TODESJAGD. Eberhard Weidner

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TODESJAGD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

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und Panik versetzt.

      Anja öffnete an ihrem Dienstcomputer den Browser und gab Club der toten Gesichter in die Suchmaschine ein. Sie erhielt jedoch keinen direkten Treffer und runzelte daher irritiert die Stirn. Wenn es diesen Selbstmordclub tatsächlich gab, dann musste er auch zu finden sein, denn wie sollte er sonst Mitglieder bekommen. Andererseits wollten die Betreiber oder Hintermänner möglicherweise gar nicht so leicht gefunden werden, weil sie nicht ins Blickfeld der Öffentlichkeit oder ins Visier der Ermittlungsbehörden geraten wollten. In dem Fall wurde die Adresse womöglich nur unter der Hand weitergegeben, sodass nur vertrauenswürdige Personen und potentielle Mitglieder sie in die Finger bekamen.

      Die Kriminalbeamtin öffnete daher am Laptop den Browser, den der vermisste Student bevorzugt hatte, und sah in der Chronik nach. Sie hoffte, dass Stumpf sie nicht gelöscht hatte. Und ausnahmsweise hatte sie sogar Glück. In der Chronik war eine Reihe von Webseiten aufgeführt, die Stumpf vor seinem Verschwinden besucht hatte. Die meisten waren uninteressant und brachten Anja nicht weiter. Doch dann entdeckte sie am unteren Ende der Liste einen Eintrag, der genau wie das Verzeichnis, in dem sie den Abschiedsbrief gefunden hatte, CdtG hieß. Wie sie inzwischen wusste, war das die Abkürzung für Club der toten Gesichter. Offenbar legten die Betreiber des Clubs viel Wert auf Diskretion und wollten keine unnötige Aufmerksamkeit bei den falschen Leuten erregen. Kein Wunder, schließlich wollten sie depressive Menschen mit einer Suicide-Challenge zum Selbstmord anspornen und anleiten.

      Anja gab die Adresse der Webseite in den Browser ihres Dienstcomputers ein.

      Bingo!, dachte sie, als sie im oberen Teil der Seite in bluttriefender Schrift die Worte Club der toten Gesichter las. Der Internetauftritt war düster aufgemacht und hauptsächlich in den Farben Schwarz, Dunkelgrau und Rot gehalten. Auf beiden Seiten der Überschrift flackerten animierte Kerzen. Darunter war ein Sarg abgebildet, den ein Kreuz schmückte.

      Subtil sieht anders aus!

      Alles – die Farben, die Bilder und die Animationen – war übertrieben, kitschig und geschmacklos. Anja hatte zwar keine Lautsprecher, konnte sich aber vorstellen, dass darüber hinaus im Hintergrund schwermütige Musik gespielt wurde. Oder Lieder, die vom Selbstmord handelten oder diesen glorifizierten. Wenn dieser ominöse Club der toten Gesichter nicht ausgerechnet im Abschiedsbrief eines Mannes Erwähnung gefunden hätte, der seit vorgestern vermisst wurde, und damit bitterernst zu nehmen war, dann hätte Anja darüber lachen können. Doch unter den gegebenen Umständen war ihr nicht danach.

      Anja scrollte die Seite nach unten und entdeckte unterhalb des Sarges mit dem Kreuz einen Begrüßungstext:

      Willkommen, Suchender, auf der Internetseite des »Clubs der toten Gesichter«.

      Bist du des Lebens überdrüssig? Siehst du keinen Sinn mehr in deinem trostlosen irdischen Dasein? Bist du auf der Suche nach Hilfestellung für deinen selbstbestimmten Freitod?

      Wenn du auch nur eine einzige dieser Fragen mit Ja beantwortet hast, dann bist du hier bei uns goldrichtig. Mit unserer »Suicide-Challenge« bereiten wir dich Schritt für Schritt geradezu spielerisch auf den Selbstmord vor. In 23 Stufen innerhalb von ebenso vielen Stunden erhältst du von unseren Todesengeln das nötige Rüstzeug, um anschließend erfolgreich dein todtrauriges Leben zu beenden.

      Alles, was du dafür tun musst, besteht darin, dich anzumelden. Mehr ist nicht nötig! Zögere also nicht länger, denn je früher du aktiv wirst und an unserer »Suicide-Challenge« teilnimmst, desto eher wirst du diese erbärmliche Existenz aus Schmerzen und Leid hinter dir lassen können und ins Licht aufsteigen.

      Umgehend nach deiner Anmeldung wird sich einer unserer erfahrenen Todesengel mit dir in Verbindung setzen, um dich unter seine Fittiche zu nehmen. Er wird dir dann auch die Spielregeln der »Suicide-Challenge« erläutern.

      Bist du dir noch nicht sicher, ob du wirklich unserem Selbstmordclub beitreten willst?

      Dann sieh doch einfach mal in unserer »Suicidal Hall of Fame« nach. Dort findest du die Bilder sämtlicher Mitglieder, die die Challenge bislang erfolgreich absolviert haben.

      Melde dich sofort an – schon nach 24 Stunden kannst auch du Teil unserer »Suicidal Hall of Fame« sein und damit gewissermaßen unsterblich werden.

      Anja schüttelte den Kopf über diesen Blödsinn. Aber anscheinend gab es tatsächlich Leute, die darauf hereinfielen. Unter Umständen würde sie anders darüber denken, wenn sie depressiv wäre oder im Moment in einem Stimmungstief stecken würde.

      Sie suchte nach einem Impressum, fand jedoch keins. Damit hatte sie auch nicht unbedingt gerechnet, und alles andere hätte sie auch verwundert.

      Außer der Hauptseite gab es nur noch zwei weitere Seiten. Eine beinhaltete ein Formular für die Anmeldung, die andere war die erwähnte Ruhmeshalle. Anja entschied sich zunächst für die zweite Alternative.

      Die »Suicidal Hall of Fame« bestand aus einem guten Dutzend Fotos. Die eine Hälfte der Aufnahmen war schwarzweiß und stammte aus Zeitungen; die übrigen waren Farbfotos. Unter keinem der Bilder, die keine bestimmte Reihenfolge oder Ordnung aufwiesen, sondern kreuz und quer auf der Seite verteilt waren, stand ein Name.

      Anja entdeckte rechts oben sofort ein Bild von Christian Stumpf. Es zeigte ihn von der Seite; er schien in ein Gespräch mit einer anderen Person verwickelt zu sein, die man aber nicht sehen konnte.

      Sie seufzte tief. Wenn man der Webseite und Stumpfs Abschiedsbrief glauben konnte, die sich auf makabre Weise ergänzten, hatte der Student die Suicide-Challenge mittlerweile erfolgreich absolviert. Das bedeutete, dass er längst tot war. Anjas Bemühungen, ihn lebend zu finden, waren daher aller Voraussicht nach von vornherein zum Scheitern verurteilt. Doch solange seine Leiche nicht gefunden worden war, wollte Anja nicht einfach aufgeben und die Hände in den Schoß legen. Stattdessen würde sie ihren Job erledigen und nach ihm suchen.

      Die Kriminalbeamtin sah sich die anderen Fotos der Reihe nach an. Beim vorletzten stutzte sie, denn die Person, die auf dem Zeitungsfoto zu sehen war, war ebenfalls eine ihrer Vermissten.

      3

      Martina Schreiber war vor fünfzehn Tagen zum letzten Mal gesehen worden. Die 54-Jährige hatte nie geheiratet und war kinderlos geblieben. Sie war Schauspielerin und bewohnte eine kleine Wohnung in München-Schwabing. Ihr Bruder Reinhard meldete sie als vermisst, nachdem sie nicht zu einem vereinbarten Termin gekommen und auch telefonisch nicht zu erreichen gewesen war.

      Reinhard Schreiber besaß zwar für derartige Notfälle einen Schlüssel zur Wohnung seiner Schwester, traute sich aber nicht, allein dorthin zu gehen. Er hatte panische Angst, er könnte ihre Leiche finden. Denn Martina Schreiber litt seit vielen Jahren unter Depressionen. Sie hatte in der Vergangenheit mehrmals geäußert, sie würde sich eines Tages das Leben nehmen. Vor anderthalb Jahren hatte sie es sogar versucht, indem sie eine Überdosis Schlaftabletten geschluckt hatte. Da sie ihrem Bruder unmittelbar davor eine E-Mail geschickt hatte, in dem sie ihren Suizid angekündigt hatte, konnte sie gerettet werden. Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus verbrachte sie auf eigenen Wunsch sechs Wochen in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie. Anschließend besuchte sie bis zu ihrem Verschwinden regelmäßig einen ambulanten Therapeuten.

      Sowohl der Bruder als auch der Therapeut hatten bis vor fünfzehn Tagen gedacht, Martina Schreiber wäre nicht mehr akut selbstmordgefährdet. Ihr spurloses Verschwinden hatte sie dann eines Besseren belehrt. Allerdings hatte die Frau dieses Mal keine E-Mail mit der Ankündigung ihres Suizids an ihren Bruder geschickt. Und es war auch kein Abschiedsbrief gefunden worden.

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