Wind über der Prärie. Regan Holdridge

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Wind über der Prärie - Regan Holdridge

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ich verstehe auch nicht recht, wieso das sein muss. Vielleicht gehört es einfach zum Leben dazu. Mach’ dir nicht so viele Gedanken.“

      „Ich muss!“, widersprach Juliane ernst. „Schließlich werde ich auch eines Tages eine Frau sein, die Kinder zu Welt bringen soll und ich möchte nicht so viele von ihnen verlieren!“

      Hubert lächelte sanft. Er ahnte, welch tiefes Gefühlsleben, unendlich viele Grübeleien hinter der rebellischen, selbstbewussten Fassade seiner kleinen Schwester steckten. Er ahnte auch, dass sie sich nicht in dieses Schicksal fügen wollte.

      „Irgendwann wirst du heiraten und dir keine Gedanken mehr darüber machen, weil du mit lauter Hausarbeit gar nicht mehr dazu kommst!“ Es sollte aufmunternd klingen, doch seine Schwester starrte ihn nur verständnislos an.

      „Ich weiß nicht, ob ich überhaupt jemals heiraten werde“, entgegnete sie bissig und es schien ihr vollster Ernst. „Ich habe schon zu viele junge Frauen gesehen, die bei der Geburt ihrer Kinder gestorben sind und die Vater dann beerdigen musste.“

      Hubert senkte den Blick. „Auch das, ja...“ Er seufzte. „Aber du wirst sehen, dass dich das eines Tages nicht mehr stört, nämlich dann, wenn du dem Mann gegenüberstehst, den du liebst und...“

      „Das glaube ich nicht!“, fiel Juliane ihm trotzig ins Wort und sie zog ihren Mantel enger. Der Wind wurde immer stürmischer und kühler.

      Hubert schmunzelte. „Das kannst du nur behaupten, weil du noch nie verliebt gewesen bist!“

      Verdutzt und neugierig zugleich schaute Juliane ihn an. „Aha! Sag bloß, du hast damit schon Erfahrungen gesammelt!“

      Mit einem verschmitzten Grinsen zuckte ihr Bruder die Schultern. „Es gab da schon das ein oder andere Mädchen...“

      „Hubert Kleinfeld!“ Entrüstet stemmte Juliane die Arme in ihre schmalen Hüften. „Das hätte ich nicht von dir gedacht!“

      Er lachte leise auf. „Es ist das Natürlichste auf der Welt, Julchen!“

      „Nenn mich nicht Julchen! Ich bin kein kleines Kind mehr!“

      „Manchmal schon. Trotzdem ist es ganz natürlich!“ Er kniff ihr frech in die Wange. „Aber ich hab’ ja keine von ihnen geheiratet!“

      „Das hätten Vater und Mutter dir auch nie verziehen“, warf das junge Mädchen ein. Sie wandte sich ab und stolzierte hocherhobenen Hauptes davon, um Nikolaus von den anderen Kindern fort, in ihre Kabine zu bringen. Sie fürchtete, er könnte sich sonst erkälten.

      Hubert sah ihr nach. Sie war eine junge Dame geworden, seine kleine Schwester. Irgendwann, das wusste er, würde der Mann kommen, der ihr Denken und ihre Ansicht veränderte und dann würde es ihr ganz gleich sein, ob sie einmal oder zehnmal ein Kind austragen musste. Hubert schmunzelte in sich hinein. Sie kannte den Weg, auf dem ein Kind in den Körper einer Frau gelangte noch nicht, aber er, er kannte ihn – zumindest theoretisch – und er wusste, dass es in diesem Augenblick nicht zählte, was danach sein könnte.

      Er stieß sich von der Reling ab. Dieses kleine Geheimnis musste er allerdings für sich behalten, er konnte sein Wissen nicht mit ihr teilen. Derartige Dinge wurden nicht besprochen, noch nicht einmal in den Mund genommen und wenn, dann nur hinter vorgehaltener Hand. In den Augen seines Vaters, dessen war Hubert sich bewusst, war er der anständige, guterzogene Sohn, der eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters treten würde. Bisher hatte Hubert sich nicht dagegen gewehrt – er wusste seit Kindesbeinen an nichts anderes und dennoch...irgendetwas zog ihn weiter. Irgendetwas ließ ihn nicht zur Ruhe kommen und er fragte sich oft, was das sein konnte und ob er den Grund dafür eines Tages finden würde. Es war seine Bestimmung, ebenfalls Pastor zu werden und daran gab es nichts auszusetzen. Es war ein guter Beruf, mit dem er anderen Menschen helfen konnte, wenn auch nicht so, wie er es manchmal gerne getan hätte.

      Am selben Abend gerieten sie in einen wüsten, furchterregenden Sturm. Tosende Wellen schlugen draußen an die Schiffsplanken und brachen sich an Deck.

      „Ich habe Angst“, flüsterte Nikolaus und drückte sich fester an seinen großen Bruder. Beschützend legte Hubert ihm den Arm um die Schultern.

      „Musst du nicht“, versicherte er. „Das ist immer so, wenn über dem Meer ein Sturm losbricht. Das ist immer schlimmer wie auf dem Festland, aber das macht dem Schiff nichts aus, überhaupt nicht! Das ist für solche Überfahrten gebaut!“

      Er wusste, dass das geschwindelt war und in seinem Inneren zitterte er genauso, wie der schmächtige, zarte Junge der sich fest und voller Vertrauen an ihn presste. In seiner Sorge tat Hubert das, was er gelernt hatte zu tun: Er faltete die Hände und betete lautlos, nur für sich. Er betete, dass sie das restliche Stück Weg heil überstehen würden, dass es bald vorüber wäre mit diesem entsetzlichen Geschaukel und dass niemandem an Bord etwas zustieß. Er war noch mitten in sein Gebet vertieft, als plötzlich die Türe aufgerissen wurde und helles Licht von draußen, vom Korridor hereinfiel.

      „Pastor?“, rief eine aufgeregte Frauenstimme. „Pastor, kommen Sie schnell!“

      Ruckartig setzte Friedrich sich auf. Alarmiert warf er seine Bettdecke zurück und griff im Aufstehen bereits nach seiner bodenlangen, schwarzen Kutte, die immer griffbereit in seiner Nähe lag und jetzt am oberen Bett hing.

      „Was ist passiert?“

      „Ein junger Matrose ist die Treppe hinuntergefallen! Kein Wunder, bei diesem Tanz, den der Sturm mit uns vollführt!“

      „Ich komme!“ Friedrich schlüpfte in seine Schuhe und befahl: „Los, Hubert! Steh auf!“

      Sein achtzehnjähriger Sohn seufzte innerlich, doch ihm blieb keine Wahl und so zog er seinen Arm unter Nikolaus hervor.

      „Ich komme so schnell wie möglich zurück“, versprach er und schwang sich vom oberen Bett hinunter. Auf eigenartige Weise fühlte er sich unwohl bei der Vorstellung, jetzt dort hinaus zu müssen, zwischen all die aufgeregten und verängstigten Menschen, um irgendwo nach einem verletzten Matrosen zu sehen. Womöglich war er sogar schon tot, wenn die Frau seinen Vater holte.

      Im Halbdunkeln fingerte er nach seiner Weste und den Schuhen. Sie behielten ihre Kleidung auch nachts an, für den Fall, dass sie schnell von Bord mussten. Im Schein des flackernden Lichts, das durch die offene Tür fiel, konnte er seinen Vater mit der fremden, älteren Frau zusammenstehen sehen. Er hörte jedes ihrer Worte. Sie sprach auf Deutsch mit einem weichen, württembergischen Akzent.

      „Haben Sie schon einen Arzt geholt?“, fragte Friedrich jetzt und Hubert schien es, als sei er sich auch noch nicht ganz schlüssig, wie er sich in dieser Lage verhalten sollte.

      „Mein Mann ist auf der Suche nach einem“, versicherte die Frau aufgeregt und fuchelte mit dem Arm. „Aber dazu müssen wir ja erstmal bis ganz rauf, zur ersten Klasse, wo die Seeleute alle schlafen.“

      Hubert verkniff sich den Kommentar, dass die Wegbeschreibung der guten Frau alles andere als stimmte: Die erste Klasse und die Mannschaftsunterkünfte lagen weit voneinander entfernt und die meisten Seeleute hausten nicht besser, als sie es hier taten, im Gegenteil, doch er schwieg. Hätte er nicht zufällig einen Blick auf die Pläne geworfen, die in jedem Gang für Notfälle und zur Orientierung aushingen, hätte er dies vermutlich auch nicht gewusst. Für die Frau, die jetzt eilig vor ihm und seinem Vater herlief, war der Schiffsarzt ganz einfach „irgendwo da oben“ untergebracht.

      Sie bogen in einen Seitenkorridor

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