DAS BUCH ANDRAS I. Eberhard Weidner

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DAS BUCH ANDRAS I - Eberhard Weidner DAS BUCH ANDRAS

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den Verlauf der bevorstehenden Psychotherapie auch auf diese Diagnose abzustimmen.«

      Gehrmann wirkte zwar, seinem zweifelnden Blick nach zu urteilen, alles andere als überzeugt, ließ das Thema aber fürs Erste auf sich beruhen. »Sie kann sich also an überhaupt nichts erinnern?«, vergewisserte er sich stattdessen erneut.

      Dr. Jantzen beschränkte sich auf ein einmaliges, entschiedenes Nicken als Antwort.

      »Und was haben Sie ihr über diese ganze … äh, Angelegenheit erzählt?«

      »Im Grunde überhaupt nichts. Ich habe Frau Dorn bisher lediglich ein paar autobiografische Daten genannt, die in ihrer Patientenakte stehen. Im Übrigen bin ich der Ansicht, dass es verfrüht wäre, sie schon jetzt mit den Ereignissen zu konfrontieren, die die Beeinträchtigung ausgelöst haben. Es besteht nämlich die akute Gefahr einer Retraumatisierung.«

      »Aber unter Umständen könnte das Wissen über das, was vorgefallen ist, in Frau Dorns Gedächtnis auch eine Wiedergewinnung der verschütteten Erinnerungen auslösen. Können Sie das bestätigen, Dr. Jantzen?«

      Dr. Jantzen nickte zögerlich. Auch wenn er diese Information nur widerwillig an den Polizeibeamten weitergab, so war er doch nicht in der Lage oder willens, diesen zu belügen.

      Der Polizist dachte nach. Ich war mir aufgrund des Bildes, das ich mir auf der Grundlage seines bisher gezeigten Verhaltens über seinen Charakter erstellt hatte, ziemlich sicher, dass die von Dr. Jantzen angesprochene Gefahr einer Retraumatisierung in Gehrmanns Überlegungen nur eine untergeordnete Rolle spielte, sofern er sie überhaupt in seine Gedankenspiele einbezog. Er würde eine derartige Gefährdung billigend in Kauf nehmen, wenn er dafür im Gegenzug neue Informationen in Erfahrung bringen konnte, die ihm bei seinen Ermittlungen halfen.

      Womit der Kriminalbeamte und ich – wenn auch nur in diesem speziellen Punkt – übrigens einer Meinung waren. Auch ich war bereit, die theoretisch bestehende Gefahr, erneut traumatisiert zu werden, auf mich zu nehmen, wenn nur so die Möglichkeit bestand, das klaffende Loch in meinem Gedächtnis zu stopfen. Denn eigentlich konnte mein Zustand meiner Ansicht nach nur unwesentlich schlimmer werden als im Moment.

      Also fasste ich, ohne länger darüber nachzugrübeln, meinen Wunsch in Worte und richtete diese direkt an Gehrmann. »Warum erzählen Sie mir nicht, was in der Nacht meiner Einlieferung geschehen ist, Herr Kriminalhauptkommissar. Was hat dazu geführt, dass ich sämtliche Erinnerungen an meine Vergangenheit verloren habe? Sie sprachen vorhin von Morden. Wer wurde ermordet? Und was habe ich damit zu tun?«

      Sowohl der Polizist als auch der Arzt fuhren zu mir herum, als ich mich so überraschend und zum ersten Mal, seitdem der Kriminalbeamte auf der Bildfläche erschienen war, zu Wort meldete. Beide sahen mich mit großen Augen an und begannen dann, als sie ihre Überraschung überwunden hatten, gleichzeitig zu sprechen.

      »Ich rate Ihnen, das nicht zu tun, Frau Dorn«, sagte Dr. Jantzen.

      »Wir können uns unter Umständen gegenseitig helfen«, bot mir hingegen Hauptkommissar Gehrmann an.

      Der Vergleich, der sich mir in diesem Augenblick förmlich aufdrängte, hätte mich trotz des Ernstes der Lage beinahe zum Lachen gebracht, denn die beiden Männer gebärdeten sich wie Engel und Teufel, die mich in ihrem jeweiligen Sinne zu beeinflussen versuchten. Der Doktor personifizierte in diesem Fall den himmlischen Boten, der mich davon abhalten wollte, eine – zumindest in seinen Augen – Dummheit zu begehen. Und der Polizist stellte Beelzebub dar, der mich im Gegensatz dazu zu irgendwelchen Untaten verführen wollte. Für einen kurzen Augenblick war ich hin- und hergerissen zwischen diesen beiden Polen, gewissermaßen zwischen Gut und Böse, doch schlussendlich siegte die Wissbegier über die Vorsicht. Wenn ich nichts wagte und mich aus Angst in einem Schneckenhaus der Unwissenheit verkroch, dann konnte ich auch schwerlich neue Erkenntnisse gewinnen und auf eine erfolgreiche und gegebenenfalls rasche Wiederherstellung meiner Erinnerungen hoffen.

      Ich schenkte daher zunächst Dr. Jantzen ein um Verzeihung bittendes, etwas schief geratenes Lächeln, in dem darüber hinaus mein schlechtes Gewissen zu lesen sein musste. »Tut mir leid, Dr. Jantzen, aber ich muss das Risiko eingehen.«

      Der Arzt zuckte die Schultern. »Es ist Ihre Entscheidung, Frau Dorn. Ich hoffe nur, dass Sie sie nicht bereuen.« Und wie um mir zu verdeutlichen, dass er es mir nicht übel nahm, zeigte er die Andeutung eines schmallippigen Lächelns und fügte hinzu: »Vielleicht hilft es Ihnen ja tatsächlich dabei, Ihre Erinnerungen wiederzuerlangen.«

      Ich nickte dankbar und wandte mich dann an den Polizisten. »Also, Herr Kriminalhauptkommissar. Erzählen Sie mir bitte, was ich noch nicht weiß! Und das ist eine ganze Menge, das kann ich Ihnen versichern.«

      Ein knappes Nicken seinerseits, und damit war die Abmachung zwischen uns besiegelt. Er würde mir alles sagen, was die Polizei über die Ereignisse jener Nacht wusste, in der ich hier in einem hochgradig verwirrten Zustand eingeliefert worden war. Und im Gegenzug würde ich ihm alles erzählen, woran ich mich erinnerte, vorausgesetzt natürlich, sein Bericht wirkte tatsächlich wie ein Trigger auf mein Gedächtnis und löste die Freisetzung weiterer, eigener Erinnerungen an diese Geschehnisse aus. Denn irgendwo mussten meine fehlenden Erinnerungen ja stecken. Sie konnten schließlich nicht vollkommen spurlos aus meinem Verstand gelöscht worden sein wie die Daten auf einer Diskette, auch wenn das saugende schwarze Loch, das ihre Stelle eingenommen hatte, etwas Derartiges vermuten ließ. In diesem Moment fiel mir ein, dass das englische Wort Trigger auf Deutsch auch Abzugshahn bedeutete. Hoffentlich war das kein böses Omen, und die nächsten Worte des Kriminalbeamten wirkten auf mein Bewusstsein nicht wie der Abzug einer Schusswaffe und richteten nicht ebenso verheerende Schäden an wie eine Pistolenkugel, die mir aus nächster Nähe in den Kopf geschossen wurde.

      Hauptkommissar Gehrmann hatte seine eisgrauen Augen wieder auf den Inhalt seines Aktenordners gerichtet. Scheinbar war er noch immer nicht in der Lage, mir über einen längeren Zeitraum hinweg in die Augen zu sehen, denn er las nicht etwa aus der Akte, sondern erzählte mit eigenen Worten, was er mir über die Ereignisse jener verhängnisvollen Nacht mitteilen konnte.

      Kapitel 8

      »In den frühen Morgenstunden des 14. Juni, am letzten Sonntag also, um ca. 0:45 Uhr«, begann der Polizeibeamte in nüchternen Worten zu erzählen, »gingen bei der Polizeiinspektion 42 in Neuhausen, zuständig für den Stadtbezirk 9 ›Neuhausen-Nymphenburg‹, mehrere Notrufe aus dem benachbarten Stadtteil Nymphenburg ein. Es handelte sich um mehrere Anwohner eines exklusiven Villenviertels in Gern, die meldeten, dass aus einem der Häuser in ihrer Nachbarschaft schreckliche Schreie und lautes Gebrüll zu hören seien. Als nur wenige Minuten später zwei alarmierte Funkstreifenbesatzungen nahezu gleichzeitig am Einsatzort eintrafen, herrschte dort allerdings wieder nächtliche Ruhe. Das Haus, aus dem der Lärm gekommen sein sollte, wirkte verlassen. Einige Nachbarn gaben jedoch später zu Protokoll, dass unmittelbar vor dem Eintreffen der Einsatzkräfte mehrere Personen fluchtartig das Haus verlassen hätten und in dunklen Fahrzeugen, die vor dem Haus geparkt gewesen waren, mit überhöhter Geschwindigkeit davongefahren seien. An die Fahrzeugmarken oder Kennzeichen konnte sich aber leider niemand erinnern.

      Da die Villa unverschlossen vorgefunden wurde und die Haustür weit offen stand, betraten die uniformierten Kollegen das Haus, um nach den Bewohnern, einem Ehepaar namens Dorn, zu sehen. Sie durchsuchten das ganze, nicht gerade kleine Gebäude vom Dach- bis zum Untergeschoss, konnten aber zunächst niemanden finden. Erst im Keller wurden sie schließlich fündig. In einem Raum, der aufgrund der vorgefundenen Situation und Ausstattung allem Anschein nach zur Durchführung eines Rituals, unter Umständen einer sogenannten schwarzen Messe, genutzt worden war, lagen zwei Leichname. Bei den Toten handelte es sich, wie sich später herausstellte, um die Bewohner des Hauses, Martin und Elvira Dorn. Sie trugen schwarze Gewänder, die an die Kutten

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