Fünfunddreißigtausend Jahre vor unserer Zeit oder wie der Mensch den Wolf zähmte.. Karl Reiche

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Fünfunddreißigtausend Jahre vor unserer Zeit oder wie der Mensch den Wolf zähmte. - Karl Reiche страница 5

Автор:
Серия:
Издательство:
Fünfunddreißigtausend Jahre vor unserer Zeit oder wie der Mensch den Wolf zähmte. - Karl Reiche

Скачать книгу

aber noch nicht genau formulieren konnte. Ihm brannte die Frage geradezu auf der Zunge, ob diese Jäger nicht versucht hatten, einen solchen Jagderfolg in Zusammenarbeit mit den Wölfen zu wiederholen.

      Doch er war nur ein Junge, galt noch nicht als erwachsener Mann und durfte in dieser Versammlung zwar zuhören, aber nicht sprechen. Also unterdrückte er seine Frage, begann aber, sich für die Wölfe zu interessieren und sie, so oft er dazu Gelegenheit hatte, zu beobachten. Die Idee, mit Wölfen gemeinsam auf die Jagd zu gehen, begann langsam in seinem Kopf Gestalt anzunehmen.

      Er überlegte, wie er sich mit diesen Wölfen anfreunden könnte. Aber wie sollte er überhaupt Kontakt zu ihnen bekommen? Sie waren scheu und ließen ihn nie sehr nahe an sich heran. Er beobachtete zwar manchmal, wie sie im Rudel Wild müde hetzten und es dann töteten, kam aber nie nahe genug heran, um sich an der Jagd beteiligen zu können. Immer wenn er sich näherte, verschwanden die Wölfe. Ich muss irgendwie ihr Vertrauen erringen, dachte er sich, aber wie?

      Er fand keine Lösung, auch nicht im Laufe der Zeit, während er älter wurde. Also stellte er seine Überlegungen in dieser Richtung erst einmal zurück.

      Er vergaß sie aber nie. Image

      Im vergangenen Winter hatte ein anderer weit gereister Besucher in der Höhle ihrer Sippe, in der Nähe des großen Binnenmeeres, überwintert und ihnen an den langen Abenden unglaubliche Geschichten erzählt. Er war weit oben im Norden gewesen und hatte von vereisten Gebirgen, tiefen dunklen Nadelwäldern und weiten grasbewachsenen Tundren berichtet. Das Interessanteste aber waren seine Erzählungen von den dort lebenden Tieren gewesen. Er hatte vom riesigen Mammut und Wollnashorn, von Wisenten und Riesenhirschen und von gefährlichen Raubtieren, wie dem Höhlenlöwen und dem Höhlenbären, berichtet. Angeblich hatte er dort oben im Norden auch den Rand des großen Eises gesehen, das sich mehrere Hundert Meter hoch aus der Tundra erhob.

      Mit diesen Geschichten hatte er die Neugier und die Abenteuerlust der jungen Männer geweckt und Kaar hatte seine Freunde nicht lange überreden müssen. Auch sie wollten eine Reise in den Norden unternehmen und fieberten bereits dem großen Abenteuer entgegen.

      Als sie ihren Entschluss den Sippenältesten mitgeteilt hatten, gab es in der Gruppe einige Aufregung, vor allem bei Bors Mutter, die sich aber bald wieder legte.

      Die jungen Männer galten mit 14 bis 19 Jahren als Erwachsene und viele von ihnen hatten gar keine Eltern mehr. Nur die Mutter von Bor machte sich Sorgen um ihn und musste erst beruhigt werden.

      Ihre Gemeinschaft war aber in den letzten Jahren immer stärker gewachsen und in der Höhle war es ziemlich eng geworden. Es war allen klar gewesen, dass bald einige von ihnen fort wandern und sich eine andere Bleibe würden suchen müssen. Schon immer waren in der Vergangenheit Teile ihrer Sippe fortgezogen, um sich in weit entfernten Gegenden niederzulassen. So weit, wie Kaar und seine Freunde wollten, war aber bisher noch niemand fortgegangen. Deshalb beteiligten sich auch alle an der Planung und Vorbereitung für diese Reise. Ihr Oberhaupt Aar und der weit gereiste Besucher setzten sich mit ihnen zusammen, als der Winter langsam zu Ende ging.

      „Welchen Weg würdest du uns empfehlen?“, fragte Kaar den Mann.

      „Am besten geht ihr von hier aus immer an der Küste entlang nach Norden und folgt ihr, solange sie nach Westen oder Norden führt. Erst wenn sie nach Süden abbiegt, müsst ihr die Küste verlassen und direkt nach Norden marschieren. Ihr werdet erst durch ein dichtes Waldgebiet kommen und müsst dann ein karges Gebirge überqueren. Danach kommt ihr in eine Ebene, durch die ein großer breiter Fluss fließt.“ Image

      Kaar wollte sich schon bedanken, aber der Besucher sprach weiter: „Ihr müsst seinem Lauf aufwärts folgen, bis ihr zu einer Gruppe von Menschen unserer Art kommt. Die haben Boote, mit denen sie euch hinübersetzen können.“

      „So weit im Norden leben Menschen von unserer Art?“, fragte Aar erstaunt.

      „Ja, aber auch viele von den Alten. Mit den Menschen unserer Art werdet ihr euch leicht verständigen können. Sie sprechen manche Worte zwar etwas anders aus als wir, aber ihr werdet sie leicht verstehen können. Mit den Alten könnt ihr euch nur mit Zeichen verständigen. Was immer die für eine Sprache sprechen, falls sie überhaupt sprechen können, wir können diese nicht verstehen.“

      „Ja, ich weiß“, meinte Aar nachdenklich. „Ab und zu sieht man auch einige von ihnen hier in der Gegend. Wir gehen uns gegenseitig aus dem Weg.“

      Kaar wollte noch mehr wissen:

      „Warum nennen wir diese Menschen die Alten?“

      „Nun, wenn du sie von Weitem siehst, dann wirken sie wie ganz alte Menschen, die nur noch in der Höhle sitzen und nie nach draußen gehen. Sie haben eine sehr helle Haut und waren schon vor uns hier. Sie lebten hier und wahrscheinlich auch im Norden, lange bevor die Ersten von uns hier ankamen.“

      „Hier haben wir eigentlich keine Probleme mit ihnen. Wie ist es dort im Norden? Sind sie uns dort feindlich gesonnen? Müssen wir damit rechnen, dass sie uns angreifen werden, wenn wir durch ihr Gebiet ziehen?“

      „Nein, im Großen und Ganzen ist es so wie hier. Sie gehen uns aus dem Weg und wir ihnen auch. Es ist ja Platz genug für alle da und wir respektieren ihre Jagdgebiete. Nur ärgern sollte man sie nicht. Sie sind gute Jäger und sehr kräftig. Ich habe auf meiner Reise sogar einmal in einem Lager von ihnen übernachtet. Sie sind sehr gastfreundlich. Nur schade, dass man mit ihnen nicht reden kann.“

      Kaar nickte. Sie wollten im Norden das große Eis sehen und sich umsehen, ob sie dort vielleicht für immer leben konnten. Ärger mit den Alten wollten sie keinen haben.

      Die ganze Sippe beteiligte sich an der Zusammenstellung der Ausrüstung, die die jungen Leute mitnehmen sollten.

      Nahrungsmittel, weitere Kleidung und Werkzeuge wurden in Kiepen verstaut, die sie auf dem Rücken tragen konnten. Dazu natürlich die Jagdwaffen.

      Die Wichtigsten waren lange, schlanke Speere, die in einen Wurfstab eingelegt und mit dem geschleudert werden konnten. Dieser Stab wurde mit einem Riemen an Daumen und ImageZeigefinger befestigt, während die anderen Finger der Hand den Speer hielten, und diente als Verlängerung des Wurfarms. Auf diese Weise bekamen die Speere eine größere Geschwindigkeit beim Abwurf und flogen sehr viel weiter, als nur mit der Hand geschleuderte Speere.

      Lange Lanzen mit schlanker rasiermesserscharfer Spitze und Feuersteinmesser in einer Lederscheide gehörten ebenfalls zur Jagdausrüstung.

      Wie Petr und Ian hätte auch Kaar gern eine junge Frau als Gefährtin mit auf diese Reise genommen, aber er war Mädchen oder jungen Frauen gegenüber schüchtern. Schon mehrmals hatte er sich von einem Mädchen angezogen gefühlt, aber wegen seiner Schüchternheit nie näheren Kontakt zu ihr gefunden. Trotzdem sehnte er sich danach, eine Gefährtin zu finden, die mit ihm zusammenlebte, die er lieben und die ihn lieben würde.

      Sobald es wärmer geworden, und noch ehe der Schnee ganz geschmolzen war, vollführte der Schamane der Sippe noch eine Segnungszeremonie für sie. Er ließ sie sich um ein kleines Feuer setzen und warf einige Kräuter und Harze ins Feuer, die angenehm dufteten. Sie mussten ihre Köpfe in den Rauch halten, während er um sie herum tanzte und mit lauter Stimme einen Gesang intonierte. Diese Zeremonie sollte sie einerseits vor Beginn der Reise reinigen, ihnen aber andererseits auch Glück

Скачать книгу