Sie war meine Königin. Janina Hoffmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sie war meine Königin - Janina Hoffmann страница 12

Автор:
Серия:
Издательство:
Sie war meine Königin - Janina Hoffmann

Скачать книгу

Eltern pflegten für die Haushälterin oder die Babysitterin, die Melissa und mich manchmal abends betreute, immer eine Telefonnummer zu hinterlassen, wenn sie gemeinsam unterwegs waren. Frau Hubertus wählte die Nummer des Restaurants, das meine Eltern an diesem Abend besuchen wollten, und ließ meinen Vater ans Telefon kommen. Sie fasste für ihn die Situation zusammen. Dann legte sie auf. „Deine Eltern kommen sofort nach Hause“, teilte sie mir mit.

      Als ich einen Wagen in der Auffahrt zur Garage hörte, zog sich mein Magen unangenehm zusammen. Das Donnerwetter, das nun folgen würde, mochte ich mir gar nicht ausmalen. Kurz darauf betraten mein Vater und meine Mutter den Flur. Meine Mutter trug ein grünes kurzes Kleid, das ihre schlanke Figur sehr gut zur Geltung brachte, und mein Vater eine helle Stoffhose, dazu ein Jackett in derselben Farbe über einem hellblauen Oberhemd. „Was ist mit Melissa?“, fragte er mich ruhig, während meine Mutter den Eindruck machte, als werde sie gleich in Ohnmacht fallen, und sich kraftlos auf einen Stuhl im Flur fallen ließ.

      „Ich weiß es nicht“, gab ich zu. „Sie wollte nicht mit mir fahren.“ Ich verschwieg, dass es schon Stunden zurücklag, dass sie mir das mitgeteilt hatte. „Ich konnte sie nicht überreden mitzukommen und dachte, sie würde gleich mit ihren Freundinnen fahren. Ich habe auf dem Rückweg noch kurz angehalten und mich mit Guido, dem Sohn der Friseurin, unterhalten.“

      „Und bei ihren Freundinnen ist sie nicht?“

      „Nein, Herr Hart“, antwortete nun Frau Hubertus. „Dort habe ich schon angerufen.“

      „Sagen Sie mir genau, wen Sie angerufen haben“, verlangte mein Vater und ließ es sich von Frau Hubertus in dem Heft, in dem diverse Telefonnummern notiert waren, zeigen.

      „Ich werde noch einige weitere anrufen“, entschied mein Vater. Dann sah er zu meiner Mutter. „Marianne, vielleicht ist es das Beste, wenn du dich etwas hinlegst.“

      Meine Mutter nickte. Sie wollte sich vom Stuhl erheben, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst. Mein Vater beachtete sie nicht weiter, während sie auf Frau Hubertus gestützt den Flur verließ.

      Mein Vater führte noch einige Telefonate, durch die er den Aufenthaltsort meiner Schwester ebenfalls nicht in Erfahrung brachte. Mit jedem Gespräch wurde mir mulmiger zumute. Dann wandte er sich an mich. „Wie spät war es, als du Melissa zum letzten Mal gesehen hast?“

      „Kurz bevor ich nach Hause gefahren bin“, log ich aus Angst, damit bestraft zu werden, nicht mehr allein mit dem Fahrrad unterwegs sein zu dürfen.

      „Also etwa um halb sechs?“, wollte mein Vater wissen.

      Ich nickte.

      Er nickte verstehend. Die Nummer, die er dann wählte, war die der Polizei.

      Die nächsten Stunden waren die schlimmsten meines Lebens. Frau Hubertus wurde gebeten, am Telefon zu wachen, während sich mein Vater erneut mit seinem Wagen auf den Weg machte, um die Gegend nach Melissa abzusuchen. Meine Mutter hatte auf Drängen meines Vaters ein Beruhigungsmittel genommen und war zu Bett gegangen.

      Voller Unruhe saß ich in meinem Zimmer, ohne etwas Gescheites mit mir anfangen zu können. Wie gern würde ich für Melissa jetzt den verliebten Aristokraten spielen, wenn sie nur wohlbehalten zurückkäme. Schließlich hielt ich es nicht mehr aus, ging hinaus in den Flur und öffnete leise die Tür von Melissas Zimmer, das auf ihren Wunsch hin vorrangig in Rosa und Weiß gehalten war. Wie oft hatte ich sie wegen der Farbwahl geneckt und es ein Babyzimmer genannt. Was würde ich dafür geben, wenn meine Schwester jetzt zur Tür hereinkäme und mich wütend beschimpfte, weil ich sie am See allein zurückgelassen hatte. Ich setzte mich auf den rosafarbenen Stuhl, der meiner Schwester als Thron diente, wenn sie die Prinzessin spielte, um deren Gunst ich als Aristokrat warb. Lange saß ich ganz still. Das Einzige, was ich wahrnahm, war das leise Ticken der rosafarbenen Kinderuhr an der Wand und das ängstliche Klopfen meines Herzens.

      Ich saß noch auf dem kleinen rosa Stuhl in Melissas Zimmer, als ich Schritte die Treppe nach oben kommen hörte. Inzwischen war es draußen stockdunkel, doch hatte ich kein Licht eingeschaltet. Ich erhob mich und ging hinaus in den Flur, wo ich meinem Vater begegnete. An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich sofort, dass seine Suche nach Melissa erfolglos geblieben war. Ich musste einen sehr verstörten Eindruck gemacht haben, denn mein Vater kam schweigend auf mich zu und drückte mich an sich, was er normalerweise nie tat. „Die Polizei wird Melissa schon finden“, sagte er schließlich leise. „Geh jetzt schlafen. Wir sollten alle versuchen, uns etwas auszuruhen.“

      Die Stimmung während des üppigen Frühstücks am nächsten Morgen, das wir im Esszimmer statt in der Küche zu uns nahmen und im Gegensatz zu sonst nicht von meiner Mutter, sondern auf Wunsch meines Vaters von Frau Bäumler, unserer zweiten Haushälterin, zubereitet worden war, die dafür extra zu uns gekommen war, denn normalerweise arbeitete sonntags weder sie noch Frau Hubertus, war genauso gedrückt wie am Vorabend, die quälende Ungewissheit fast unerträglich. Noch immer gab es kein Lebenszeichen von meiner Schwester, keinen Hinweis, wo sie sich aufhielt. Das hatte die Polizei meinem Vater auf seine telefonische Nachfrage hin mitgeteilt, bevor er sich zu mir setzte. Meine Mutter war nur kurz aufgestanden, um sich einen Tee zuzubereiten, und hatte sich anschließend wieder ins Schlafzimmer zurückgezogen. So saß ich mit meinem Vater allein am reichlich gedeckten Esstisch. Frau Bäumler hatte es wirklich gut mit uns gemeint und anscheinend alles aufgetischt, was sie im Kühlschrank vorgefunden hatte. Mein Vater hatte die Sonntagsausgabe einer Zeitung neben sein Gedeck gelegt, doch las er nicht darin. Stattdessen starrte er grübelnd ins Leere und rührte gedankenversunken in seinem Kaffee. Er reagierte nicht einmal, als ich ihn fragte, ob ich nach dem Frühstück draußen ein wenig mit meinem Fahrrad umherfahren dürfe. Ich hatte nämlich den Entschluss gefasst, meine Schwester zu suchen und auch zu finden, wenn es die Polizei schon nicht konnte. Als ich von meinem Vater keine Antwort erhielt, stand ich einfach auf. Bevor ich das Haus verließ, sagte ich Frau Bäumler Bescheid, damit sich niemand um mich sorgte. Dann machte ich mich auf den Weg. Dabei wusste ich selbst nicht genau, wo ich eigentlich suchen sollte. Schließlich schlug ich den Weg zum See ein, wo sich an diesem Sonntagmorgen niemand aufhielt. Das Wetter war auch deutlich kühler als am Vortag, und es hatte sich bewölkt. Ich fror ein wenig in meinem T-Shirt. Sicher fror Melissa jetzt auch, wenn sie ganz allein hier draußen war. Vielleicht war sie vom Fahrrad gestürzt, hatte sich verletzt und lag nun irgendwo hilflos am Boden. Die bloße Vorstellung war fürchterlich. Ich musste meine Schwester finden und sicher nach Hause bringen. Ich stellte mein Fahrrad ab und ging am See entlang, sah zwischen den Bäumen und Büschen nach, rief den Namen meiner Schwester, doch da war niemand, kein Hinweis auf Melissa.

      Nachdem ich alles gründlich abgesucht hatte, fuhr ich zurück in den Ort und dort ziellos durch die Straßen. Ich begegnete nur wenigen Passanten, einige waren vermutlich auf dem Weg zum Bäcker. Als ich mich dem Haus, in dem Angelina und Guido wohnten, näherte, sah ich, dass Angelina in einem gelben T-Shirt auf ihrem Balkon stand und Blumen goss. Sie erkannte mich und hob ihre Hand lächelnd zum Gruß. Ich winkte zurück. Wie gern hätte ich angehalten und ihr erzählt, dass meine Schwester verschwunden war. Dann kam mir der Gedanke, es einfach zu tun. Ich stieg von meinem Fahrrad und klingelte an der maroden Haustür. Schon einen kurzen Moment später wurde der Summer betätigt.

      Im Treppenhaus roch es nicht besser als am Vortag, wie ich feststellte, als ich mein Rad in den Aufzug schob.

      „Hallo Constantin. Das ist aber schön, dass du mich besuchst“, begrüßte mich Angelina lächelnd in der Wohnungstür stehend.

      Mir fiel auf, dass sie „mich“ statt „uns“ gesagt hatte. War Guido denn nicht da? „Guten Morgen“, grüßte ich zurück. „Ist Guido da?“ Ich hielt es für das Beste, so zu tun, als wäre ich vorrangig wegen ihres Sohnes hier.

      „Leider nein. Er wurde gerade von seine Papa

Скачать книгу