Fünfunddreißigtausend Jahre vor unserer Zeit oder wie der Mensch den Wolf zähmte.. Karl Reiche

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Fünfunddreißigtausend Jahre vor unserer Zeit oder wie der Mensch den Wolf zähmte. - Karl Reiche

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und dann hörten sie in der Ferne das typische Grollen eines herannahenden Gewitters.

      So schnell wie möglich suchten sie einen Felsüberhang auf, der ihnen etwas Schutz bot, und bauten aus den mitgeführten Fellen ein Zelt auf. Gerade noch rechtzeitig wurden sie fertig und krochen hinein. Gewitter kannten und fürchteten sie bereits aus ihrer Heimat. Was sie aber jetzt hier im Gebirge erlebten, hatte mit den Unwettern, die sie kannten, keinerlei Ähnlichkeit und übertraf ihre schlimmsten Befürchtungen. Fast pausenlos blitzte und donnerte es über ihnen. Immer wieder fuhr ein Blitz mit anschließendem ohrenbetäubendem Krachen in ihrer Nähe in den Boden. Zu allem Überfluss kam auch noch ein Sturm auf und plötzlich regnete es faustgroße Hagelkörner, denen ein wolkenbruchartiger Regen folgte. Eine besonders heftige Bö riss das Zelt über ihnen fort und sie waren dem Unwetter jetzt schutzlos ausgeliefert. Ängstlich, durchnässt, frierend und hungrig kauerten sie sich ganz nah an der Felswand zusammen. Das Gewitter hing über ihnen in den Bergen fest und dauerte fast die ganze Nacht. Erst in den frühen Morgenstunden zog es nach Süden ab und sie hörten, wie sich das Donnern immer weiter von ihnen entfernte.

      Vorwurfsvoll sah Ian Kaar an. „Du hast uns in eine große Gefahr geführt. Wir sind alle halb erfroren und zu essen haben wir auch nichts mehr.“

      Sofort widersprach ihm En. „Was kann Kaar denn für dieses Gewitter?“

      Ian wollte En schon erwidern und Kaar weitere Vorwürfe machen, als er an den Mienen der Anderen bemerkte, dass sie seine Vorwürfe für ungerechtfertigt hielten. Nur Petr, mit dem ihn, weil sie fast gleich alt waren, eine besondere Freundschaft verband, hielt zu ihm, aber auch er schüttelte etwas den Kopf. Ian verstummte und Kaar hatte das letzte Wort:

      „Lasst und so schnell wie möglich aufbrechen und zusehen, dass wir aus diesen Bergen herauskommen.“

      Sie brachen auf, fanden ihr Zelt völlig durchnässt und zerfetzt an einem Felsen hängen, und nahmen es mit, um es später zu reparieren. Nachdem sie den Scheitelpunkt des Gebirges überschritten hatten, ging es wieder bergab. In einem der dortigen Täler gelang es ihnen, eine Gämse zu erlegen, und damit hatten sie fürs Erste wieder ausreichend Nahrung. Sie folgten wieder einem Wasserlauf, der in etwa in nördliche Richtung führte, und standen auf einmal am Ufer eines breiten und schnell nach Nordosten fließenden Flusses.

      „Der große Strom kann das nicht sein“, meinte Mona. Sie schaute nach dem Stand der Sonne. „Wir haben jetzt etwa die Mitte des Tages. Die Sonne steht also jetzt genau im Süden.“

      Sie deutete in die entsprechenden Richtungen. „Dann ist dort Westen und in der entgegengesetzten Richtung Osten. Vater hat uns doch gesagt, dass der große Strom, wenn wir ihn erreichen, nach Osten oder nach Süden verläuft. Aber dieser Fluss fließt nach Nordosten.“

      „Vielleicht ist das einer der Nebenarme des großen Stromes und dein Vater hat nur vergessen, uns von ihm zu berichten“, antwortete ihr En mit einem liebevollen Blick.

      „Ich glaube das auch“, schaltete Kaar sich jetzt ein. „Als dein Vater hier war, war es Sommer und dieser Fluss war deshalb nicht so breit. Jetzt im Frühjahr ist er durch das Schmelzwasser von den Gletschern angeschwollen. Er hat ihn sicherlich nicht für so wichtig gehalten.“

      „Es ist egal, wie kommen wir hinüber?“, fragte Sig.

      „Wir werden schwimmen müssen“, antwortete ihm En.

      Ungläubig schaltete Ian sich ein: „Mit den Kiepen auf dem Rücken? Das wird nicht gehen!“

      „Wir bauen uns ein Korbboot, wie wir es bei Monas Leuten gesehen haben, und legen die Kiepen hinein. Dann halten wir uns am Rand dieses Bootes fest und schwimmen hinüber“, schlug Kaar vor. „Alles, was wir zur Herstellung eines solchen Bootes brauchen, haben wir oder es wächst hier an den Ufern.“

      Ihre Höhle hatte zwar im Binnenland gelegen, aber sie waren ab und zu auch einige Male von dort aus zur Küste gewandert. Dort hatten sie Menschen ihrer Art getroffen, die, wie auch die Leute aus Monas Sippe, an der Küste mit solchen Booten in Ufernähe aufs Meer hinaus paddelten, um zu fischen. Das Prinzip der Bauweise kannten sie und hatten deshalb unter den nützlichen Dingen in ihren Kiepen auch einen kleinen Vorrat an Birkenpech. Das war schwer herzustellen und deshalb hatte Aar ihnen geraten, für alle Fälle einen Vorrat davon mitzunehmen. Weiden wuchsen am Ufer dieses Flusses genug und die Männer machten sich daran, so viele und so dünne Weidenzweige wie möglich mit ihren Steinäxten zu schneiden. Aus diesen flochten die Frauen einen überdimensional großen und breiten runden Korb. Image

      Der fertige Korb wurde mit einer aus mehreren großen Fellen zusammengenähten Plane überzogen, die um den Rand des Korbes gelegt und befestigt wurde. Die Nähte bestrichen sie mit heiß gemachtem Birkenpech, und als es abkühlte und hart wurde, hatten sie ein wasserdichtes rundes Boot.

      Nachdem das Boot fertig war, verstauten sie ihre Kiepen darin, zogen ihre Kleidung aus, verstauten sie ebenfalls in ihrem schwimmenden Korb und schoben den in den Fluss. Sie konnten alle mehr oder weniger gut schwimmen. Die drei Frauen sowie Bor, Sig und Raf waren ihre schwächsten Schwimmer. Deshalb sollten sie sich am Rand des Korbes festhalten und ihr Gefährt mit den Füßen vorantreiben, während Kaar, Ian, Petr und En das Boot vom gegenüberliegenden Ende an Lederleinen ziehen wollten.

      Es war ein heißer Frühlingstag, aber das Wasser war dennoch eiskalt. Sobald sie das Boot in den Fluss geschoben hatten, wurde es von der Strömung erfasst und riss sie mit sich. Am schnellen Vorbeigleiten der Ufer konnten sie die Stärke der Strömung erkennen. Sie war enorm stark und zerrte an ihnen. Nur langsam und ganz allmählich näherten sie sich der gegenüberliegenden Seite.

      Auf einmal hörten sie einen lauten Schrei von Mona und dann sahen die vier Schwimmer vorn, wie sie, von der Strömung erfasst, schnell davon getrieben wurde. Sie hatte wohl vor Kälte den Rand des Bootes losgelassen. En brüllte vor Schreck auf, ließ seine Lederleine los und folgte ihr mit schnellen Schwimmzügen. Er war ein sehr guter Schwimmer und erreichte sie gerade noch, als sie unterzugehen begann. Er schaffte es, ihr Haar zu ergreifen und ihren Kopf wieder über Wasser zu ziehen. Mona schnappte nach Luft. Sie war in Panik geraten und klammerte sich jetzt verzweifelt an ihn. So drohten beide unterzugehen.

      Doch Kaar war En gefolgt und packte einen von Monas Armen. Er löste ihre Umklammerung von En und schrie sie an: „Halt dich mit je einer Hand an Ens und meinem Haar fest. Wir helfen dir an Land.“ Durch Ens Nähe beruhigte Mona sich wieder etwas, griff dann Kaar und En in die langen Haare, wickelte sie in einer dicken Strähne um ihre Hände und hielt sich so über Wasser.

      „Es geht wieder“, rief sie ihnen zu. „Meine Hände waren vor Kälte ganz starr und ich habe einen Moment nicht aufgepasst und bin abgerutscht.“ Sie hatte ihre Panik überwunden und brachte sogar wieder ein etwas verkrampftes Lächeln zustande.

      Während Kaar und En zügig in Richtung des gegenüberliegenden Ufers schwammen, hielt sie sich an deren Haaren fest und unterstützte sie durch Schwimmbewegungen mit den Beinen. Kaar verzog dabei ständig das Gesicht. Der Griff in seinem Haar war außerordentlich fest und tat weh.

      Als sie endlich das andere Ufer erreichten und an Land gingen, konnten sie gerade noch das Boot in einer Biegung flussabwärts verschwinden sehen. Doch es hatte weit mehr als die Hälfte der Flussbreite überquert und näherte sich ebenfalls der gegenüberliegenden Seite. Alle anderen fünf Schwimmer hielten sich noch am Bootsrand fest und Ian und Petr zogen ebenfalls noch an den Lederseilen am anderen Ende.

      En nahm Mona in die Arme und küsste sie erleichtert, während Kaar mit einer komischen Grimasse seinen Hinterkopf massierte. „Was

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