DAS BUCH ANDRAS I. Eberhard Weidner

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DAS BUCH ANDRAS I - Eberhard Weidner DAS BUCH ANDRAS

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einen Eindruck davon vermittelte, was mir bevorstand, bevor ich die Fotografie überhaupt in Händen hielt. Nachdem er mir allerdings das erste Bild übergeben hatte, achtete ich nicht weiter auf seine Reaktionen, da ich ab diesem Zeitpunkt viel zu sehr mit meinen eigenen Gefühlen und Gedanken beim Anblick der Aufnahmen beschäftigt war.

      Kapitel 9

      Das erste Lichtbild war ein Überblick über die vorgefundene Gesamtsituation am Tatort, denn es zeigte einen Raum – höchstwahrscheinlich den Kellerraum, von dem Hauptkommissar Gehrmann gesprochen hatte – in der Totale. Sämtliche sichtbaren Wände waren von schwarzen Laken oder Vorhängen verhüllt, was der ganzen Szenerie einen düsteren Eindruck verlieh. Auf den blanken Steinboden waren Linien aus schwarzer Farbe gezeichnet worden, die – darin war ich mir sicher, obwohl der Bildausschnitt nicht jedes Detail wiedergab – einen fünfzackigen Stern darstellten. In die Zacken waren unentzifferbare Zeichen und Symbole gemalt worden, und ein großer, gleichmäßiger Kreis, ebenfalls aus schwarzer Farbe, verband die Sternspitzen miteinander. An den vier Spitzen, die auf dem Bildausschnitt sichtbar waren, konnte ich schwarze Kerzen erkennen, zwei davon waren umgekippt und lagen am Boden. Genau in der Mitte des Pentagramms, also im inneren Fünfeck, stand ein massiver, tiefschwarzer Steinblock, der mir – auch wenn ich nicht unmittelbar, sondern nur anhand einer Fotografie mit ihm konfrontiert wurde – allein durch das Betrachten unwillkürlich Unbehagen bereitete. Ich konnte nicht sagen, aus welchem Material er bestand, doch das Gestein reflektierte den Schein des Blitzlichtes nicht, das der Fotograf benutzt haben musste, sondern schien es im Gegenteil zu absorbieren und an seiner Stelle Finsternis zurückzustrahlen.

      Nur mühsam gelang es mir, meinen Blick von dem unheilvoll wirkenden Altarblock zu lösen, als ich das vollkommen verrückte Gefühl hatte, der schwarze Felsblock könnte mich ebenso in sich saugen und verschlingen wie das Licht. Stattdessen konzentrierte ich mich auf andere Details, die mir zunächst entgangen waren, weil der Altar meine Aufmerksamkeit gefangen genommen hatte, und mied mit den Augen das düstere Zentrum des Bildes.

      Mit weißer Farbe waren Linien auf den Boden gesprüht worden, die teilweise über den schwarzen Strichen, aus denen der Drudenfuß und die Symbole bestanden, verliefen und einen auffallenden Kontrast zu diesen bildeten. Sie formten die Umrisse von zwei am Boden liegenden Personen nach, die Arme und Beine teilweise in so unnatürlicher Art und Weise abgewinkelt, wie es grundsätzlich nur den Toten möglich war. Die Leichen selbst mussten bereits vor der Aufnahme weggebracht worden sein, aber natürlich wusste ich aufgrund der Schilderung Gehrmanns, dass es sich dabei um Martin und Elvira Dorn, meine Eltern, gehandelt hatte. Doch auch in diesem Moment, als ich den Tatort vor Augen hatte, löste dieses Wissen noch immer keine Gefühle in mir aus. Große dunkle Flecken hatten sich innerhalb der menschlichen Umrisse auf dem Beton ausgebreitet. Lachen getrockneten Blutes, das auf der Aufnahme fast pechschwarz aussah. Mehrere kleine, aufrecht stehende gelbe Schilder aus Pappe oder dünnem Kunststoff, auf die schwarze Zahlen gedruckt waren, wiesen auf weitere gefundene Beweise oder Auffälligkeiten am Tatort hin. Eines der Schilder, bezeichnenderweise mit der Zahl 13, stand auf dem düsteren Altarblock. Ich wusste aber nicht, ob damit der Altar selbst, der auch ohne Markierung nur schwerlich zu übersehen war, das Blut, das man dort gefunden hatte und das wohl von meinem Bruder Andras stammte, oder ein anderes Beweisstück markiert worden war.

      Als ich der Ansicht war, alle wesentlichen Einzelheiten der Fotografie erfasst zu haben, legte ich die Aufnahme vor mir auf die Tischplatte und griff zur nächsten, die mir Dr. Jantzen bereits hingelegt hatte. Obwohl es mir erheblich länger vorkam, hatte ich das erste Foto tatsächlich nur wenige Augenblicke in der Hand gehalten und angesehen.

      Das zweite Bild war eine Nahaufnahme des unheimlichen Altarsteins. Er war von schräg oben fotografiert worden. Auch hier war nicht die Spur einer Reflexion des Blitzlichts auf dem tiefschwarzen Material zu entdecken. Man konnte aber deutlich erkennen, dass die Oberfläche des Steins nicht vollkommen glatt war, wie ich aufgrund der ersten Aufnahme vermutet hatte, sondern dass zahllose Einkerbungen in schlangenartigen Linien den Felsblock überzogen.

      Erneut nahm mich der Anblick gefangen, als wollte der Altarblock meinen Verstand in seine geheimnisvollen Tiefen saugen, und stieß mich gleichzeitig aber auch ab, indem es neben einem überwältigenden Gefühl des Ekels den Wunsch in mir erzeugte, mir die Hände am Stoff meiner geliehenen Jeans abzuwischen, obwohl ich nicht einmal den Altar selbst, sondern nur eine Fotografie von ihm berührte. Mir schwindelte, als ich einer der verschlungenen Linien mit den Augen zu folgen versuchte. Anfangs war kein Muster zu erkennen, sondern nur ein wirres Durcheinander wie das geistesabwesende Gekritzel eines Wahnsinnigen während eines längeren Telefonats, doch ganz allmählich formten sich Figuren und Muster aus dem Chaos, die man zuerst nicht wahrgenommen hatte, fast so, als wären sie soeben erst entstanden. Das konnte allerdings nicht sein, da der Inhalt der Fotografie bereits seit dem Zeitpunkt ihrer Aufnahme feststand und sich nicht verändern konnte. Dennoch sah ich plötzlich furchterregende Dämonenfratzen auf der schwarzen Oberfläche des Steins, die sich verzerrten und mich anzuknurren schienen, auch wenn ich natürlich keinen Laut hörte. Schreckliche Monster, wie ich sie noch nie gesehen hatte, eine Mischung aus Reptilien, Vögeln, menschlichen Körpern und Fabelwesen, krochen mir aus dem Inneren des Altarblocks entgegen, wurden größer und größer und rissen ihre abscheulichen, vor Zahnreihen starrenden Mäuler auf.

      Ich schrie laut und gellend, als mich die Ungeheuer zu verschlingen drohten.

      Kapitel 10

      Plötzlich und unerwartet spürte ich eine Hand auf meiner Schulter, wodurch der Bann, unter dem ich scheinbar gestanden hatte, gebrochen wurde. Ich blinzelte irritiert, als hätte ich tief und fest geschlafen und nun große Schwierigkeiten, richtig wach zu werden. Dann blickte ich mich suchend um, um zu sehen, wer mich angefasst hatte. Es war natürlich Dr. Jantzen gewesen, der mich noch immer mit besorgter Miene ansah.

      »Ist mit Ihnen alles in Ordnung, Frau Dorn?«

      Ich nickte. »Ja, wieso? Was ist passiert?«

      »Sie haben geschrien. Erinnern Sie sich nicht?«

      »Nein … Doch, ich glaube, jetzt erinnere ich mich …«

      »Möchten Sie aufhören oder zumindest eine Pause machen?«

      Ohne lange zu überlegen, schüttelte ich den Kopf. »Nein, es geht schon wieder.«

      »Haben die Fotografien denn etwas bewirkt? Haben Sie deshalb geschrien, weil die Fotos es geschafft haben, eigene Erinnerungen in Ihnen zu wecken?« Es war natürlich Hauptkommissar Gehrmann, der diese Fragen stellte. Ich hatte ihn für den Moment ganz vergessen gehabt und erinnerte mich erst jetzt wieder an seine Gegenwart.

      »Nein. Es war nur …« Ich stockte, wusste nicht, wie ich es erklären sollte, ohne wie eine komplett Durchgeknallte zu erscheinen, was ich nach dem soeben Erlebten vielleicht sogar war. »Ich glaubte, auf dem Foto etwas … etwas Schreckliches gesehen zu haben.«

      Der Arzt und der Kriminalbeamte sahen mich verständnislos an. Wahrscheinlich warteten sie auf weitere Erklärungen, die ich ihnen aber weder geben konnte, noch wollte.

      »Es war aber eigentlich gar nichts«, beeilte ich mich daher hinzuzufügen. »Nur ein Trugbild … eine optische Sinnestäuschung.« Das klang nicht einmal in meinen eigenen Ohren besonders überzeugend, aber ich hatte im Augenblick einfach nicht den Nerv, mir eine bessere Erklärung einfallen zu lassen. Die beiden Männer sollten sich entweder damit zufriedengeben oder es einfach bleiben lassen, basta!

      Hauptkommissar Gehrmann verzog keine Miene und senkte den Blick rasch wieder, hin zu der aufgeschlagenen Akte vor ihm. Dr. Jantzen nickte nur, als akzeptierte er meine Erklärung, aber ich sah ihm an, dass er keineswegs davon überzeugt war, dass mit mir wirklich alles in Ordnung war, und er sich trotz allem Sorgen um mich machte.

      Ich

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