Final - Tanz. Jürgen Ruhr
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Ich wusste, wie ich die Zeit bis zum Meeting nutzen konnte. „Jennifer“, sprach ich die blonde Maus hinter dem Tresen an. „Wie wär’s mit einer Rundfahrt in meinem neuen Wagen und einem Essen bei Curry-Erwin? Wir haben doch gleich Mittagspause.“
Jennifer schüttelte den Kopf: „Sorry, Jonathan. Aber ich kann hier nicht weg. Und eine Vertretung habe ich auch nicht.“
„Birgit könnte dich doch vertreten“, schlug ich vor. So einfach würde sie mich nicht abwimmeln können.
„Birgit ist nicht da. Die ist mit Christine unterwegs. Außerdem habe ich dir doch schon des Öfteren gesagt, dass du mich nicht in Curry-Erwins Schmuddelbude hineinbekommst. Aber selbst, wenn du mich in dein Steakhaus ‚Chez Duedo‘ einladen würdest: Ich kann nicht. Tut mir leid.“
Wenn weder Christine noch Birgit zur Verfügung standen, musste ich also alleine zu meinem Freund. Und ich wusste ja, dass keine von beiden sich von mir zu Curry-Erwin einladen lassen würde. Was blieb mir somit übrig, als alleine zu meinem Freund zu gehen?
Ich parkte meinen neuen Wagen genau vor der kleinen Frittenbude in Rheydt im Halteverbot. Da ich nicht lange hier stehenbleiben wollte, dürfte es kaum Probleme geben. So schnell arbeiteten die Politessen in Mönchengladbach ja doch nicht. Schon gar nicht zur Mittagszeit. Da saßen die selbst in einem Imbiss, einem Restaurant oder einem Café und ließen den lieben Gott einen lieben Gott sein.
„Jonathan Lärpers“, begrüßte mich Curry-Erwin. „Mein Lieblingsdetektiv, Lieblingspersonenschützer und Lieblingsbodyguard. Schön dich wieder einmal in meinem bescheidenen Lokal zu sehen“
„Einen schönen guten Tag, Erwin. Aber Personenschützer und Bodyguard ist ein und dasselbe. Dafür gibt’s einen Punkt Abzug.“
Erwin füllte gerade Mayonnaise aus einem großen Eimer in einen silbernen Soßenspender um. Er wischte sich die Hände an der Schürze ab und ich erkannte an den roten Flecken darauf, dass er zuvor Ketchup nachgefüllt hatte. In Kürze würden die Mittagsgäste den Laden füllen und Erwin sorgte dafür, dass sich in den Gefäßen genügend frische Soßen befanden.
Lächelnd trat er um die Theke herum, nahm mich in den Arm und drückte mich fest an sich, so wie er es immer tat. Dann wieselte er wieder an seinen Arbeitsplatz zurück und schaufelte weiter Mayonnaise in den Behälter.
„Ich habe mir einen neuen Wagen gekauft“, berichtete ich nicht ohne Stolz. Erwin, der gerade mit beiden Händen in dem Eimer nach dem Löffel suchte, der ihm entglitten war, blickte mich staunend an.
„Einen neuen Wagen? War dein alter nicht mehr gut genug?“
„Der Motor war kaputt und dann ist er auch noch abgebrannt“, erzählte ich ihm mein Abenteuer. „Erst ging er aus und ich schaffte es gerade noch, den Wagen auf den Gehweg zu lenken. Das war vielleicht knapp! Der ganze Motor stank furchtbar nach Benzin und ein Kabel löste sich, als ich daran zog. Ein merkwürdiges Kabel mit einer silbernen Metallkappe. Da ich nicht wusste, wo es hingehörte, habe ich es auf den Motor gelegt. Und als ich den Wagen dann anlassen wollte, fing er plötzlich an zu brennen.“
Erwin hatte den Löffel inzwischen gefunden. Er betrachtete seine Hände und Unterarme, die voller Mayonnaise waren. Dann wischte er, so gut es ging, die Mayo von Hand und Arm zurück in den Eimer. „Das war bestimmt das Zündkabel“, meinte er sachkundig. „War da am Kabelende so ein länglicher Stecker, der nach vorne hin breiter wurde?“
„Ja, das kann sein, jetzt da du es sagst ...“
Erwin nickte und wischte mit der Hand einen großen Mayoklecks von der Anrichte. „Das war der Zündstecker, der gehört auf die Zündkerze. Und wenn alles nach Benzin stank, war vielleicht die Pumpe defekt. Die Benzinpumpe. Und du hast das Kabel einfach so auf den Motor gelegt und dann versucht den Wagen anzulassen?“
„Genau, irgendetwas musste ich ja tun.“ Erwin wurde mir langsam unheimlich. Was der für ein Wissen besaß!
„Dann hast du vermutlich durch den Stromstoß im Zündstecker deinen Wagen angezündet“, resümierte er und sah mich ernst an. „Was kann ich dir zu essen machen, Jonathan? Du bist doch nicht nur zum Quatschen hier.“
Da sich noch keine Gäste in seinem Lokal befanden, war die Gelegenheit günstig und ich bot ihm an: „Willst du mal meinen neuen Wagen sehen? Ich habe ihn extra vor der Tür geparkt.“
„Der gelbe da draußen?“ Erwin wischte sich die Finger erneut an der Schürze ab, doch die war mittlerweile dermaßen voll von der weißen Pampe, dass er alles nur noch verrieb. Er kam erneut um die Theke herum. „Jonathan Lärpers, natürlich möchte ich deinen neuen Wagen sehen. Wie kannst du nur fragen?“ Erwin öffnete die Tür und Spuren von Mayo blieben an dem Griff zurück. Ich folgte ihm schnell und beobachtete, wie mein Freund mit Kennerblick um das Fahrzeug herumging. „Ist das ein Kia Venga? Schön. Wirklich schön. Auch die Farbe. Ich liebe kräftige Farben und dieses Gelb, das ist so ... so ...“ Er suchte das richtige Wort und ich war gespannt, wie mein fachkundiger Freund die Farbe bezeichnen würde. „So postalisch“, stieß er schließlich triumphierend aus. „Du weißt aber wohl, dass du hier im Halteverbot stehst?“
„Klar“, winkte ich grinsend ab. Aber um diese Zeit machen die Ordnungshüter alle Mittagspause. Wir haben nichts zu befürchten.“
„Kann ich mich mal reinsetzen?“
„Selbstverständlich mein Freund. Ich entriegelte die Fahrertür und hielt sie ihm auf. Erwin ließ sich seufzend hinter das Steuer fallen.
„Es ist lange her, dass ich in solch einem Wagen gesessen habe“, grinste er dann und umfasste das Lenkrad mit beiden Händen. Gelbliche Mayonnaise verteilte sich darauf, doch die ließ sich später mit einem Lappen leicht wieder abwischen. „Schade, dass wir keine Probefahrt machen können“, gab Erwin traurig von sich. „Aber gleich kommen die Gäste und ich kann mein Geschäft ja nicht alleine lassen.“
„Vielleicht ein andermal, Erwin. Ich habe ja selbst nicht so viel Zeit, ich muss gleich wieder ins Büro zurück.“ Geheimnisvoll fügte ich hinzu: „Ein neuer Auftrag.“
„Und essen musst du ja auch noch etwas“, merkte mein Freund richtig an und quälte sich mühsam zurück auf die Straße. Seine Schürze blieb an der Innenseite der Tür hängen und ein lustiges Muster aus Mayonnaise verteilte sich darauf. Aber auch das ließ sich abwischen. Erwins fachliche Meinung war mir - ehrlich gesagt - wichtiger.
„Weißt du, Jonathan. So ein Wagen“, er tätschelte den Kotflügel und auch hier blieben Mayoflecken zurück, „hat noch etwas archaisches. Schlicht und einfach, wenn du weißt, was ich meine. Nicht so hochgezüchtet und voller Technik wie mein R 190.“
„Du fährst einen Renault?“, staunte ich.
Erwin lachte: „Nein, nein. Mercedes AMG Roadster R 190. Aber du glaubst nicht, was da an verwirrender Technik drinsteckt. Da kannste nicht mal selbst mehr die Lampen wechseln ...“
Ich wusste gar nicht, dass Erwin solch einen Wagen fuhr, doch mir blieb jetzt keine Zeit, darüber nachzudenken. Mein Freund schob mich zurück in den Imbiss.