Johann Hinrich Wichern - Herold der Barmherzigkeit. Jürgen Ruszkowski

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Johann Hinrich Wichern - Herold der Barmherzigkeit - Jürgen Ruszkowski gelbe Reihe bei Jürgen Ruszkowski

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solchen Sonntagschule gestartet, die nach englischer Weise „methodistisch“ auf die Kinder einwirkte, d. h. weniger Schule am Alltag war, mehr hingegen andächtiges Hören und fröhliches Singen. Leider brach dieser Versuch einer englischen Sonntagsschule 1830 plötzlich ab.

      Dr. Hans Luckey weist darauf hin, dass der Einfluss der Gedanken und Praktiken der britischen und nordamerikanischen Freikirchen auf Rautenberg und Wichern, aber auch auf andere Hamburger ‚erweckte’ einflussreiche Persönlichkeiten nicht zu unterschätzen ist. Rautenberg und später auch Wichern ließen sich durch diese angelsächsischen Vorbilder immer wieder zur Nachahmung ermuntern. Luckey: „Neben der puritanischen Bewegung von Ost nach West müssen wir auch einen Trend in umgekehrter Richtung von West nach Ost sehen. Wir meinen, die Erweckungen, die von Amerika über England, Schottland und Wales auf den europäischen Kontinent übergriffen und bis nach Südrussland unter Mennoniten und Stundisten wirkten.“

      Unter allen Hamburger Pastoren hatte sich Rautenberg als erster angesichts der erschreckenden Verwilderung unter dem großstädtischen Proletariat zu einer wirklich sozialen Tat aufgerafft.

      Im Januar 1825 wurde sie mit 30 Jungen und 30 Mädchen feierlich eröffnet. Nach vier Jahren waren es 123 Knaben und 157 Mädchen, die in kleinen Klassen von 10 Gehilfen und 12 Gehilfinnen unter Leitung eines Oberlehrers sonntäglich von ein bis drei Uhr unterrichtet wurden. Als Ziel setzte sich die Sonntagsschule, „an den Kindern das zu tun, was die Väter und Mütter derselben versäumt haben. Sie sollen aus ihr mitbringen fertiges Lesen, die fünf Hauptstücke des Kleinen Katechismus und manch schöne Bibelsprüche und Liedverse im Gedächtnis, auch wohl schon im Herzen“. Hier liegen die Anfänge unseres heutigen Kindergottesdienstes. Eine große Zahl der Kinder und Jugendlichen konnten jedoch weder lesen noch schreiben, mussten also erst Deutschunterricht empfangen, wenn sie die Bibel und die Sonntagslektion mit Gewinn zur Kenntnis nehmen sollten. Die Schule am Sonntag reichte dazu nicht aus. Man versuchte, die jungen Menschen auch am Wochentag zu fördern, stieß aber dann auf den Widerstand der Eltern, die an ihren Kindern Verdienst oder Hilfe haben mussten oder wollten. Dass aber bedeutete, dass an die Helfer und Helferinnen der Schule am Sonntag und am Wochentag auch geistig und pädagogisch weit höhere Anforderungen gestellt wurden als in einer schönen Stunde, wo man den Kindern nur vom ‚lieben Heiland’ erzählte. Der erste Oberlehrer der St. Georger Sonntagsschule war denn auch Lehrer von Beruf.

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      Wicherns Theologiestudium

      Dank seines Fleißes und dank großzügiger Mentoren aus „erweckten“ gut gestellten Hamburger Familien, an vorderster Stelle Senator Martin Hieronymus Hudtwalcker und Professor Hartmann, die vom jungen Wichern viel für eine Neubelebung der Hamburger Kirche erwarten – und einer jährliche Rente durch Amalie Sieveking,

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      kann er sich die Voraussetzungen und ein Stipendium für das Theologiestudium zunächst für drei Semester in Göttingen und später in Berlin sichern, wo er mit allen Strömungen der damaligen Theologie in Berührung kommt.

      Er schreibt in sein Tagebuch: Wenn man das Studium beginnt, stehen Gemüt und Verstand noch neben- und oft gegeneinander, und beide fordern ihr Recht. Je mehr sie zur Kraft kommen, umso gewaltiger wird das Ringen von beiden, und erst wenn sie versöhnt sind und zwischen ihnen kein Misston ist, steht der Theologe mit freiem Atem da.

      Schon oft habe ich während meiner Studien die Erfahrung gemacht, dass nur das mutig erfasste Leben des Geistes vor vernichtenden Zweifeln zu schützen imstande ist, und wie der auf Erlebung begründete und durch Gebet befestigte Glaube mächtiger ist, als dass eine Waffe der Wissenschaft ihn niederreißen könnte.

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      In Göttingen beeinflusst ihn besonders Professor Lücke, für den ihm bereits in Hamburg von Neander ein Empfehlungsschreiben mitgegeben worden war.

      Nach dem Tode des Lehrers Professor Lücke Schreibt er: Ich habe ihm als meinem Lehrer viel zu danken, namentlich zweierlei: das gewissenhafte Forschen in der Schrift, das Wirken und Halten aufs Wort, nicht im Allgemeinen, sondern besonders wie es geschrieben steht, und dann die innere Freiheit im Urteil über verschiedene voneinander abweichende theologische, dem Glauben ergebene Richtungen.

      Das Alte Testament war mir lange ein verschlossenes Buch; es fehlte mir die Freiheit des Geistes, es unbefangen zu lesen. Befangen und engbrüstig hatte mich das Lesen mancher Bücher gemacht, die gewiss nicht allein historischen Wert haben, jedoch einem, der mit Unterwerfung und dem tiefen Bewusstsein seines Nichtwissens in religiösen Dingen und ohne eine klare Erkenntnis in Sachen des Christentums herantritt, die erste Stufe in einem Keller der Angst werden können, deren Wesen nicht das Christentum ausmacht. Man gewinnt aus diesen Büchern Ansichten, durch welche man die Schrift passieren lässt, denen man die Schrift unterwirft, statt es umgekehrt zu machen. Man scheide Historisches, Dogmatisches und Prophetisches – und lerne, dass das Alte Testament ein Buch des Ahnens und der Sehnsucht ist, in welchem durch Nacht die Sonne hindurchzubrechen strebt.

      Die Bibel als Quelle. – Christliche Liebe im Dienst an der Welt.

      Wichern schreibt: Aber gerade dieses Bewusstsein, dass es Aufgabe des Lebens ist, die Gebote der Schrift mit dem ganzen inneren Leben vermittels aller sich darbietenden Hilfe in Einklang zu bringen, tritt mir auf diesem neuen Lebensabschnitt in Hinsicht der Art, wie die Aufgabe zu lösen, mit neuer Kraft vor die Seele. Das wissenschaftliche Leben soll in steter Wechselwirkung mit dem sittlichen stehen, und für den Suchenden erweitern sich die Anforderungen beider täglich.

      Auch hier habe ich schon oft den Widerspruch gegen den Satz, dass das Leben in einer höheren Ordnung der Dinge nicht durch Berechnung des Verstandes als vielmehr durch inneres Erfahren und Wahrnehmen des gläubigen Herzens erkannt werde, erfahren. Dergleichen. kann aber den inneren Gehalt des Glaubens nur immer noch mehr bewähren und führt nur noch tiefer in die Seele die Überzeugung hinein, dass ein Verstehen des Christentums nicht möglich ist, ohne das Leben in demselben, und dass dieses jenem vorangeht, so dass beide, Leben und Erkennen, in Wechselwirkung treten, sich gegenseitig bedingen und begründen und immer tiefer die Wurzel des neuen Lebens schlagen, welches geheim und verborgen im Ursprung zu einem schattigen Baum wird, unter dem der Christ willig alles zum Opfer bringt, was dem Heiligen widerstrebt.'

      Aus einem Brief an die Mutter: Denn wer auf Erden Gott vertraut, der ist so weit nicht vom Himmel, als manche wohl denken; dann ist die Erde kein Jammertal, „das Reich Gottes ist mitten in Euch“ spricht der Herr der Geister und das Irdische ist himmlisch geworden, wenn unser Wandel schon hier ein Wandel im Himmel ist. Freude, Freude und immer wieder Freude ist für den in dieser Welt, der die Freude annimmt mit Glauben, die die Liebeshand des Vaters uns darbietet, und wo Freude ist, da ist auch Friede, und dieser Friede ist aus Gott, und wer von Gott geboren ist, hat alle diese himmlischen Güter in der Liebe. Denn die Liebe ist das Band, das alle umfasst und inwendig im Gemüte an Gott bindet und an die Brüder.

      Denn wo der Glaube ist, da wird aus ihm die Liebe geboren, wie der Strahl aus der Sonne, wie die Wärme aus dem Feuer.

      Denn Wer in der Tat sich anderen entzieht, hat noch immer nicht erkannt, was die große, heilige Bedeutung des. Christenglaubens sei.

      Gegen die damalige idealistische Ethik: Andererseits sucht man das Wesen der Religion in dem, was durch sie erst geheiligt werden soll, der Sittlichkeit, verkennend, dass die Tat doch ein zur Tat Treibendes erfordert. Hier fehlt das Element der Religion, ohne welches schöne und beglückende Taten nicht geübt werden können.

      Leben ist diese stille, heimliche

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