einer Fahrkarte nach Moskau blicken. Die Friedenstante hat schließlich Geduld genug gehabt, geht aufs Bürgermeisteramt, bloß den Berg runger ins Unterschloss, muss dieses Mal nicht bis in die Kneipe laufen, um den Schulzen anzutreffen. Ich warte auf meine Fahrkarte, mahnt sie den Schulzen.

      Was for ne Fohrkorte?, fragt der.

      Die Fahrkarte nach Moskau zum Genossen Stalin, meint die Friedenstante.

      Erinnert sich der Schulze, mein Onkel? Er sagt jedenfalls nichts davon. Iche waß von kaner Fohrkorte, antwortet er. Wo solln mir das Jeld hernehm, sare mir das?

      Aber ihr habt es mir versprochen!, erwidert die alte Frau und steht in Tränen vor dem Schulzen über solchen Wortbruch. Was auch immer die Friedenstante oder Friedenstaube noch vorbringt, er will es nicht hören und weist ihr die Tür. Doch die draußen vor der Tür kriegen mit, was die Alte von der versprochenen und nun nicht ausgehändigten Fahrkarte nach Moskau redet. Bittere Anklagen erhebt sie, wo auch immer ihr Menschen begegnen. Ein solcher Gram zehrt an ihrem Herzen. Man wird aufmerksam auf sie, von welcher Seite auch immer. Man untersucht. Einer findet sich, der bestätigt, man habe mits der Frau in der Kneipe so und so geredet. Seinen Namen, sein Gesicht wird niemand erfahren. Den Herzenswunsch erfüllt man der alten Frau nicht. Den Genossen Stalin bekommt sie nicht zu sehen, trotzdem er noch lange einbalsamiert gerade für solche wie sie bereit liegt zur Besichtigung im Moskauer Mausoleum. Aber die drei Männer werden bestraft, die sich bei seinem Abgang in zu fröhlicher Laune befanden. Sie wandern dafür ab nach Bautzen, bis eine Amnestie sie nach zweieinhalb statts nach vier Jahren auf freien Fuß setzt.

      Irjendwer muß die draie anjezaicht ham, sagte meine Tante. Ich hawwe aach ne Ahnung, wer. Aner neulich hat mich so neujierig gefracht, ob ich die Jauck-Akten ansehn will. Dem is sicher niche jut jewesn! Awer iche will kane Rache. Iche wills ehmt bloß wissen. Das Verrickte: Aner im Kreis vonner Staatsicherheit hat Wind davon jekricht, dass mer die draie verhaften will, und man Mann anjerufen, er soll abhaun. Un der Arnröder soll aach jewarnt worden san. Awer man Mann hats niche jloobn wolln. Awer doch niche wejen die ollen Dante!, hatter gesaacht. Un ich hawwe jeantwortet: Awer Jünder, doch niche wejen die ollen Dante!

      Un warum denne, wenn niche wejen die?, fragte ich.

      Ich will dir mal was saren, Fritzchen, wer anjelocht wurde, der hatte mehr offm Kerbholz jehabt, als dasser mal an Witz jemacht hat. Da war immer noch was anderschtes im Hindergrund.

      Awer was sollsen jewäsn san bai die draie?, fragte ich.

      Is nich so anfach for miche, das zu saren, Fritzchen. Iche war ja janz anderscht anjestellt jejen Hidler als wie man Mann. Wie iche in Berlin in Scharlottenburch war, da hawwe iche de Hitlerai erläbt, die janzen Aufmärsche. Rejelrecht jejraust hat mersch dardavor. De janzen Fackeln un der Pomp. Da konnte mer doch sehn, wohin das fiehrt. Awer man Mann un der Arnröder, die ham sich was drauf anjebildet, dasse Offziere jewesn worn, und ham sich bai wem im Harz ohm immer noch jetroffn. Un der Arnröder wor noch verrickter, hatn NDPD-Ortsverband jejründet un war aach im Kraisverband, hat vellaicht aach den jejründet. Das waß man doch, dass in die NDPD damals bloß die ollen Nazis rainjingen. Jut, war erlaubt. Awer se ham sich ehmt aach noch haimlich jetroffen. Ich hawwe reden könn, hat nischt jenitzt. Was mir dabai so jeärjert hat: Wenn er werklich innerlich so anjestellt war, denn hätte sich man Mann doch aus Kriechsjefangenschaft niche ausjerechnet in de russische Zone entlassn lassn sollen! Kan bisschen Öwwerlejunk, das war man Mann. Das mits de Friedensdante, das war das Quentchen zuviel. Wenn se nu ne Chronik schraihm wolln, Fritzchen, denn kenn se sich mits maim Mann niche schmickn.

      Da hatte ich die Erklärung, warum meine Tante so freigibig mits mir redete. Sie war ihrem Siehleken nicht so wohlgesonnen, dass sie ihm einen Märtyrer gönnte!

      Wer machtsn so was, wejen an Scherz de Existenz von seine Familie offs Spiel zu setzen!, ereiferte sich meine Tante. Mane Kinner hams ihm schwer ieweljenomm. Un se sin niche mal jejen den Staat jewesn trotz alle Benachtailijungen. Nachhert durften mane Siechlinde und mane Gudrun manichmal mits mir röwwer nach Frankreich. Na, das mits unse Raisefraihait hat sich bis zu dir rumjesprochen, Fritzchen. War vellaicht son bisschen als Widderjutmachunk vom Staate jemant, ja? Un mir ham ja aach bießn missn for man Mann san Entschluss. Mane Siechlinde, die durfte nachert niche auf Owerschule, wo se doch unbedingt wollte Viehdoktorn wern. Der Schullaiter bei uns damals hat gesaacht, das kanner nich befierworten, trotzdem se de Beste war in ihre Klasse. Un sin welche auf Owerschule jekomm, den hats jar nischt jenitzt, weil se vors Awitur abjejangn sin. Awer denn hat sich for Siechlinde ihr Lehrer von der Mansfelder Mittelschule anjesetzt, dasse denn ans Lehrerbildunksinstitut jejang is un is denn Unterstufenlehrerin jeworn. Meine Tante lachte. For de Schwaine war se nich jut jenuch, aber for de Kinner bis zur vierden Klasse! Sare du mir den Verstand dardardrin. Manichmal hat mer sich niche zwischendurch finden kenn. Hat bloß immer an anzelne Person jehangn. Der ane hat sich niche jetraut, der andere hat sich niche jeschärt, was mits ihrm Vader war. Un aach niemand darnach, saacht se. So war das. Awer wem erzähle ich das? Du waßt ja nu am besten, was jink und wies jink, ja?

      Wieder nahm sie sich eine Zeit zum Nachdenken, ehe sie weitersprach.

      So off de Waite ham man Mann un iche uns jut verstandn, sagte sie dann. Bis de Mauer kam, ham mir ane Urlaubsehe jefiehrt. Worn herrliche Tare da in Berlin. Un nu hock iche in Siehleken allane offm Hoff vonem Vader un bin ne olle Frau jeworn. Ja, so is das, Fritze. Wieder lachte meine Tante. Es war etwas ganz Unheimliches drin, als ob sie sich selbst und das Leben auslachte, als sei sie im Alter zum Ergebnis gekommen, alles sei für die Katz, aber doch sei es ein Heidenspaß gewesen und die Anstrengung wert, dahinterzukommen, dass alles für umsonst ist.

      Noch ein letztes Mal nahm die Tante den Faden auf. Wenn iche dir das alles erzähle, Fritze, so musste wissen, dass ich jetz aach alles mits kritische Augen betrachtn tu. Die jroße Fraihait, die se uns jebracht ham, manst du, es jeht anderscht zu wie frieher? Irre dir niche, Fritze. Raißt du dan Maul auf, haste immer die Foljen zu traachn. So isses. Die vorher stille worn, die sins jetz aach. Un die sich vorhert was jetraut ham, traun sich aach jetz. So welche wie dan Vader. An so sturer Hund! Sie lachte wieder in krächzenden, hexischen Altweibertönen. Mitm Kopp durch de Wand. Dan Vader hat den aus Siehleken was anjebrockt! Dafor hawich ihn schon bewundert. For uns stand ja niche die Frare, LPJe oder niche. Man Vader jink ja sowieso in Rende un iche arbaitete im Krankenhaus.

      Wieso haste Krankenschwester gelernt, wo du doch jerne Bauer worst?

      Rotkreuz im Kriech. Daher. Nachhert wollten se mir niche lassen. Willste noch heern, wie ich zu mane Arwait kam?

      Das wollte ich und erfuhr:

      Meine Tante sitzt auf dem Hof mits ihren drei Mächens, nachdem der Ernährer im Knast sich bewähren tut. Sie hilft dem Vater, hilft der Mutter. Arbeit ist übergenug. Aber Geld nicht wie gesagt wegen der Währungsreform, wo zehn Mark auf eine umgetauscht wurden. Und mein Onkel Ernst hatte sich nicht wie andere Bauern an der Not anderer bereichert. Auch leidet meine Tante nicht, dass sie ihrem Vater immer auf der Tasche liegen soll. Doch umsonst bewirbt sie sich im Krankenhaus. Zornig wird sie. Man Mann is man Mann, denkt sie. Un iche bin iche. Und da wendet sie das äußerste Mittel in diesem Staat an: Sie fährt zu Ulbricht. So und so, sagt sie in Berlin. Sippenhaft, das wor emol. Iche will mane Arwait. Iche hawwe an Recht dardardrauf. – Das haben wir nicht zu entscheiden, sagen die Herren und Damen in den Vorzimmern. Das hawwe ich mir aach schon jedacht, sagt sie. Wort iche ehmt aufn Jenossen Ulbricht, zu demm wollt iche sowieso. Sie sagt Genosse, trotzdem sie nicht berechtigt dardarzu ist. Aber Herr Ulbricht

Скачать книгу