TODESJAGD. Eberhard Weidner

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу TODESJAGD - Eberhard Weidner страница 7

TODESJAGD - Eberhard Weidner Anja Spangenberg

Скачать книгу

eingeleitet, war bei ihren Ermittlungen jedoch auf der Stelle getreten. Martina Schreiber gehörte zu den Vermissten, die im wahrsten Sinne des Wortes spurlos verschwanden. Da es weder Spuren noch Hinweise gab, denen die Kriminalbeamtin aktiv nachgehen konnte, hatte sie die Akte nach kurzer Zeit auf den Stapel mit den unerledigten Fällen legen müssen. Seitdem wartete sie darauf, dass sich in dem Fall etwas Neues ergab. Insgeheim war sie allerdings stets davon ausgegangen, dass sie erst dann wieder von der Frau hören würde, wenn man ihren Leichnam fand.

      Doch nun war es doch anders gekommen. Statt ihrer Leiche tauchte ihr Bild in der sogenannten Ruhmeshalle eines Selbstmordclubs auf, über den Anja in einem anderen Vermisstenfall gestolpert war.

      Nachdem Anja den ersten Schock halbwegs verdaut hatte, sah sie sich die übrigen Fotos noch einmal genauer an. Sie entdeckte jedoch kein weiteres Gesicht, das ihr vertraut vorkam.

      Anschließend kehrte sie zur Eingangsseite zurück und überlegte, was sie jetzt tun sollte.

      Ich sollte mich selbst in diesem Club anmelden. Mal sehen, was dann passiert.

      Sie klickte den ersten Menüpunkt an und gelangte zum Anmeldeformular. Darin wurde neben ihrem vollständigen Namen und dem Geburtsdatum eine Reihe weiterer Angaben verlangt. Anja hatte allerdings nicht vor, ihre wahre Identität preiszugeben. Sie wollte sich stattdessen als fünfzehnjähriges Mädchen ausgeben. Also dachte sie sich kurzerhand einen falschen Namen aus und trug ihn in die dafür vorgesehenen Felder ein. Als Adresse gab sie ein Hochhaus in Moosach an, in dem eine ehemalige Schulfreundin gewohnt hatte. In dem Haus gab es so viele Parteien und ständige Mieterwechsel, dass die Initiatoren des Clubs der toten Gesichter schon persönlich hingehen und alle Briefkästen überprüfen mussten, um den Schwindel zu durchschauen. Bevor sie ihre E-Mail-Adresse eingab, richtete sie bei einem kostenlosen Anbieter einen neuen Account ein. Die Angabe der Telefonnummer war freiwillig. Darüber war Anja froh, denn sonst hätte sie ihre echte Handynummer verwenden müssen, was sie nicht wollte. Am Ende überprüfte sie alles noch einmal gründlich und schickte die Anmeldung dann ab.

      Die Wartezeit verkürzte sie sich, indem sie ihre anwesenden Kollegen anrief und bat, sich die Bilder in der Suicidal Hall of Fame anzusehen. Dazu diktierte sie ihnen die Adresse der Seite. Während diese damit beschäftigt waren, sah sie die Aktenstapel auf dem Schreibtisch ihres Bürokollegen durch. Denn da Braun nicht da war, konnte sie ihn nicht fragen, ob ihm eines der Fotos bekannt vorkam. Sie fand jedoch in seinen offenen Fällen keine vermisste Person, die Ähnlichkeit mit einem der Fotos auf der Internetseite hatte.

      Dann rief einer ihrer Kollegen zurück.

      »Ich habe einen Treffer erzielt«, sagte Josef Fuchsner.

      Anja rief erneut die Seite mit der vermeintlichen Ruhmeshalle auf. »Welches Foto ist es denn?«

      »Das Zeitungsfoto unten in der Mitte.«

      Anja sah es sich an. Es zeigte einen leicht übergewichtigen Mann mit Halbglatze. Anhand des körnigen Zeitungsfotos konnte sie nur schwer einschätzen, wie alt er war; sein Alter konnte durchaus zwischen vierzig und sechzig Jahren liegen.

      »Wie heißt er«, fragte Anja, während sie ihr Notizbuch öffnete und den Kugelschreiber in die Hand nahm.

      »Sein Name ist Stefan Greinwald. Fünfundfünfzig Jahre alt. Fernfahrer. Geschieden. Eine erwachsene Tochter, zu der er in den letzten Jahren allerdings kaum noch Kontakt hatte.«

      Anja notierte sich alles. »Wann ist er verschwunden?«

      »Vor zweieinhalb Wochen. Sein Arbeitgeber meldete ihn als vermisst, nachdem er nicht zur Arbeit gekommen war und man zwei Tage lang vergeblich versucht hatte, ihn zu erreichen.«

      »Und?«, fragte Anja erwartungsvoll. »Was glaubst du, was mit ihm geschehen ist?«

      »Ich ging von Anfang an davon aus, dass er sich möglicherweise etwas angetan hat. Und sein Foto in dieser sogenannten Suicidal Hall of Fame bestätigt mich nur in meiner Vermutung.«

      »Gibt es weitere Anhaltspunkte für eine Suizidversion?« Anja dachte dabei vor allem an einen Abschiedsbrief. Manchmal legten Personen, die sich umbringen wollten, aber auch ihre Testamente oder andere wichtige Unterlagen bereit, damit die Angehörigen nicht danach suchen mussten.

      »Der Mann war schwerkrank. Nachdem er vier Jahrzehnte lang jeden Tag ein bis zwei Schachteln Zigaretten geraucht hatte, bekam er vor einem halben Jahr bei einem Arztbesuch die Quittung, als bei ihm Lungenkrebs diagnostiziert wurde.«

      Anja dachte nach. Bislang waren drei der Personen in der Suicidal Hall of Fame des Clubs der toten Gesichter identifiziert worden. Alle wurden vermisst. Und bei allen stand aus unterschiedlichen Gründen der begründete Verdacht im Raum, sie könnten sich etwas angetan haben.

      Fuchsner versprach, ihr demnächst die Akte vorbeizubringen, damit sie sich selbst ein Bild des Vermisstenfalls machen konnte. Dann verabschiedeten sie sich voneinander.

      Kaum hatte Anja den Hörer aus der Hand gelegt, bekam sie den nächsten Anruf. Dieses Mal von einer Kollegin namens Sarah Neuner, die nur drei Jahre älter als sie war.

      »Du glaubst es nicht, aber ich habe einen der Vermissten wiedererkannt«, sagte sie, als könnte sie es selbst noch nicht fassen. »Es handelt sich um das Zeitungsfoto ein Stück links vom Zentrum der Seite.«

      Anja sah sich das Bild an. Es zeigte einen etwa vierzigjährigen Mann mit lockigen dunklen Haaren und einem Vollbart. »Name?«

      »Erhard Bader, neununddreißig Jahre alt. Er ist Musiker, hat aber seit Jahren keine feste Anstellung und hält sich deshalb mit Gelegenheitsjobs und Straßenmusik über Wasser. Seine Mutter meldete ihn vor zehn Tagen als vermisst. Sie hatte ihn zum Essen zu sich nach Hause eingeladen, was sie regelmäßig tut. Als er nicht kam, rief sie bei ihm an, doch er ging nicht an den Apparat. Sie fuhr anschließend zu seiner Wohnung, für die sie einen Schlüssel hat. Doch er war nicht da. Als er auch am nächsten Tag noch immer unauffindbar blieb, wandte sie sich an die Polizei.«

      »Hattest du schon eine Vermutung, was ihm widerfahren sein könnte?«, fragte Anja, hatte aber bereits eine Ahnung, was sie zu hören bekommen würde.

      »Ehrlich gesagt, tippte ich von Beginn an auf Suizid. Deshalb hat es mich auch nicht wirklich überrascht, sein Foto auf der Seite dieses komischen Selbstmordvereins zu finden. Nach Angaben seiner Mutter war er schon seit Jahren seines Lebens überdrüssig, wie sie es ausdrückte. Die große Musikerkarriere war ihm verwehrt geblieben. Außerdem gelang es ihm immer seltener, als Musiker genug Geld für seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er war auf ihre Unterstützung angewiesen, verachtete sich aber gleichzeitig dafür. Andererseits war er aber auch zu stolz, öffentliche Mittel in Anspruch zu nehmen. Im Grunde rechnete die Mutter ständig damit, dass er sich irgendwann einmal umbringt, weshalb sie sein Verschwinden auch nicht überrascht hat. Wenn man jahrelang fest mit einem Ereignis rechnet, dann ist es vermutlich sogar eine Erleichterung, wenn es schließlich eintritt, auch wenn es im Grunde furchtbar ist.«

      Während Anja noch mit Sarah Neuner sprach, klopfte es an der Tür. Lukas Brandstetter, ein zehn Jahre älterer Kollege, der im Nebenzimmer arbeitete, kam herein. Er hatte eine Vermisstenakte bei sich, sodass Anja sofort wusste, aus welchem Grund er gekommen war.

      »Ich muss Schluss machen«, sagte Anja. Sie bedeutete Brandstetter, Platz zu nehmen. »Ich komme nachher vorbei und hol mir die Akte, Sarah. Danke für den Anruf.«

      Sie legte auf und sah Brandstetter, einen etwas korpulenten Mann mit kurzen vorzeitig ergrauten Haaren und

Скачать книгу