Der Zorn der Hexe. Lars Burkart

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Der Zorn der Hexe - Lars Burkart

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wolle er trotz seines Versprechens noch immer schweigen. Für Sabine sah das nach einer erneuten Hinhaltetaktik aus. Doch damit täuschte sie sich. Sie sah nicht das angstvolle Flackern in seinen Augen, bemerkte nicht die Schweißtropfen, die wie Perlen auf seiner Stirn standen. Und selbst wenn sie sie gesehen hätte, wäre es in ihren Augen Ablenkungsmanöver gewesen. Ihrer Meinung nach wollte er sie so lange hinhalten, bis sie das Interesse verlor. Doch darauf konnte er warten, bis er schwarz wurde! Eher mache ich einen Handstand und fange mit meinem Arsch Fliegen, als dass diese Rechnung aufgeht! Das steht fest! Hundertprozentig!

      „Und? Wann gedenkst du, es mich wissen zu lassen?“

      „Kind, willst du nicht lieber …? Es ist besser, wir vergessen das Ganze und widmen uns wieder der Normalität.“

      Also doch, dachte Sabine, hab ich’s doch gewusst.

      Ihre Augen schossen giftige Pfeile in seine Richtung. Sie erstarrte, und für einen Moment spielte sie mit dem Gedanken, ihm an den Hals zu springen. Durfte sie so etwas denken? Er war doch ihr Vater! Doch sie war wütender als eine Raubkatze, die beim Fressen gestört wurde und entschlossen, es nicht zu verbergen. Sollte er doch merken, dass es ihr verdammt ernst war!

      „Du weißt …, du weißt doch gar nicht, was dich erwartet. Du weißt nicht, was es ist. Nur deswegen bist du so erpicht darauf. Es ist schrecklich. Du kannst dir nicht mal ansatzweise vorstellen, wie sehr du…“

      „Vater, sag es mir endlich! Sonst … sonst … sonst schwöre ich bei Gott, ich gehe durch diese Tür, verlasse dieses Haus und komme nie wieder zurück! Überleg dir, was dir lieber ist!“

      Jetzt war es heraus. Sie hatte ihn nicht erpressen wollen, und die Worte kamen ihr nur schwer über die Lippen. Aber jetzt, da sie gesagt waren, bereute sie sie nicht. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie hatte ihrem Vater das Messer an die Brust gesetzt, und nun lag es an ihm, eine Entscheidung zu treffen.

      Und er dachte tatsächlich nach – allerdings ganz anders, als Sabine es vermutete. Er wog das Pro und Contra des Vorschlages genau ab. Ja, er nannte es einen Vorschlag, denn auch ihm war der Gedanke schon gekommen. Auch er liebäugelte heimlich damit, sie wegzuschicken, sie wie einen räudigen Kojoten einfach fortzujagen. Und diese Vorstellung übte einen gewissen Reiz auf ihn aus. Er war zwar nicht besonders erpicht darauf, von seiner Tochter getrennt zu sein und sie vielleicht nie wiederzusehen (denn das brachte das Ganze ja mit sich), doch er hatte die vage Hoffnung, dass das das Beste für sie sein könnte. Vielleicht hatte sie ja so eine Chance, IHR zu entkommen? Darüber dachte er nicht zum ersten Mal nach. Oh nein, ganz und gar nicht. Doch wie immer kam er auch diesmal zu dem Ergebnis, dass damit niemandem gedient war, am allerwenigsten ihr. So wäre sie nur auf sich allein gestellt. Und SIE würde ihr zweifellos folgen. Nein, so ging es auch nicht. Dann schon lieber das Geheimnis preisgeben …

      Er war überrascht, wie viel Zeit verging, während er diese Gedanken spann. Sein Glas war schon wieder leer, er musste es ausgetrunken haben. Allerdings überraschte es ihn nicht, dass Sabine ihm noch immer gegenüber saß. Er kam sich vor wie bei einem Verhör. Sabine beobachtete jede seiner Bewegungen. Er hatte das Gefühl, dass ihre Augen sich regelrecht in sein Fleisch brannten. Für einen Moment war es so real, dass er sein verkohltes Fleisch sogar zu riechen glaubte … Was für ein Wahnsinn!

      „Könntest du wohl mein Glas nachfüllen?“

      „Also wirklich … das ist doch.“

      Jetzt war es soweit. Jetzt würde sie gleich aufspringen und ihren eigenen Vater, den Menschen, der sie gezeugt hatte, erwürgen. Doch der Drang verflog glücklicherweise wieder, und es gelang ihr schließlich sogar, ein freundliches Lächeln aufzusetzen, in dem allerdings ein Schuss Bitterkeit nicht fehlte.

      „Na schön, ich hol dir deine Brühe. Aber dann hörst du endlich damit auf, wie eine Katze um den heißen Brei rumzuschleichen. Einverstanden?“ Sie war erstaunt, wie freundlich ihre Worte klangen.

      „Ich denke, ja.“

      „Fein. Dann ist ja alles geklärt. Überleg dir schon mal, mit was du anfangen willst! Ich werde schnell wie ein geölter Blitz wieder zurück sein, und dann will ich endlich was hören! Und bitte keine Ausflüchte mehr, sonst kriege ich, glaub ich, einen Schreikrampf, bis es mir die Schädeldecke sprengt!“

      Kaum hatte sie ihren Vortrag beendet, da stand sie auch schon auf und mixte neue Drinks. Und als sie sich wenig später wieder neben ihn setzte, begann er endlich zu reden. Und im Stillen pflichtete sie ihrem Vater bei: Im Nachhinein hätte sie gern darauf verzichtet, es zu erfahren. Aber jetzt war es dafür zu spät.

      Ihr Vater nippte noch einmal an seinem Drink. Es war unmöglich zu erkennen, ob er ihm schmeckte. Ja, es schien sogar so zu sein, dass er den Geschmack gar nicht bemerkte.

      „Ich weiß nicht recht, wo ich beginnen soll …“

      „Ich würde vorschlagen, du versuchst es am Anfang“, entgegnete Sabine genervt. Sie vermutete schon wieder Ausflüchte.

      „Ja, das wird wohl das Beste sein“, antwortete darauf ihr Vater, der von ihrem Unmut nichts bemerkte.

      „Es liegt bereits ein paar Jahrhunderte zurück. Es war … es war die Zeit der Hexenverfolgungen. Du wirst davon gehört haben. Die Zeit, als jede Frau, die rotes Haar trug, Ehebruch beging, bei irgendjemandem Neid erregte oder einfach nur andere Ansichten vertrat als die Kirche, auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Ich übertreibe bestimmt nicht, wenn ich behaupte, dass das damals eine ganz schön heiße Zeit war. Zumindest für die, die verbrannt wurden.“

      „Das ist nicht dein Ernst. Du erzählst mir …“

      Doch er ließ sich nicht beirren. „Heute wissen wir natürlich, dass diese armen Frauen ein Opfer des Aberglaubens wurden. Doch, und das ist in meinen Augen das Tragische, nicht alle starben wegen dieses hirnrissigen Aberglaubens. So manche wurde ein Opfer infamer Lügen und Intrigen. Also im Großen und Ganzen fast das gleiche wie heute. Nennen wir das Kind beim Namen: Wenn jemand, wer auch immer es sein mochte, irgendeine andere Person nicht leiden konnte, aus welchem Grund auch immer, beschuldigte er sie kurzerhand der Schwarzen Magie. Damals war man mit dem Feuer schnell zur Hand – sehr zum Leidwesen der Beschuldigten.“

      „Ich verstehe nicht. Was hat das alles mit uns zu tun?“

      Er holte noch einmal tief Luft. Er wusste, dass er jetzt nicht mehr viel Zeit hatte und sich beeilen musste. Und er wusste auch, dass das Unvermeidliche bald geschehen würde.

      „Für eine ganze Reihe zänkischer Weibsbilder wurde es regelrecht zu einem Sport, jeden, den sie nicht leiden konnten, der Hexerei zu beschuldigen. Und eine von ihnen, eigentlich die Schlimmste von allen, war eine unserer Vorfahren. Sie brachte seinerzeit an die dreißig Frauen auf den Scheiterhaufen. Warum sie das tat, ist aus unseren Annalen leider nicht ersichtlich. Ich vermute aber, dass sie einfach ein gehässiges Miststück war und gar nicht anders konnte. Wenn man einmal vergaß, ihr einen Guten Morgen zu wünschen, fing sie bereits zu geifern an: Sie ist eine Hexe, sie ist eine Hexe, so helft mir doch, sie will mir das Augenlicht rauben! So ähnlich stelle ich es mir jedenfalls vor, und bestimmt liege ich damit nicht ganz falsch. Wie dem auch sei: Sie hat in ihrer Zeit bestimmt mehr Menschen den Tod gebracht als Jack the Ripper. Irgendwann aber, als sie mal wieder ihr ‘Arrgh, sie ist eine Hexe, verbrennt sie, verbrennt sie!’ runtergespult hatte, geriet sie an die Falsche. Es war genauso wie sonst, nur sollte es diesmal anders enden. Es begann schon damit, dass diese Frau nicht wie am Spieß schrie ‘Ich bin keine Hexe, ich bin keine Hexe, ihr irrt euch, ich bin keine Hexe!’ Sondern sich seelenruhig zum Scheiterhaufen führen ließ. Als wüsste sie gar nicht, wie ihr geschah. Vielleicht wusste sie es aber auch nur zu gut. In ihrem

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