ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR. Eberhard Weidner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR - Eberhard Weidner страница 14

Автор:
Серия:
Издательство:
ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR - Eberhard Weidner

Скачать книгу

konnte Günther das Entsetzen und die Angst auf Silkes Gesicht und in ihren Augen erkennen. Sie schrie und weinte abwechselnd und wand sich in ihren Fesseln. Mehrmals rief sie seinen Namen, was ihm jedes Mal einen weiteren gezielten Stich ins Herz versetzte, weil es ihm noch bewusster werden ließ, dass er nicht bei seiner Frau gewesen war, als sie ihn am dringendsten gebraucht hatte.

      Er wusste sofort, dass das, was er sah, nicht gespielt war. Auch wenn Silke und er erst vor Kurzem den Bund der Ehe geschlossen hatten, waren sie schon vorher sechs Jahre lang ein Paar gewesen. Er kannte seine Frau daher gut genug, um zu erkennen, dass die Gefühle, die sie zeigte, echt waren! Mit Schauspielerei hatte das nichts zu tun. Silke durchlitt Todesängste und rief in ihrer Verzweiflung nach ihrem Mann.

      Diese verdammten Schweine!, dachte Günther. Was haben sie nur getan?

      Dabei war es offensichtlich, was sie getan hatten. Sie hatten Silke entführt und zu diesen Filmaufnahmen gezwungen. Günther erinnerte sich, wie Walt sie auf der Feier gedrängt hatte, noch einen letzten Drink zu nehmen, bevor sie ins Hotel zurückkehrten. Das freundliche Angebot des Bürgermeisters abzulehnen, wäre unhöflich gewesen. Also hatten sie höflich ihre Gläser geleert, ehe sie die Feier verlassen hatten. Doch in dem Whisky musste noch etwas anderes enthalten gewesen sein, ein Schlafmittel vermutlich. Und während sie anschließend friedlich schliefen, waren Walt und seine Komplizen in ihre Suite eingedrungen und hatten die bewusstlose Silke aus dem gemeinsamen Bett geraubt. Diese verfluchten Schweine hatten sie entführt, während er nichts ahnend danebengelegen und geschlafen hatte.

      Günther taumelte nach hinten, als seine Knie weich wurden, und ließ sich in den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch fallen. Gebannt starrte er weiterhin auf das Geschehen auf dem Bildschirm. Seine Hände hatte er in hilfloser Wut zu Fäusten geballt. Wenn er jetzt einen dieser Mistkerle in die Finger bekommen hätte, dann hätte er ihm die Scheiße aus dem Leib geprügelt.

      Plötzlich trat eine groß gewachsene Gestalt hinter den Altarstein. Im Gegensatz zu den anderen trug sie eine rote Robe mit Kapuze und blieb direkt neben Silke stehen. Vermutlich der Hohepriester dieses Kultes. Silke schrie noch immer, obwohl ihre Stimme schon heißer klang, krümmte und wand sich, dass sie beinahe von der Felsplatte gerollt wäre, und zerrte panisch an den Fesseln. Die vermummte Gestalt ballte die rechte Hand zur Faust und schlug sie Silke mitten ins Gesicht.

      »Du Drecksau!«, schrie Günther und sprang wieder auf die Füße. Wenn er die Kerle erwischte, dann konnten sie was erleben. Und wenn sie Silke auch nur ein Haar gekrümmt hatten, dann …, dann … Hilflos ballte Günther immer wieder die Hände zu Fäusten und lockerte sie wieder, aber er konnte nichts tun. Alles, was er auf dem Bildschirm sah, war bereits geschehen, und er konnte nichts mehr daran ändern. Alles, was er tun konnte, war hilflos mit anzusehen, was weiter passierte. Trotz der großen Unruhe, die ihn am ganzen Körper zittern ließ, und seines inneren Aufruhrs ließ er sich wieder auf den Stuhl sinken und beobachtete den Fortgang der Szene.

      Silkes Schreie waren nach dem Fausthieb schlagartig verstummt. Sie lag reglos auf dem Stein und wimmerte nur noch leise vor sich hin. Ein dünner Blutfaden lief aus ihrer Nase, die schief aussah, als wäre sie gebrochen. Der Vermummte breitete die Arme aus und rief mit lauter Stimme die Mächte der Finsternis an, allen voran Satan persönlich. Dann bückte er sich und hob etwas vom Boden auf, das bisher von dem Opferfelsen verborgen zu seinen Füßen gelegen hatte. Günther erwartete, ein Opfermesser zu sehen, und erbleichte, als er den Gegenstand erkannte. Der Hohepriester legte die rechte Hand fest um den vorderen Griffbügel und zog dann mit der anderen ruckartig am Seilzugstarter. Heulend sprang die Kettensäge an.

      »Oh, mein Gott, nein!«, hauchte Günther und schlug die Hände vors Gesicht, als der Kuttenmann die Motorsäge auf sein hilfloses Opfer herabsenkte und die erste Blutfontäne emporspritzte. Er hörte Silkes gellende Schreie, die sogar das Heulen der Kettensäge übertönten, bis sie schlagartig verstummte.

      Da die Ungewissheit über ihr Schicksal ihn noch mehr quälte als die schrecklichen Bilder, nahm er rasch wieder die Hände vom Gesicht und sah, wie sich die die vordere Hälfte des Metallblatts mit der Sägekette durch den Hals seiner Frau wühlte und den Kopf vom Rumpf trennte. Tränen schossen ihm in die Augen, ließen die entsetzlichen Bilder verschwimmen und liefen ihm übers Gesicht.

      »Nein!«, schrie er, als ihn der Hass auf die Übeltäter und die Mörder seiner Frau wie ein wildes Tier aus dem Hinterhalt anfiel, sprang auf und trat unbeherrscht mit dem rechten Fuß gegen den Bildschirm. Der Flachbildfernseher kippte nach hinten und fiel krachend auf den Fußboden. Ein hauchdünner Riss lief durch den ganzen Bildschirm, der sofort schwarz wurde. Das Surren der Säge aus dem Lautsprecher verstummte abrupt. Feine Rauchschwaden und der Gestank nach verbranntem Kunststoff breiteten sich im Amtszimmer des Bürgermeisters von Movietown aus.

      Günther stand schwer atmend da, die Hände zu blutleeren Fäusten geballt, und starrte auf das zerstörte Fernsehgerät. Der Videorecorder surrte immer noch leise vor sich hin und spielte, von Günthers Ausbruch gänzlich unbeeindruckt, die Kassette ab, auch wenn die darauf enthaltenen Schreckensbilder nun nicht mehr zu sehen waren und das Kreischen der Kettensäge nicht länger zu hören war. Günther weinte und schluchzte dabei leise. Mit den schleppenden Schritten eines Greises ging er zum Stuhl zurück, als wäre er innerhalb der letzten Augenblicke um Jahrzehnte gealtert, und sank auf die Sitzfläche. Er beugte sich nach vorn, als würde ihn eine Zentnerlast nach unten drücken, und vergrub sein Gesicht in den Händen.

      Silke ist tot!

      Es waren nur drei simple Worte, insgesamt gerade einmal elf Buchstaben, doch diese Worte enthielten eine Sprengkraft, die sein ganzes Leben aus den Fugen geraten ließen. Dabei konnte er es selbst noch gar nicht so richtig fassen, aber es gab einfach keinen Zweifel. Schließlich hatte er es mit eigenen Augen gesehen. Und das war kein Filmtrick oder Special Effect gewesen, sondern die brutale, auf Zelluloid gebannte Wirklichkeit. Diese Scheißkerle hatten seine Frau umgebracht, einfach so, vor laufender Kamera.

      Plötzlich wurde ihm noch etwas bewusst. Der anderen Frau gestern – ihr Name war Carolyn Boone, erinnerte er sich – war es vermutlich genauso ergangen wie Silke. Schon da war ihnen alles so echt, so wirklich erschienen.

      Er erschauderte, als hätte sich eine Tür oder ein Fenster geöffnet, um eine kühle Brise hereinzulassen. Wo sind wir hier bloß hingeraten?, fragte er sich. So wie es aussah, waren alle Einwohner von Movietown an diesem furchtbaren Treiben beteiligt. Sie alle mussten vollkommen wahnsinnig sein, opferten sie doch tatsächlich Menschen – ortsfremde Durchreisende – für ihre verdammten Filme. Er musste diese Vorgänge den Behörden melden und umgehend zur Polizei gehen. Allerdings musste er unbedingt die Videokassetten mitnehmen, denn sie waren der eindeutige Beweis, dass hier sogenannte Snuff-Filme gedreht wurden, in denen echte Morde geschahen.

      »Hi, Günther.«

      Behäbig, als würde er nur langsam aus einem Albtraum erwachen und in die Realität zurückkehren, hob Günther den Kopf. Der Bürgermeister saß auf der anderen Seite des Schreibtisches. Am liebsten hätte sich Günther augenblicklich auf ihn gestürzt, wäre mit einem einzigen Satz über den Schreibtisch gehechtet und hätte seine Finger um Walts faltigen Hals gelegt, um ihn mit bloßen Händen zu erwürgen. Doch erstens fehlte ihm dazu im Moment die nötige Kraft, und zweitens sahen Walts Begleiter, die groß gewachsenen Brüder Edward und Karl Landis, die zu beiden Seiten des Bürgermeisters Aufstellung genommen hatten und Günther finster ansahen, so aus, als hätten sie etwas dagegen und würden ihn notfalls durch Anwendung brutaler Gewalt daran hindern, ihrem Bürgermeister auch nur ein Haar zu krümmen.

      »Wo ist Silke, ihr verdammten Arschlöcher?«, fragte Günther mit merkwürdig rauer Stimme, die sich nicht im Entferntesten wie seine eigene anhörte. »Wo ist meine Frau?«

      »Wir kommen gerade von ihrer Beisetzung«, sagte Walt

Скачать книгу