Final - Tanz. Jürgen Ruhr

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auch noch in den Knochen saß.

      „Nein, noch nicht. Ich will erst mit Bernd sprechen. Außerdem liegt die Entscheidung bei Frau Krynow, sie ist die Ehefrau.“ Ich zog Birgit ein wenig zur Seite. „Irgendetwas stimmt hier nicht“, flüsterte ich ihr zu. „Aber darüber reden wir später. Ich frage mich nur, wo wir bis morgen Mittag zwei Millionen Dollar herbekommen sollen. Kommst du mit den beiden Frauen alleine klar?“

      Inzwischen waren die Zuschauer alle verschwunden, lediglich Jeka, Madame Routon, Birgit und ich befanden sich noch in dem Tanzsaal. Als Birgit nickte, verließ ich das Haus.

      III.

      „Jonathan, schön von dir zu hören“, meldete sich Bernd schon nach dem zweiten Klingeln. „Obwohl ich davon ausgehe, dass etwas passiert ist. Sonst würdest du mich ja vermutlich nicht anrufen ...“

      „Ja, leider“, antwortete ich. „Sergio wurde entführt.“

      „Wie konnte das denn geschehen? Ich dachte, ihr passt auf ihn auf. Jetzt erzähl mal der Reihe nach, Jonathan.“

      „Wir hatten keine Chance. Vor einer halben Stunde sind vier maskierte und bewaffnete Männer in das Tanzstudio eingedrungen, in der unser Balletttänzer gerade seine Vorstellung gab. Einer hielt das Publikum in Schach, einer schnappte sich Sergio und zwei hielten Birgit und mir ihre Pistolen an den Kopf. Allerdings auf eine Entfernung, so dass wir nicht an sie herankamen. Dann mussten wir uns auf den Boden legen und die Typen verschwanden mit Sergio. Zuvor hatten sie seiner Frau noch einen Zettel mit der Lösegeldforderung in die Hand gedrückt.“

      „Das klingt ziemlich merkwürdig“, bemerkte Bernd und ich spürte, wie er überlegte. „Wie hoch ist denn diese Lösegeldforderung?“

      „Zwei Millionen Dollar. Und die sollen bis morgen Mittag bereitstehen. Bei den Männern tippe ich auf Russen und die Pistolen waren alle vier Makarows.“

      „Und zwei der Männer kamen gezielt auf Birgit und dich zu?“

      Ich nickte heftig: „Ja, genau. Ich hatte den Eindruck, als wären sie vor uns gewarnt worden. Mich würde nicht wundern, wenn diese Jekaterina Krynow da irgendwie ihre Finger mit im Spiel hat. Heute Nachmittag fragte sie uns gezielt nach unseren Waffen und ich dachte, es wäre nur so ein allgemeines Interesse. Doch jetzt kommt mir das im Nachhinein komisch vor.“

      „Dann denken wir so ziemlich das Gleiche. Trotzdem dürfen wir die Frau nicht grundlos verdächtigen. Ich nehme aber an, dass sie das Geld nicht wird auftreiben können?“

      „Vermutlich nicht. Ich frage mich, ob wir die Polizei einschalten sollen, allerdings haben die Gangster in ihrem Schreiben extra betont, dass sie Sergio umlegen, sobald wir die Polizei informieren.“

      „Hmm“, Bernd klang nachdenklich. „Man müsste vorsichtig vorgehen. Das könnte Birgit übernehmen. Aber die Entscheidung solltet ihr Sergios Frau überlassen. Ich werde versuchen, die zwei Millionen aufzutreiben, dann haben wir wenigstens eine Verhandlungsgrundlage. Legt Frau Krynow nahe, die Gendarmerie zu informieren. Die haben für solche Fälle geschulte Leute und können entsprechend vorgehen. Aber seid vorsichtig, falls Sergios Frau in der Entführungssache wirklich mit drinsteckt. Und wenn ihr länger in Paris bleibt, dann besorgt euch ein paar Waffen. Ich habe hier eine Adresse, dort stellt man nicht viele Fragen ...“ Bernd nannte mir die Anschrift, die ich einmal wiederholte und mir dann merkte.

      „Gut“, meinte er schließlich, „ich kümmere mich jetzt ums Geld. Mal sehen, ob der Oberstaatsanwalt Eberson eine Möglichkeit findet. Ihr geht auf jeden Fall äußerst vorsichtig vor und sobald es Neuigkeiten gibt, will ich wieder von euch hören. Grüß Birgit von mir!“ Bernd beendete das Gespräch, bevor ich noch etwas sagen konnte.

      „Schönen Gruß von Bernd“, meinte ich zu Birgit, die jetzt alleine auf einem der Stühle saß. Madame Routon und Sergios Frau standen an der ‚Bar‘ und bedienten sich des Sekts.

      „Was sagt er denn? Ich wette, er ist sauer auf uns.“

      „Nein, sauer ist er nicht“, beruhigte ich meine Kollegin. „Wir hatten doch keine Chance. Selbst, wenn wir bewaffnet gewesen wären, hätte ich mir ungern hier eine Schießerei mit vier Russen geliefert. Wir besprechen die Sache nachher in meinem Zimmer. Nur so viel: Bernd will über Eberson versuchen, das Lösegeld aufzutreiben. Und die Entscheidung, die Polizei zu verständigen, sollen wir Jeka Krynow überlassen. Bernd würde es aber für sinnvoll erachten und wir sollten versuchen, Jeka dahingehend zu überreden.“

      „Okay, dann rede ich mal mit ihr“, bot sich Birgit an. „Quasi von Frau zu Frau. Seit dem Vorfall eben ist sie nämlich wieder nicht gut auf dich zu sprechen. Sie gibt dir die Schuld an der Entführung.“

      Zehn Minuten später setzte sich Birgit wieder zu mir. Sie brauchte nichts zu sagen, denn ich hatte ihr Gespräch mit Sergios Frau beobachtet. Trotzdem erklärte meine Kollegin: „Nein. Sie will einfach keine Polizei. Die Männer würden ihren Sergio töten, du hättest schon genug Mist gebaut und so weiter und so weiter. Ich habe mit Engelszungen auf sie eingeredet, doch Frau Krynow weigert sich. Dann habe ich ihr erklärt, dass wir versuchen werden, das Geld zu beschaffen und erst danach beruhigte sie sich wieder ein wenig.“

      „Tja, dann können wir ja jetzt nicht mehr viel ausrichten“, bemerkte ich und erhob mich. „Sehen wir zu, dass wir zum Schiff zurückkommen. Dort sprechen wir die Sache in Ruhe durch und überlegen, wie wir weiter vorgehen. Frag doch Jeka bitte, ob sie mit uns zurückfährt, oder noch hierbleiben will.“

      Birgit und ich fuhren alleine mit dem Taxi zum Hotelboot zurück. Jeka wollte noch bei Madame Routon bleiben und so wie ich das mitbekam, trösten sich beide reichlich mit dem Sekt. „Fünfzig Euro, Birgit“, erinnerte ich meine Kollegin an die Wette und hielt die Hand auf.

      Doch das Mädchen schüttelte den Kopf: „Nein, du musst zahlen, nicht ich.“

      Ich war baff: „Wieso? Es waren exakt neun Zuschauer dort. Also noch nicht einmal Gleichstand. Und wir haben vorher nicht festgelegt, dass es sich um zahlende Zuschauer handeln müsse.“

      „Dreizehn waren dort. Dreizehn Zuschauer.“

      „Dreizehn?“ Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, was sie meinte. „Wie kommst du auf dreizehn? Jeka, Madame Routon, du und ich? Das zählt nicht, wir vier waren beruflich dort. Sergio wird ja auch nicht mitgezählt!“

      Birgit lachte: „Nein, das ist schon richtig. Aber du vergisst die vier Männer, die in die Vorstellung kamen. Sie müssen zugeschaut haben, wie Sergio gegen den Spiegel sprang und hinfiel. Und damit sind sie definitiv ‚Zuschauer‘.“

      „Das ist doch hirnrissig“, gab ich böse zurück. „Das waren Gangster, die den Auftritt vermasselt haben und keine Zuschauer. Zuschauer sind ruhige Menschen, die auf ihren Klappstühlen hocken und zuschauen. Nicht Männer mit Sturmhauben über dem Kopf und Pistolen in den Händen, die den Künstler entführen.“

      „Aber zugeschaut haben sie zunächst“, murrte Birgit. „Wenn auch nur ganz kurz. Weißt du was, Jonathan? Wir überlassen die Entscheidung Christine oder Jennifer.“

      „Oder beiden“, knurrte ich und hatte das dumme Gefühl, von meiner Kollegin übers Ohr gehauen zu werden.

      Als wir die kleine Lobby des Hotelbootes betraten, winkte uns die Dame hinter dem Empfangstresen zu. „Haben sie es schon gehört?“, fragte sie uns auf Deutsch mit einem reizenden Akzent.

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