GRABESDUNKEL STEHT DER WALD. Eberhard Weidner

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GRABESDUNKEL STEHT DER WALD - Eberhard Weidner

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fühlte sich unbehaglich unter seinem Blick, obwohl sie sich nur einem Foto gegenübersah und nicht dem wirklichen Menschen, und rutschte unruhig auf der Sitzfläche ihres Drehstuhls hin und her. Sie fragte sich, was diese Augen in den letzten drei Monaten gesehen hatten. Und ob das Gehirn ihres Mannes tatsächlich alles vergessen hatte, was vor seinem Verschwinden passiert war. Aber was hätte er davon, allen einen Gedächtnisverlust vorzuspielen? Und wieso hätte jemand wie er drei Monate lang auf der Straße leben sollen, wenn er nicht dazu gezwungen gewesen war.

      Nein, Cora war überzeugt, dass der Verlust seiner Erinnerungen echt sein musste. Und zum ersten Mal, seit die Polizistin ihr mitgeteilt hatte, dass Markus noch lebte, erlaubte sie es sich, zu lächeln.

      Vielleicht, so dachte sie, wird doch noch alles gut.

      Der Gedanke an Anja Spangenberg erinnerte sie daran, dass sie der Ermittlerin versprochen hatte, sie zurückzurufen und ihr mitzuteilen, ob es sich bei dem in Regensburg aufgetauchten Mann tatsächlich um ihren Ehemann handelte. Cora warf einen Blick auf die Wanduhr und sah, dass sie geschlagene zwanzig Minuten vor dem Laptop gehockt und das Bild angestarrt haben musste. Es war ihr gar nicht so lang vorgekommen.

      Sie nahm das Telefon und ließ es die Nummer des zuletzt eingegangenen Anrufs wählen.

      »Spangenberg.«

      »Er ist es!« Es waren nur drei kurze und einfache Worte, dennoch spürte Cora ihre enorme Tragweite und Bedeutung, als wögen sie Tonnen und würden wie Mühlsteine an ihr hängen und sie herunterziehen.

      »Sind Sie sich auch wirklich hundertprozentig sicher?«, fragte die Polizistin nach, obwohl sie selbst bereits davon gesprochen hatte, dass sie davon überzeugt war, dass es sich tatsächlich um Coras Mann handelte.

      »Ja, das bin ich. Es ist Markus, ohne jeden Zweifel.«

      »Wie schön.« Cora konnte die Erleichterung und Freude der Ermittlerin aus diesen beiden Worten heraushören. »Es freut mich für Sie und natürlich auch für Ihren Mann, dass er nach all der Zeit doch noch unversehrt aufgetaucht ist.«

      »Nun, nicht völlig unversehrt«, schränkte Cora ein. »Immerhin hat er das Gedächtnis verloren und erinnert sich vermutlich weder an sein früheres Leben noch an mich.«

      »Das stimmt. Aber körperlich ist er zumindest unversehrt. Und Erinnerungen können unter Umständen irgendwann – mal früher, mal später – wieder zurückkommen.«

      »Glauben Sie das wirklich?«

      »Um ehrlich zu sein: Ich weiß es nicht. Es dürfte vor allem davon abhängen, ob die Amnesie Ihres Mannes körperliche Ursachen hat – zum Beispiel aufgrund einer Schädigung des Gehirns – oder auf psychologische Gründe zurückzuführen ist – beispielsweise ein traumatisches Erlebnis. Sie sollten daher unbedingt einen Facharzt mit ihm aufsuchen. Aber auf jeden Fall dürfen Sie die Hoffnung nicht aufgeben, dass er irgendwann wieder Zugang zu seinen Erinnerungen bekommt und wieder ganz der Alte wird.«

      Cora erschauderte bei diesem Gedanken und schloss die Augen. Nicht auszudenken, wenn Anja Spangenberg recht behalten sollte. Sie war froh, dass die Beamtin sie in diesem Moment nicht sehen konnte. Dann seufzte sie, bevor sie sagte: »Sie haben recht, Frau Spangenberg. Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben. Und wie geht es jetzt weiter?«

      »Was meinen Sie damit?«

      »Damit meine ich vor allem eins: Wann kommt mein Mann wieder nach Hause?«

      »Ach so. Nun, im Augenblick ist er noch in Regensburg. Ich wollte erst mit Ihnen Rücksprache halten und auf Nummer sicher gehen, bevor ich seine Überstellung nach München veranlasse. Aber da es nun ja geklärt ist, dass es sich um Ihren Mann handelt, steht dem natürlich nichts mehr im Wege. Ich werde sofort bei den Kollegen anrufen und den Transport organisieren. Freuen Sie sich also, Frau Eichholz, denn spätestens heute Abend können Sie Ihren Mann wieder in die Arme schließen.«

      4

      Doch Cora war nicht danach, sich zu freuen.

      Im Gegenteil! Sobald sie das Gespräch mit der Polizistin nach ein paar abschließenden belanglosen Worten und den formelhaften Abschiedsgrüßen beendet hatte, wurde ihr furchtbar schlecht.

      Sie warf das Telefon achtlos auf die Schreibtischplatte und rannte ins Bad, das zum Glück direkt neben ihrem Arbeitszimmer lag, denn eine weitere Strecke hätte sie vermutlich nicht geschafft, ohne eine Sauerei zu verursachen. Sie konnte gerade noch den Klodeckel nach oben reißen, bevor sie sich laut würgend übergeben musste.

      Da in ihrem Kopf ein ebenso heilloses Durcheinander herrschte wie in ihrem aufgewühlten Magen, wusste sie nicht mehr, was sie heute gefrühstückt hatte. Doch egal, was es auch gewesen war, sie gab alles in einem einzigen heißen und übel riechenden Schwall von sich, den sie sich lieber nicht genauer ansah, sondern rasch beseitigte, indem sie auf den Spülknopf drückte.

      Anschließend ließ sie sich erschöpft neben der Toilettenschüssel zu Boden sinken und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Badewanne. Ihre Übelkeit war verschwunden. Und auch das Chaos in ihrem Verstand lichtete sich allmählich, sodass sie wieder in der Lage war, einen klaren Gedanken zu fassen.

      Cora bewegte behutsam den Kopf hin und her, hinter dessen Stirn noch immer der Schmerz wütete, als die Gewissheit, dass Markus in wenigen Stunden nach Hause zurückkehren würde, allmählich in ihr Bewusstsein einsickerte und dort Wurzeln schlug. Obwohl es eine Tatsache war, konnte sie noch immer nicht glauben, dass er tatsächlich wieder aufgetaucht war, nachdem er vor drei Monaten von einem Tag auf den anderen spurlos verschwunden war, als hätte sich der Erdboden aufgetan und ihn verschluckt.

      Und in der Tat sollte das, was gerade geschah, eigentlich absolut unmöglich sein, da ihr Mann tatsächlich vom Erdboden verschlungen worden war. Er sollte nämlich mausetot sein und in einem Grab mitten im Wald verrotten. Wie konnte er also unversehens drei Monate nach seinem Tod wieder auftauchen und bis auf den Komplettausfall seines Gedächtnisses wohlauf sein?

      ZWEITES KAPITEL

      1

      Die Idee, ihren Mann umbringen und spurlos verschwinden zu lassen, war ihr vollkommen spontan zwei Wochen vor der Tat bei einem Treffen mit ihrem Geliebten gekommen.

      Sascha Winkler arbeitete als Trainer in einem Fitnessstudio, war ein Meter neunzig groß und äußerst muskulös. Doch trotz all der Anabolika und anderen illegalen Muskelaufbaupräparate, die er in den letzten Jahren geschluckt hatte, um seinem Idol Arnold Schwarzenegger nachzueifern, war er von der Natur nicht nur mit einem Ehrfurcht gebietenden Geschlechtsorgan, sondern auch mit der Ausdauer eines Langstreckenläufers ausgestattet worden. Seine Defizite lagen eher im intellektuellen Bereich, denn unter der blonden Kurzhaarfrisur und zwischen den beiden großen, etwas abstehenden Ohren befand sich ein Gehirn, dessen IQ an guten Tagen allenfalls im oberen zweistelligen Bereich anzusiedeln war. Allerdings war er extrem zuverlässig, Cora treu ergeben und schweigsam. Eigenschaften, die seine Unzulänglichkeiten in ihren Augen mehr als ausglichen. Daher hatte Cora trotz seiner gedanklichen Trägheit letztendlich auch keinerlei Bedenken gehabt, ihn mit dem Mord an Markus zu beauftragen.

      Doch daran hatte sie noch nicht einmal im Traum gedacht, als sie sich, wie so oft, seit sie sich acht Monate zuvor kennengelernt und ihre außereheliche Beziehung begonnen hatten, am späten Nachmittag in Saschas Wohnung zu einer schnellen Nummer trafen. Cora hatte wie immer nur wenig Zeit, weil sie noch das Abendessen zubereiten musste, bevor Markus von

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