Intimsphäre. Inga Heliana

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Intimsphäre - Inga Heliana

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ich glaube, ich wäre vielleicht verrückt geworden. In meinen Gebeten habe ich immer wieder Trost gesucht und gefunden.

      Tja, so war mein Lebensweg vielleicht schon vorprogrammiert ... Ich weiß es nicht genau, wenn ich so voller Trauer Rückblick halte. Was war aus meinem Vorsatz geworden, mit 17 Jahren ins Kloster zu gehen und Nonne zu werden? Und wo war ich in Wirklichkeit gelandet? Ich gebe niemandem die Schuld dafür, dass alles ganz anders gekommen ist! Jeder Mensch ist für sein Leben und für das, was er daraus macht, selbst verantwortlich – auch dann, wenn es so aus den Fugen gerät, wie es bei mir der Fall war. Ich war alt genug, zu wissen, was ich tat, als ich anfing, meinen Körper für Geld zu verkaufen.

      Meinen Körper, aber nicht meine Seele.

      Ich habe immer versucht, den Schmutz der Straße nicht einzuatmen, trotzdem sauber zu bleiben. Ich wollte mir meine ureigene Persönlichkeit erhalten, ich wollte nicht, dass meine Seele Schaden erleidet. In meinem tiefsten Inneren habe ich versucht, rein zu bleiben, für den Mann, mit dem ich eines Tages glücklich werde, dem ich meine ganze Liebe schenke. Ich habe versucht, mir tiefe, wahre Gefühle zu erhalten, auch dann, wenn ich mich im Dreck suhlte, in dem Sumpf, in dem ich mich für Geld anbot.

      Als „Professionelle“ unterwegs ...

      Bevor Iris und ich uns ins nächtliche Getümmel stürzten, eruierten wir erst einmal an einem schönen Sonntag die Lage. Was wir als Erstes brauchten, waren geeignete Plätze, wo wir mit unseren Freiern ungestört unsere sexuellen Praktiken ausüben konnten. In den 70er -Jahren gab es zum Glück noch nicht so viele Autos wie heute. So war es kein Problem, ein paar für uns infrage kommende Plätzchen ausfindig zu machen. Einige waren romantisch mit Bäumen versetzt und lagen zudem in unmittelbarer Nähe des Karolinenplatzes, der nicht weit vom Hauptbahnhof entfernt lag. Also sehr zentral.

      Bei dieser Gelegenheit will ich den verehrten Lesern den Karolinenplatz vorstellen, denn ich gehe davon aus, dass nicht nur Einheimische aus München sich meinen Lebensbericht zu Gemüte führen. Unser Karolinenplatz bietet sich nicht nur geradezu fantastisch an, um auf Kundenfang zu gehen, sondern er ist auch ein kleines Juwel. Stellen Sie sich also einen großen runden Platz vor. In der Mitte ein kleines Rondell mit einem Rasen und wunderschönen, farbenprächtigen Blumen, in dessen Zentrum sich ein schlanker Obelisk in den Himmel reckt. Um das Rondell führt eine breite Straße, dann folgt ein breiter Gehsteig mit einigen Sträuchern. Die Bebauung ist aufgelockert, ehemalige Palais oder herrschaftliche Villen mit größeren, sehr gepflegten Vorgärten.

      Iris und ich sind der Ansicht, dass uns die Sträucher gegebenenfalls Schutz gewähren können, sollten plötzlich aus dem Nichts heraus Kolleginnen von uns auftauchen. Der Platz liegt äußerst zentral, nicht weit vom Stachus entfernt, dem Mittelpunkt der Stadt, und bietet genug Abstand zur Nymphenburger Straße, wo die registrierten Huren ihr Unwesen trieben. Direkt vom Karolinenplatz aus führt eine nicht sehr breite Straße hin zum Stachus. Und genau hier, gleich zu Beginn der Straße, hatte sich das sehr exklusive Nacht-Cabaret „Eve“ etabliert. In einem ehemaligen Palais wurden die noblen und honorigen Gäste bereits an der Tür von zwei livrierten Türstehern in Empfang genommen. Hierher verirrten sich auch viele reiche Geschäftsleute, die sich ein Amüsement versprachen. Enttäuscht wurden sie in diesem Cabaret bestimmt nicht. Wenn sie im Anschluss noch Appetit auf ein kleines Dessert hatten, konnten Iris und ich so manches Mal Abhilfe leisten.

      Der allererste Abend, an dem Iris und ich auf Männerfang gingen, war ein Tag gleich nach dem Monatsersten. Wir dachten, dass da die Männer etwas freigiebiger waren. Außerdem mussten wir uns doch auch erst einmal einstimmen in dieses fatale Gewerbe. In der Nähe des Karolinenplatzes fanden wir ein sehr gemütliches, kleines Abendcafé: leicht schummerige Beleuchtung mit vielen kleinen Tischchen und auch Nischen mit gepolsterten Eckbänken. An den Wänden Jugendstillampen und herrliche, altertümliche Bilder. Hier gab es auch bis 23.00 Uhr warme Küche. Das Café machte auf den ersten Blick einen sehr einladenden Eindruck auf uns, was sich im Laufe der Jahre als richtig herausstellte . Wir waren hier immer gern gesehen und fühlten uns wohl. Hier konnten Iris und ich uns auch Nachrichten hinterlassen.

      Zu zweit tranken wir eine Flasche Sekt, um uns auf unser großes Abenteuer einzustimmen. Leicht beschwingt zogen wir dann mit zitternden Knien los. Was würde uns da erwarten auf freier Wildbahn? Schließlich waren wir beide keine Profis. Und niemand zur Stelle, der uns schützte. Zu diesem Zeitpunkt hatte mein Bruderherz noch keine Ahnung. Wahrscheinlich hätte er uns unser Vorhaben sofort wieder ausgeredet!

      Iris und ich hatten vereinbart, dass wir uns nach etwa einer bis eineinhalb Stunden wieder in unserem kleinen Café treffen, um uns auszutauschen und eventuell zu überlegen, ob wir noch einen „letzten Fisch“ an Land ziehen wollten. Wer zuerst da war, sollte auf jeden Fall warten, auch dann, wenn es etwas länger dauern konnte. Gegen 21.00 Uhr hatten wir uns beide getrennt, denn wir wollten nicht auf der gleichen Straße traben. Sollte die andere bis Mitternacht nicht auftauchen, wäre zu überlegen, ob man die Polizei verständigte. Selbst dann, wenn eine von uns beiden sich in der Wohnung eines Freiers verquatschen sollte, gab es doch die Möglichkeit, die Freundin anzurufen und Bescheid zu geben. Das hatten Iris und ich als Vorsichtsmaßnahme fest vereinbart. Erst hatten wir in Erwägung gezogen, dass eine auf die andere wartet und zugleich das Autokennzeichen notiert. Aber das haben wir dann doch wieder nach reiflicher Überlegung verworfen. Wir wollten nicht gleich am ersten Abend das Unheil heraufbeschwören, indem wir uns beide zu intensiv damit befassten.

      Ich hatte mir eine kleine Seitenstraße in der Nähe des Karolinenplatzes für meinen Erstlingsversuch ausgesucht. Ich muss gestehen, mich hatte auf einmal so etwas wie Jagdfieber gepackt. So in etwa, wie ein Hund aufgeregt seine Beute wittert. Ich war auf einmal ein weiblicher Jäger, der auf Beutefang ging. So ein Gefühl hatte ich. Dabei musste ich nicht länger als fünf Minuten auf mein erstes „Opfer“ warten. Und mein erstes Erlebnis mit einem Freier wurde zu einem Erlebnis der besonderen Art. Hielt da so ein mittelalterlicher, gut aussehender Herr mit seinem Auto neben mir. Ich trug einen weit schwingenden bunten Rock, hohe Sandalen und ein knappes Mieder. Stöckelte langsam und gedankenverloren vor mich hin, hatte Eisenplättchen unter der Stöckeln, die so schön bei jedem Schritt klapperten. Nicht zu überhören. Zu übersehen war ich in meiner aufreizenden Verkleidung allerdings auch nicht.

      Jetzt wurde es mir doch mit einem Mal ganz schwummerig. Ich glaubte, ich habe Lampenfieber. Wo war auf einmal mein ganzes Selbstbewusstsein geblieben? Gerade war ich doch noch so voller Elan und so selbstsicher. Gerade war wohl tausend Jahre her! Meine Beine schienen plötzlich aus Gummi zu sein. In was für ein Abenteuer ließ ich mich da nur ein? Schon wurde ich schwankend, wollte weitergehen, mein verrücktes Vorhaben wenigstens für heute aufgeben, da hörte ich eine sonore Stimme: „Guten Abend, schöne junge Frau. Haben Sie nicht Lust, mir den Abend ein wenig zu versüßen?“

      Die Stimme gefiel mir, sprach mich an. Auch seine Worte. Duzte mich wenigstens nicht gleich. Also gab ich mir einen Ruck, überwand meine Schwellenangst, riss die Beifahrertür auf und schwang mich in das geräumige Auto. Dachte mir noch: Die Karre eignet sich ganz gut für ein Hupferl. „Einen schönen guten Abend“, gab ich dann wohlerzogen zur Antwort und strahlte meinen neuen Beifahrer an. „Fahren Sie doch bitte ein Stückchen weiter, wo wir uns in Ruhe ein wenig unterhalten können. In stiller Zweisamkeit“, schnurrte ich wie ein Kätzchen und bedachte den graumelierten, seriösen Herrn mit einem liebevollen Seitenblick. Der Mann lächelte und fuhr in die nächste Seitenstraße, wo er sogar einen Platz zum Einparken fand. Ich atmete tief durch. Das Schlimmste hatte ich schon einmal hinter mir: nämlich das Anbandeln. Den ersten Kontakt aufnehmen.

      Abwartend blickt mich der Herr an. „Und jetzt?“, fragte er nur.

      „Ich möchte Sie für einen Moment den Alltag vergessen lassen, indem ich Sie fantastisch im Auto verwöhne. Es sei denn, Sie befinden sich in der glücklichen Lage, eine sturmfreie Bude zu haben, wo ich es vielleicht schaffe, Ihnen die Sterne vom Himmel zu holen?“,

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