Hinter verborgenen Pfaden. Kerstin Hornung

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Hinter verborgenen Pfaden - Kerstin Hornung Der geheime Schlüssel

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als Hilmar ihn erfreut angrinste, fragte er: »Was wird denn heute gefeiert?«

      »Na ja, Feier ist vielleicht nicht ganz der richtige Ausdruck. Gesellschaft nannte es der König. Nach dem heutigen Tag gibt es einiges, was er erklären oder zumindest bekannt geben will. Aber es wird auch etwas zu trinken geben, und die eine oder andere schöne Dame wird uns bestimmt die Ehre zu einem Tanz erweisen. Das hoffe ich zumindest, denn der König ist da eher so wie du; von großer Geselligkeit hält er nicht viel.«

      Agnus wusste nicht, was ihm mehr missfiel. Die Aussicht auf einen steifen Gesellschaftstanz oder eine Gemeinsamkeit mit dem König zu haben.

      »Bei seinem Geburtstag vor einem halben Jahr«, redete Hilmar weiter, »ist der König als Erster gegangen, dabei hat sein Barde einiges zu bieten. Es ist wirklich ein Jammer, dass der Bursche nicht öfter zum Einsatz kommt.«

      Agnus grinste und meinte: »Den Barden habe ich bereits kennengelernt, der ist wirklich in Ordnung.«

      Jetzt lachte Hilmar schallend. »Dann bist du ja doch nicht so ein Trauerkloß, wie ich dachte.«

      »Bei einer weiteren Bemerkung dieser Art werde ich dich zum Zweikampf herausfordern müssen.« Agnus versuchte ernst zu bleiben, denn es war gerade diese saloppe Ehrlichkeit, die er an Hilmar mochte.

      Der Verwalter, ein dicker Mann mit verkniffenem Gesicht, schrieb mit spitzen Fingern Agnus’ Namen zu den übrigen in das Gästebuch. Immer wieder musterte er dabei den Baron verstohlen, so, als könne er nicht glauben, dass er der war, für den er sich ausgab. Hilmar stand daneben und verwirrte den Mann mit Zwischenfragen und Sonderwünschen.

      »Warum musstest du den Mann ärgern?«, fragte Agnus, als sie außer Hörweite waren.

      »Ich mag ihn nicht. Er gängelt jeden, der nicht höhergestellt ist, und ist anmaßend«, erwiderte Hilmar. Auf halbem Weg zum Gästehaus blieb er plötzlich stehen. »Wo ist deine Kutsche?«

      Agnus lachte los. In einer Kutsche war er zum letzten Mal bei seiner Hochzeitsfeier gesessen.

      »Mein Pferd! Das steht gut und sicher.«

      »Aber nicht im königlichen Stall, nehme ich an.«

      »Natürlich nicht. Die Stallknechte haben schon genug damit zu tun, die erschöpften Pferde eures Jagdausflugs zu versorgen«, bemerkte Agnus spitz.

      Hilmar lockerte seinen Kragen. »Darüber möchte ich auch noch mit dir sprechen. Später«, sagte er nachdenklich.

      Die Truhe, in der Hilmar seine Kleidung aufbewahrte, war voll mit samtweichen Beinkleidern, reichbestickten Tuniken, so wie mit Gold beschlagenen Mänteln. Gezielt suchte der Graf eine Weile, beförderte dann einen Stapel Wäsche zutage und streckte ihn Agnus entgegen.

      »Das hier dürfte dir passen.«

      Agnus strich über das seidene Hemd, das zuoberst lag, und überlegte, ob er überhaupt ein dermaßen feingewebtes Hemd besaß. Im Gegensatz zu ihm war Hilmar immer tadellos und standesgemäß gekleidet. Selbst für die Jagd hatte er ein besticktes Hemd unter seinem wappengezierten, ledernen Waffenrock getragen, das jetzt aber deutlich verschwitzt an ihm klebte.

      »Danke«, brummte Agnus. Er kam nicht umhin, sich trotz seiner Freundschaft mit Hilmar, wegen dieser Leihgabe unwohl zu fühlen.

      »Ach …« Hilmar winkte ab. »Ich freue mich, dich heute hier zu wissen. Ein ehrliches Gesicht zwischen all den heuchelnden Masken zu sehen, ist immer eine Wohltat.« Er zerrte an den Verschlüssen seiner ledernen Armschützer und warf sie auf den Boden, dann setzte er sich auf sein blütenweißes Bett und zog die Stiefel aus. Gedankenverloren betrachtete er seine wackelnden Zehen. »Ich sage dir, das war eine Jagd. So etwas hast du noch nicht erlebt«, seufzte er, während er seine blauen Augen auf Agnus richtete, ohne ihn wirklich anzusehen. »Alles seltsam von Anfang an. Wir hatten keine Treiber dabei, nicht einmal Hunde«, berichtete er. »Vor dem Wald wurden wir in drei Gruppen geteilt. Der Bruder des Königs, Herzog Valerian, ritt mit einer Gruppe nach Norden. Der König blieb mit der zweiten Gruppe vor dem Wald stehen und wartete. Ich war in der dritten Gruppe, deren Führung Graf Bärenbach, dem alten Hochstapler, oblag. Wir ritten eine knappe Meile nach Süden, ehe wir in den Wald einbogen.«

      Agnus trat von einem Bein auf das andere. Der abwesende Gesichtsausdruck des Grafen und dessen Bedürfnis, die Ereignisse des Tages zu schildern, beunruhigten ihn.

      »Alle waren verwirrt, denn diese Art zu jagen, war keinem geläufig. Bärenbach schien auch gar nicht die Absicht zu haben, nach Wild Ausschau zu halten. Er hielt uns ständig zurück, was die Stimmung deutlich verschlechterte. Jetzt weiß ich, dass er auf etwas ganz anders wartete als wir.« Hilmar schüttelte den Kopf, erhob sich von der Bettkante und stellte sich vors Fenster. »Der Morgen graute«, erzählte er weiter, »als ein Horn zum Angriff blies. Bärenbach schien nur auf dieses Signal gewartet zu haben. Ohne Rücksicht auf uns oder die Pferde bahnte er sich einen Weg durch das Unterholz.« Wieder schüttelte Hilmar den Kopf, starrte aber weiterhin aus dem Fenster. »Wahnsinn, absoluter Wahnsinn sage ich dir. Ich dachte, dass sowohl der Herzog von Erdolstin, von dessen Gruppe das Signal kam, als auch Bärenbach den Verstand verloren hatten. Schließlich befanden wir uns auf der Jagd und nicht im Krieg, aber als wir bei den anderen ankamen, sah es im Wald tatsächlich wie auf einem Schlachtfeld aus. Felhorn und Wilberg bluteten aus frischen Wunden, und überall auf dem Boden lagen so viele Pfeile herum, als hätte eine Hundertschaft Bogenschützen auf Herzog von Erdolstin und seine Truppe gewartet.«

      Nun drehte sich Hilmar zu Agnus um, und zum ersten Mal, seit er zu erzählen begonnen hatte, sah er ihm in die Augen. »Aber was für Pfeile das waren … Einen habe ich mitgenommen, der liegt noch in meiner Satteltasche.« Mit wenigen großen Schritten durchquerte der Graf den Raum und begann in seinen Taschen zu wühlen. »Mein Neffe, Vinzenz von Hohenwart, war mit der Gruppe des Herzogs geritten. Du kennst Vinzenz. Er ist ein vernünftiger Mann«, sagte Hilmar und sah Agnus eindringlich an.

      Natürlich kannte Agnus Vinzenz von Hohenwart, er war sein zweiter Nachbar. Nur, dass Vinzenz sich auch hier auf der Burg aufhielt, wusste Agnus nicht.

      »Auf dem Rückweg hat er mir erzählt, dass etwa ein Dutzend eigenartig gekleidete und noch seltsamer aussehende Wesen wie aus dem Nichts im Wald auftauchten und der Herzog sie sofort angriff. Aber genau so plötzlich, wie sie erschienen waren, waren sie auch wieder verschwunden. Ein einziges dieser Wesen soll all die Pfeile verschossen haben. Die Männer mussten hinter den Bäumen in Deckung gehen.« Der Graf presste die Lippen zu einem Strich zusammen. »Kannst du dir vorstellen, dass jemand so schnell schießen kann, dass er fünfzehn Mann damit in Schach hält?«

      Agnus verneinte.

      Hilmar begann wieder in seiner Tasche zu wühlen. Dabei redete er weiter. »Den ganzen Vormittag waren wir auf der Suche nach einer Spur dieser seltsamen Kreaturen. Irgendwann kam die königliche Wache hinzu, aber gefunden haben wir nichts. Nur diese wunderschönen Pfeile.« Hilmar hielt den Pfeil in seiner geöffneten Hand.

      Der Farbverlauf begann bei einem hellen Braun an der Spitze und verdunkelte sich bis zu den nachtschwarzen Federn am Ende. Die Eisenspitze verband sich durch eingelassene Metallfäden in einem komplizierten Muster mit dem Holz. Als Agnus mit dem Finger über den Pfeil strich, konnte er keinerlei Unebenheiten spüren.

      »Was meinst du, wer diese Männer waren?«, fragte er. »Glaubst du, der König hat sie erwartet oder wollte sie abfangen?« Bruchteile alter Geschichten verdichteten sich in Agnus´ Kopf. Gnome liefen durchs Wildmoortal, seltsame Geschöpfe durch den Wald. Plötzlich schien ihm nichts mehr unmöglich.

      »Abfangen!

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