Final - Tanz. Jürgen Ruhr
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Der Korpulente sah mich nur blöde an, dann wandte er sich Birgit zu und ließ die Hand auf sie herabsausen. Doch da, wo das Mädchen eben noch gestanden hatte, war niemand mehr. Die Hand sauste ins Leere und der Dicke fluchte. Einer der Jungen trat von der Seite auf Birgit zu und wollte sie festhalten. „Warte, ich halte sie für dich fest“, konnte er gerade eben noch nuscheln, dann zog Birgit ihm in einer eleganten Drehung die Beine weg. Sie trat geschickt von vorne zu, so dass der Mann mit dem Gesicht auf dem Boden aufschlug. Das Brechen der Nase war deutlich zu hören und Blut schoss aus Nase und Mund.
Anstatt, dass dem Dicken das Schicksal seines Kumpels eine Lehre gewesen wäre, ging der jetzt schnaufend auf Birgit los. Im selben Moment zückte ein weiterer Jugendlicher ein Messer und ich musste grinsen. Das gab mir eindeutig das Recht, jetzt einzugreifen!
Während Birgit sich unter dem Arm des Glatzköpfigen wegdrehte, seine Hand ergriff und sie aus dem Schwung heraus so verdrehte, dass das Handgelenk brach, stoppte ich den Angreifer mit dem Messer durch einen gezielten Ellbogenstoß ins Gesicht. Dann fixierte ich seinen Arm mit der Waffe und entwand sie seinen Fingern. Dass dabei zwei davon knackend brachen, störte mich weniger, als die Schmerzensschreie, die die Verletzten ausstießen. Als Birgit schließlich auf die drei verbleibenden Gestalten zuging und ‚buh‘ machte, rannten die planlos davon.
„Wie siehst du denn aus?“, fragte die Bunthaarige und zeigte auf mein Jackett, als wir uns im Zug auf einen Platz setzten. Ich blickte an mir herunter und bemerkte, dass ein langer Riss durch den Stoff ging. Der Anzug war einfach zu alt und das Gewebe morsch. Ich zuckte mit den Schultern. Ändern konnte ich jetzt ja ohnehin nichts mehr.
„Vielleicht sollten wir doch nicht zu der Aufführung gehen“, versuchte ich einen Rückzieher zu machen, aber Birgit schüttelte nur den Kopf.
„Das geht nicht. Wir wollen doch Sergio Palyska kennenlernen. Zieh später einfach die Jacke aus und trag sie über der Schulter. Dann fällt keinem auf, dass sie einen Riss hat.“
Das Theater fanden wir neben einer Geschäftszeile in der Düsseldorfer Innenstadt. Es machte auf mich den Eindruck, als handele es sich um ein ehemaliges Kino und Birgit bestätigte meine Vermutung. „Das Kino wurde Neunzehnhundertachtundfünfzig eröffnet und erst im Jahr Zweitausend geschlossen. Noch im gleichen Jahr funktionierte man es dann in eine Kleinkunstbühne um.“
Ich sah meine Kollegin fragend an, während wir das Foyer betraten. „Kleinkunstbühne?“
„Ja, Comedy und so etwas. Kennst du nichts davon?“
„Interessiert mich einfach nicht. Kleinkunst. Ich gebe mich doch nicht mit Kleinkram ab. Wieso tut sich das eigentlich dieser Sergio Palyska an, wenn er doch schon an der Deutschen Oper getanzt hat?“
Birgit überlegte: „Das kannst du ihn ja nach der Vorstellung selber fragen. Vielleicht war es sein großer Traum mit einem eigenen Programm auf Tournee zu gehen. Ein Traum, den er sich jetzt erfüllt, da sein Vertrag ausgelaufen ist.“
Ich bestellte etwas zu trinken für uns und sah mich um. In dem Raum befanden sich mehrere Gruppen von Menschen, die sich leise miteinander unterhielten. Niemand von denen trug ein Abendkleid oder einen Anzug. Vorwiegend sah ich Jeans, legere Hemden und luftige Kleider oder Röcke. „Ich komme mir overdressed vor“, raunte ich Birgit zu. „Kein Mensch läuft im Anzug herum.“
„Das habe ich doch gesagt, Jonathan. Die Zeiten ändern sich. Es geht nicht mehr so förmlich zu, wie zu der Zeit, als du deine Tanzschule absolviert hast.“ Birgit nahm einen Schluck Cola.
„Ich war nie in der Tanzschule“, gab ich zu. „Damals waren für uns Jungs andere Dinge wichtiger. Mopeds zum Beispiel.“
„Oder Mädchen“, ergänzte Birgit und lächelte schelmisch.
„Das kam erst viel später.“ Ich erinnerte mich an meine Abenteuer im Schwimmbad. „Na ja, nicht wirklich viel später.“
Plötzlich wurde ich angerempelt und reflexartig wollte ich in Kampfstellung gehen, als eine tiefe Männerstimme hinter mir ertönte: „Oh, sorry Mann. War keine Absicht.“
Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht eines Negers. Der Mann lächelte mich an und mir fielen sofort die weißen Zähne in dem dunklen Gesicht auf. Er trug ein knallbuntes Hemd mit Blumenmuster und blickte an mir herunter: „Oh man, what ... Das ist cool, Junge.“ Er zeigte auf den Riss in meiner Jacke. Das wird garantiert der Trend des Sommers. Einfach cool, supercool! Warte Mann, nicht weglaufen.“ Er ging langsam rückwärts und beobachtete mich dabei, dann drehte er sich um und lief zu einer Gruppe, die weiter hinten in der Ecke standen. Birgit und ich sahen uns fragend an.
Zwei Minuten später wurden wir von den Leuten umringt. „Na, People, ist das nicht megacool? Habe ich zu viel versprochen?“ - „Hammer.“ - „Uppercool.“ - „Super“, hörte ich die Leute murmeln. Eine Frau kramte in ihrer Handtasche herum und zauberte eine kleine Nagelschere hervor. Der Schwarze jubelte und klatschte in die Hände. „Außerordentlich!“, rief er.
Dann schnitt er sein Hemd ein, bis ein Riss, ähnlich dem in meiner Jacke, entstand. Die Leute jubelten. Einer nach dem anderen tat es ihm nach und alsbald stand mir eine Gruppe von Männern gegenüber, deren Hemden so kaputt waren, wie mein Jackett. Ich hörte Birgit hinter mir leise lachen.
„Cool, wir müssen ein Foto machen, einverstanden?“ Der Neger sah mich fragend an und ich nickte. Die Männer in ihren zerrissenen Hemden stellten sich um mich herum und der Dunkelhäutige legte einen Arm um meine Schultern. Die Frau mit der Nagelschere schoss mehrere Bilder mit ihrem Handy.
In diesem Moment ertönte ein Gong, der den Beginn der Aufführung ankündigte. Die Leute stoben auseinander und plötzlich standen Birgit und ich wieder alleine da. „Die Düsseldorfer Yuppies“, lachte sie und die Tränen liefen ihr über die Wangen. „Die Schickeria. Und du gehörst ganz offensichtlich dazu! Jonathan Lärpers, du bist aber auch sooo cool, sooo supercool.“
Als wir unsere Plätze in dem Saal aufsuchten, lachte sie immer noch.
Verwundert sah ich mich um. Auf den Sitzen saßen gut verteilt vielleicht dreißig Leute. Die Typen in der Gruppe mit dem Schwarzen fotografierten sich jetzt gegenseitig und standen dazu immer wieder von ihren Plätzen auf. Ein zweiter Gong ertönte, doch keine weiteren Zuschauer strömten in den Saal. Dann wurde es langsam dunkler, bis nur noch eine Minimalbeleuchtung herrschte. Plötzlich wurde die Bühne durch einen einzelnen Scheinwerfer in grelles Licht getaucht.
Eine Frau trat in den Scheinwerferkegel und Applaus brandete auf. Ich schätzte sie auf vielleicht einen Meter fünfundsechzig. Vom Aussehen her tippte ich darauf, dass es sich um die Ehefrau von Sergio Palyska handeln musste, was mir Birgit auch direkt flüsternd bestätigte: „Jeka Krynow, die Ehefrau. Sie managt die Tournee.“
„Herzlich Willkommen, meine Damen und Herren“, begann sie ihre Ansprache, die über eine Lautsprecheranlage übertragen wurde. „Ich freue mich, sie zu unserer Auftaktveranstaltung ‚Tanz des Flamingos‘ so zahlreich begrüßen zu dürfen. Ich kann ihnen versprechen, dass sie einer außergewöhnlichen Darbietung beiwohnen werden. Der große Künstler Sergio Palyska hat für dieses besondere Ereignis auf die Verlängerung seines Vertrages an der Deutschen Oper am Rhein verzichtet, um sich einen Jugendtraum erfüllen zu können.“
„Ich dachte, die haben seinen Vertrag nicht verlängert?“, raunte ich Birgit zu. Ich konnte mich genau daran erinnern, dass Bernd solche Worte gebraucht hatte.
„Stimmt“,