Sie war meine Königin. Janina Hoffmann

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Sie war meine Königin - Janina Hoffmann страница 20

Автор:
Серия:
Издательство:
Sie war meine Königin - Janina Hoffmann

Скачать книгу

nicht“, antwortete meine Mutter ausweichend. „Irgendein ... Spinner eben.“

      „Irgendein Spinner, soso. Das muss dann aber ein fliegender Spinner sein, oder wie soll er über den Zaun kommen?“

      „Es gibt Leitern“, gab meine Mutter in würdevollem Tonfall zurück.

      „Leitern. Aha. Marianne, wir haben in unserem Garten unnötigerweise mehrere Überwachungskameras, falls ich dich daran erinnern darf. Weil du es damals unbedingt so wolltest. Niemand schleicht ungesehen in unserem Garten herum.“

      „Doch“, widersprach meine Mutter. „Gestern war da jemand. Deshalb habe ich auch die Vorhänge zugezogen.“

      „Wusste ich doch, dass irgendwas faul war. Ich sehe mir heute Abend die Bilder der Überwachungskameras an. Dann werden wir Mister X ja durchs Bild huschen sehen.“ Sarkastisch fügte mein Vater hinzu: „Vielleicht hat er ja Flügel.“

      „Ich glaube, mein Schulbus ist gleich weg“, traute ich mich, mich vorsichtig in das Gespräch einzumischen.

      „Da siehst du mal wieder, wie viel kostbare Zeit uns deine hysterischen Anfälle kosten, Marianne. Herzlichen Glückwunsch.“ Lächelnd sah mich mein Vater an. „Weißt du, Constantin, ich habe mich schon länger gefragt, weshalb du bei dem schönen Wetter nicht mit dem Fahrrad fährst. Die Schule liegt doch nur einen Katzensprung entfernt.“

      „Nein, Konrad, bitte nicht“, wimmerte meine Mutter.

      „Doch. Komm, Constantin, nimm dein Fahrrad, und los geht‛s. Du hast lange genug darauf verzichtet. Und geholfen hat es anscheinend überhaupt nichts.“

      „Nein ... nein.“ Meine Mutter hielt sich weinend beide Hände vor das Gesicht und schüttelte langsam ihren Kopf. „Bitte tu mir das nicht an, Konrad.“

      Meine Großmutter erschien mit besorgtem Gesicht in der Küchentür.

      „Du hältst dich gefälligst da raus“, befahl mein Vater ihr und zeigte dabei drohend mit dem Zeigefinger auf sie. Dann drängte er mich: „Los, Constantin. Beeil dich, damit du es noch rechtzeitig schaffst.“

      Zweifelnd sah ich zu meiner Mutter.

      „Du sollst dich beeilen, habe ich gesagt“, wiederholte mein Vater im Kommandoton. „Wird‛s bald.“

      „Tschüss, Mama.“ Ich ging auf meine Mutter zu, um sie zu umarmen, doch sie wich zurück, drängte sich an meiner Großmutter vorbei und verschwand in der Küche.

      „Was bist du nur für ein Mensch, Konrad“, sagte meine Großmutter leise, bevor sie zu meiner Mutter eilte, um sie zu trösten.

      Glücklicherweise schaffte ich es, rechtzeitig zur ersten Unterrichtsstunde, in der Guido unserer Klasse von unserer Klassenlehrerin als neuer Mitschüler vorgestellt wurde, in der Schule zu sein. Die Tische in unserem Klassenzimmer waren in einer U-Form angeordnet. Ich forderte einige Klassenkameraden auf, jeweils einen Stuhl zur Seite zu rücken, damit Guido neben mir sitzen könne. Seltsamerweise kamen alle meiner Bitte ohne Widerworte sofort nach. Das lag sicher daran, dass sie wussten, was Melissa zugestoßen war, und sie deshalb besonders nett zu mir sein wollten. Alle wussten, dass Melissa tot war, dass ich in den Sommerferien meine kleine Schwester verloren hatte.

      „Das ist aber sehr nett von dir, Constantin“, lobte mich meine Klassenlehrerin, Frau Jäger, die noch recht jung war und sehr krauses blondes Haar hatte, das ihr bis zu den Schultern reichte.

      „Guido und ich kennen uns schon. Wir sind Freunde“, erwiderte ich nur.

      Meine Klassenlehrerin nickte, und ihre Augen glänzten dabei seltsam feucht hinter den Gläsern ihrer Brille. Anschließend sollten alle der Reihe nach von ihren Erlebnissen während der Sommerferien erzählen. Guido berichtete von den Tagen, die er mit seinem Vater verbracht hatte, und sagte anschließend, da Frau Jäger aufgrund seines Namens vermutete, dass er italienische Wurzeln habe, zu ihrem Entzücken noch ein paar melodische Worte in der Muttersprache seiner Mutter. Ich persönlich hätte es viel interessanter gefunden, wenn ich etwas über Angelina selbst erfahren hätte.

      Als ich nach Guido an der Reihe gewesen wäre zu berichten, was ich Schönes während der Sommerferien gemacht hatte, überging Frau Jäger mich einfach und rief stattdessen den Jungen auf, der zu meiner anderen Seite saß. Sicher wollte sie es mir ersparen, den anderen zu schildern, wie es war, seine Schwester durch einen leichtsinnigen Raser, der auch noch Fahrerflucht begangen hatte, zu verlieren.

      Den ganzen Vormittag wich ich nicht von Guidos Seite, der anscheinend froh war, nicht auf sich allein gestellt zu sein, und nichts dagegen hatte, dass ich ihm alles zeigte und in den Pausen mit ihm über den Schulhof rannte.

      „Wollen wir uns nachher zum Spielen treffen?“, fragte er mich, als wir nach dem Unterricht auf die Fahrradständer zugingen. Da erst fiel mir wieder die Auseinandersetzung zwischen meinen Eltern vom Morgen ein. Glücklicherweise hatten mich der Schulalltag und Guido so abgelenkt, dass ich gar nicht mehr daran gedacht hatte.

      „Ich weiß nicht, ob ich darf“, gab ich mich zögerlich, obwohl ich liebend gern zugesagt hätte, schon allein wegen der Chance, so Angelina wiederzubegegnen.

      „Ist es ... wegen dem, was mit deiner Schwester passiert ist?“, wollte Guido vorsichtig wissen. Natürlich wusste auch er davon. Alle wussten davon. Doch niemand hatte mir gegenüber heute in der Schule auch nur ein Wort darüber verloren.

      „Ja“, antwortete ich nur. Es fiel mir schwer, die für mich nicht nachvollziehbaren Ängste meiner Mutter in Worte zu fassen.

      „Ich bin jedenfalls nachher mit meinen Murmeln vor dem Friseursalon“, ließ mich Guido wissen.

      „Und wo isst du dein Mittagessen?“, erkundigte ich mich neugierig.

      „Meine Mutter kocht was während ihrer Mittagspause“, erklärte Guido. „Obwohl sie nicht gut kochen kann.“

      „Nicht?“ Das erstaunte mich. Ich hatte geglaubt, alle Italiener würden ständig Pizza backen und Pasta mit Tomatensauce kochen wie in dem italienischen Restaurant, das ich mit meinen Eltern und Melissa manchmal besucht hatte.

      „Nee.“ Guido schüttelte den Kopf. „Was meine Mutter kocht, schmeckt überhaupt nicht, und sonst kriegt sie im Haushalt auch nicht viel hin.“

      „Meine Mutter auch nicht“, versuchte ich, Guido zu trösten, obwohl mich seine harten Worte über Angelina schon etwas trafen. „Deshalb erledigen bei uns fast alles Frau Hubertus und Frau Bäumler. Das sind unsere Haushälterinnen, wobei ich Frau Hubertus lieber mag. Frau Bäumler hasst Kinder, glaube ich.“

      „Bei uns zu Hause muss ich alles machen“, vertraute mir Guido an, ohne auf meinen Bericht einzugehen.

      „Wie: Du musst alles machen? Was meinst du damit?“

      „Na, waschen, putzen und so weiter. Seit Kurzem auch noch bügeln. Meine Mutter kümmert sich um gar nichts.“

      „Was?“ Ich konnte es nicht fassen. Meine Mutter bestand ab und zu darauf, dass ich mein Zimmer aufräumte, damit ich Ordnung lernte. Das war aber auch alles, was ich an Arbeiten erledigen musste, wenn man das überhaupt als Arbeit bezeichnen konnte. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass das nicht bei allen Kindern so war.

      „Ja.

Скачать книгу