Intimsphäre. Inga Heliana

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Intimsphäre - Inga Heliana

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Augenweide. Unsere weißblond gefärbten Haare hatten wir jedoch sehr dekorativ unter einem schwarzen Kopftuch versteckt. Zu allem Überfluss trugen wir riesige, sehr dunkel getönte Sonnenbrillen. So schwankelten wir gemeinsam an zwei Abenden unsere Sündenmeile, die wendig frequentiert wurde, auf und ab. Die Autofahrer bekamen zwar Glupschaugen, aber nicht ein einziger hielt diesmal an. Manchmal wurde man zuvor auch von Fußgängern angesprochen, die sich ein Schäferstündchen wünschten. Mit denen ging man dann in ein Hotel. Natürlich fuhr man da mit einem Taxi in das Liebesnest. Doch obwohl auch viele alleinstehende Männer unterwegs waren (manche schlenderten suchend dahin), quatschte uns in dieser neuen „Tracht“ nicht ein einziger an! Geglotzt haben sie allerdings schon. Und wie. Nun war es aber so, dass wir beide grundsätzlich niemals Fußgänger anmachten.

      Wenn ich heute so zurückdenke, muss ich in Erinnerung an diese zwei Abende, wo wir zum allerersten Mal vergeblich auf die Pirsch gingen, herzlich lachen. Die Autofahrer müssen gedacht haben, da sind zwei Mafioso-Bräute unterwegs, oder vielleicht zwei trauernde Witwen. Oder vielleicht zwei knallharte Dominas, die auf bieder machten und in ihren großen, schwarzen Handtaschen ihr Werkzeug mit sich herumtrugen. Es war schon außergewöhnlich, dass tatsächlich nicht ein einziger Autofahrer angehalten hat, wo wir beide so ein sexy Outfit zur Schau trugen. Gehupt haben sie allerdings schon. So ließen wir es bei den zwei vergeblichen Versuchen bewenden und kleideten uns wieder normal sexy – in der Hoffnung, von niemand Bekanntem gesichtet zu werden. Das Glück war uns die all Jahre tatsächlich mehr als hold!

      Bekanntschaft mit der Sitte

      Mit 20 verließ ich das Elternhaus: mit Einwilligung meiner Eltern, vor allen Dingen meiner Mutter, die endlich eingesehen hatte, dass sie mich nicht mehr halten konnte. Allerdings war sie alles andere als erfreut darüber, dass ich Leine zog.

      Nachdem meine Eltern meinem Auszug zugestimmt hatten, fand ich schon bald über Freunde ein sehr hübsches, preisgünstiges Separatzimmer in einem Jugendstilhaus in Schwabing. Alle Nationen waren in diesem Haus vertreten. Es herrschte eine gute Kameradschaft. Ich wohnte in einer 5ZimmerWohnung mit vier jungen Damen zusammen. Jede hatte ein eigenes Zimmer. Wir waren ein gutes Team und verstanden uns auf Anhieb. Es gab ein gemeinsames Bad, eine kleine Küche und eine separate Toilette – und ich konnte alle Lokale in Schwabing zu Fuß erreichen. Ein vollkommen neues Lebensgefühl ergriff von mir Besitz. Ich war glücklich und fühlte mich frei wie ein Vogel.

      Eines Abends, Iris und ich marschierten einträchtig, ein wenig mit den Hüften wackelnd, im Gespräch vertieft, die Arcisstraße entlang. Da hielt plötzlich ein alter VW neben uns und zwei mittelalterliche Herren sprangen heraus. „Oh, die beiden Herren haben sicher Interesse an einem Vierer“, raune ich in meiner Naivität Iris leise zu. Sie strahlte begehrlich. Von wegen! Hat sich was mit Kuchen! Den flotten Dreier konnten wir uns abschminken. Zumindest mit diesen beiden vermeintlichen Freiern: Es waren ausgerechnet Herren von der Sitte! Sie wiesen sich mit strenger Miene aus, Iris und ich waren wie vor den Kopf geschlagen; unsere gerade noch so strahlenden Mienen machen sehr schnell betretenen Gesichtern Platz. Und da brauchen wir nicht einmal zu schauspielern, wo wir beide es darin schon fast zur Meisterschaft gebracht hatten! Die beiden bieder gekleideten Herren verlangen unseren Ausweis. Iris nestelt nervös in ihrer Handtasche. Sie hat Mühe, ihn in ihrem Kruscht zu finden. Allerdings hatte Iris das große Glück, ihren Ausweis dabei zu haben, denn ich hatte meinen ausgerechnet heute zu Hause vergessen – das passiert mir eigentlich nie. Erst recht nicht, wenn ich auf die Pirsch ging.

      Ich wurde puterrot: „Tut mir echt leid, ausgerechnet heute habe ich meinen Ausweis nicht dabei.“ Der Beamte sah Iris und mich mit eisiger Miene an. „Wir beobachten euch beide schon seit einiger Zeit und haben uns natürlich so unseren Reim gemacht.“

      „Aber ganz bestimmt haben Sie sich einen falschen gemacht. Wir sind nämlich zwei anständige junge Damen, die einen alten Bekannten, der Türsteher vom ‚Eve’ ist (einem ehemaligen Cabaret), gerne besuchen und einen kleinen Ratsch mit ihm halten. (Zum Glück kennen wir den Kerl wirklich.) Sie können den jungen Mann fragen. Er hat auch heute Dienst.“ Ich rollte, um das Gesagte noch zu unterstreichen, kräftig mit meinen Kulleraugen. Die Beamten mussten beide lachen. („Du hast wirklich lustig ausgesehen, wie du ganz entrüstet dagestanden bist mit deinen rollenden Augen“, erzählte mir Iris später.) Na Gottseidank! Wenn Menschen lachen, sind sie viel gelöster und alles sieht gleich viel farbenfroher aus.

      Der eine Beamte meinte: „Jetzt geben Sie mir Ihre Anschrift und ich frage schnell nach, ob Sie auch gemeldet sind. Wenn ja, dann geben Sie mir Ihre Telefonnummer, wo ich Sie tagsüber erreichen kann, und dann geben Sie mir die Nummer Ihres Ausweises durch. Reden Sie dann einfach so, als gäben Sie mir eine Telefonnummer. Ich werde mich bestimmt nicht zu erkennen geben und wir werden auch ein wenig reden, sodass das Gespräch einen privaten Charakter hat“, beruhigte er mich freundlich, als er meinen verschreckten Gesichtsausdruck sah. Nicht, dass er bei mir im Büro anruft und sich vielleicht noch mit „Sitte“ meldet. Da könnte ich gleich meine Papiere nehmen! Freundlich verabschiedeten sich dann die beiden. „Dies ist ein heißes Pflaster. Trabt hier nicht mehr so offensichtlich auf und ab. Ihr könntet beide zu leicht verwechselt werden“, schmunzelten die beiden Herren noch, bevor sie losdampften. Ich war mir ganz sicher, sie hatten uns beide längst durchschaut.

      An diesem Abend lief nichts mehr. Iris und ich rauschten auf dem schnellsten Wege zu unserem Türsteher Heino, dem wir aufgeregt wie zwei gackernde Hühner von dem gerade Erlebten berichteten. Und was tat die Knalltüte von Kerl? Er wollte sich nicht mehr einkriegen vor lauter Lachen. Also, so lustig fanden Iris und ich unsere Geschichte nun auch wieder nicht!

      Unser nächster Weg führte uns schnurstracks in unser Stammcafé, wo wir uns beide einen Kaffee und einen Doppelstöckigen bestellten. Jetzt mussten wir uns für die nächsten Wochen unbedingt eine neue Flanier-Meile suchen, denn es war damit zu rechnen, dass die beiden Sittenwächter in den nächsten Tagen erneut nach uns Ausschau hielten. Es wäre doch wirklich zu fatal, wenn wir ihnen bei nächster Gelegenheit wieder über den Weg liefen!

      Carlo und Undine

      Mein erstes erotisches Erlebnis mit einer Frau, die mich unglaublich faszinierte, hatte ich ausgerechnet beim Anschaffen auf der Straße. Es war ein schwülheißer Tag. Die Hitze lag wie eine Dunstglocke über der Stadt. Ich war luftig und leicht bekleidet, als ich abends den Kopf voll sündiger Gedanken die Straße in Richtung Park-Café entlang flanierte. Plötzlich hielt ein schnittiger weinroter Porsche neben mir. Die Tür wurde aufgerissen und ein kleiner drahtiger Kerl sprang behände heraus. Er eilte um das Auto herum, als ginge es um einen Preis und nicht darum, eine flotte Biene aufzureißen: nämlich mich. So stürmisch hatte sich bisher noch kein Bewerber um mich bemüht. Ich war etwas aus der Fassung. Die Erscheinung des Herrn verriet mondäne Eleganz. Also, ein armer Schlucker war der nicht. Wenn er einen Hut getragen hätte, hätte er ihn sicher vor mir gezogen. Da dem jedoch nicht so war, begnügt er sich mit einer knappen kurzen Verbeugung: „Mein Name ist Carlo und ich möchte Sie gern zu einem Kaffee einladen, wenn es gestattet ist.“

      Ich hatte Mühe, mir das Lachen zu verbeißen. „Es sei Ihnen gestattet“, hauchte ich, ganz Dame, mit einem kleinen herablassenden Lächeln. Der Typ riss voller Elan die Beifahrertür auf und half mir galant hinein in seinen schnittigen Sportwagen. Ich glaubte, zu träumen. Der Knacki entführte mich in ein nettes kleines Café, das ich noch nicht kannte. Meine Intuition sagte mir, dass Großes auf mich zukommen würde, und mein Gefühl gab mir recht. „Ich habe eine zauberhafte Freundin und ich möchte, dass Sie diese wunderbare Frau nach allen Raffinessen der Kunst verwöhnen“, sagte er. „Ich möchte dabei nur als Zuschauer agieren. Darf ich da mit Ihnen rechnen? Bitte!“ Mit seinen treuen Hundeaugen sah er mich bittend an. „Natürlich will ich Ihnen dafür ein großzügiges Geschenk machen.“

      Ich war taktvoll genug, mich nicht nach der Höhe des Geschenks zu erkundigen.

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