Geschichten aus Movenna. Petra Hartmann

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Geschichten aus Movenna - Petra Hartmann Movenna

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der Moven’Am. Die Kranichsepen hatten seinen Ruhm begründet, und die Diamantlieder konnte man in den Städten Movennas an jeder Straßenecke singen hören. Die Geschichte von Rayan und Yvalir schließlich war so tief in die Herzen des Volkes eingedrungen, dass viele sie für eine alte movennische Sage hielten, und nicht für die Dichtung, die sie war. Aber erst jetzt, fühlte der alte Dichter, erst jetzt hatte er sein wahres, sein größtes Werk geschaffen, als er die neuen Verse an den heiligen Gesang anfügte. Und so die längst vergangene Zeit der Heroen mit der kräftigen Gegenwart einer neuen Epoche verknüpfte. Ein letztes Mal spielte er das Lied der Könige, dann nahm er die schwere Winterbaumharfe auf und schlug den Weg zur Stadt ein.

      Oh, er hatte es sich wahrlich nicht leicht gemacht. Niemand würde sagen können, er habe leichtfertig gehandelt oder sich gar kaufen lassen. Der Dichter kicherte leise, als er an Jorn zurückdachte. Jorn, der alte Waffenmeister Jurtaks, der schon unter Harvart gedient hatte. Ein beeindruckender Mann, zweifellos, dieser alte Kämpe in der verbeulten Rüstung, die er noch trug aus der Zeit, als er das Land erobert hatte. Zweimal erobert hatte, zuerst unter Harvart, dann ein zweites Mal als Mentor des jungen Königs Jurtak.

      Rimuric sah den Helden noch immer vor sich stehen, breitbeinig im Wohnzimmer, genau vor dem Bücherregal, vor dem er keinerlei Ehrfurcht zu haben schien.

      „Bist du der Dichter Rimuric?“, tönte seine raue Stimme in die Ohren des Sängers. „Der, den sie den Barden Movennas nennen?“

      „Es mag wohl sein, dass mich der eine oder andere so genannt hat“, entgegnete der Verfasser der Yvalir gelassen.

      Da griff der Krieger in seinen Brustharnisch hinein. „Das hier schickt dir mein König.“

      Ein prallgefüllter Lederbeutel segelte durch die Luft und schlug schwer auf dem Schreibtisch Rimurics auf. Der volle, satte Klang hatte wenig gemein mit dem Geräusch, das eine normale Poetenbörse beim Aufprall verursachte.

      „Einhundert movennische Reichstaler Königsgold“, verkündete Jorn prahlend. „Wenn du mich fragst, ein stolzer Preis für ein wenig Reimerei, aber Jurtak muss ja wissen, was er tut.“

      Da ergriff Rimuric den Beutel mit den Münzen, wog ihn gleichmütig in der Hand und warf ihn schließlich ebenso gleichmütig zum Fenster hinaus.

      „Sag deinem König“, lächelte er Jorn an, „Movennas Dichter habe keine Verwendung für mogalithisches Gold.“ Und als Jorn aus dem Haus stürzte, um den kostbaren Dichterlohn wieder aufzulesen, hatte der Barde Movennas die Tür hinter ihm verschlossen.

      Rimuric lächelte vor sich hin bei der Erinnerung an diesen Abgang des riesenhaften Moglàt. Man sollte es nicht für möglich halten, wie sich ein alter schwacher Mann bei einem solchen Fleischberg in Achtung setzen kann.

      Inzwischen hatte er sein kleines Häuschen erreicht, das ein wenig außerhalb der Mauern auf einer kleinen Anhöhe lag. Wohlgefällig glitten seine Augen über den gepflegten Vorgarten und über die vielen bunten Blumen, deren Farbenpracht auch jetzt noch, im Licht der untergehenden Sonne, eine außerordentliche Leuchtkraft hatte. Nur wenige Dichter konnten einen solchen Garten ihr eigen nennen, dachte Rimuric stolz. Und nur wenige Dichter hätten je einen Krieger wie Jorn ihrer Wohnung verwiesen. Während er die Haustür aufschloss, wanderten seine Gedanken erneut zu Jorn und zu dem Boten, der nach ihm gekommen war. Wieder kicherte er. Und dachte an Gulltong, den geschmeidigen Ratgeber Jurtaks.

      Gulltong war einen Tag später bei ihm erschienen. Noch immer glaubte der Dichter in seiner Wohnung den schweren, süßlichen Parfümgeruch wahrzunehmen, den der Moglàt hinterlassen hatte. Gulltong war ein Freund schöner Worte und kannte, im Gegensatz zu Jorn, die Schriften Rimurics sehr genau.

      „Ich habe stets den Wohlklang und die klugen Gedanken deiner Kranichsepen bewundert, Barde Movennas“, begann der Moglàt das Gespräch. Und als Rimuric bescheiden dankte, fuhr er fort: „Man hat mir erzählt, die Geschichte sei frei erfunden. Doch das habe ich nie so recht glauben wollen. Schon als kleines Kind daheim in Mogàl war ich überzeugt, dass eine große Wahrheit in den Versen verborgen lag. Ich habe lange darüber nachgesonnen, Rimuric. Und nun glaube ich, sie gefunden zu haben.“

      „In jeder großen Dichtung liegt Wahrheit verborgen“, nickte Rimuric zustimmend. „Ich freue mich, dass mein Kranich dir so viel davon geben konnte.“

      „Und dennoch erschien mir die Geschichte des Kranich um vieles wahrer als manche andere Erzählung“, lächelte Gulltong. „Du hast darin die Abenteuer eines fremden Ritters beschrieben, der aus einem sagenhaften Land im Osten nach Movenna kam. Gayol der Kranich besiegte alle Ritter des Reiches, denn er war stark und mutig. So erwarb er die Hand der movennischen Prinzessin, und nach des Königs Tod gewann er die Herrschaft über das Land und war ihm ein weiser und gerechter Fürst.“

      „Das alles wurde in den Kranichsepen berichtet, ja“, sagte Rimuric. „Aber einen historischen Gayol hat es, wie du weißt, nie gegeben. Nicht zur Zeit der sieben großen und nicht am Hof der sieben kleinen Könige.“

      „Und dennoch irrst du dich.“ Gulltong beugte sich erregt vor. „Ich spreche nicht von vergangenen Zeiten, wenn ich die Wahrheit der Kranichsepen suche. Nein, Rimuric, nicht in den alten Zeiten habe ich deinen Gayol gefunden. Als du die Verse schriebst, leitete dich ein prophetischer Geist. Nicht die Vergangenheit, sondern die Zukunft deines Landes hast du beschrieben. Jurtak ist es, den du verkündet hast. Dem ganzen Volk hast du, Jahrzehnte vor seiner Ankunft, den neuen König gezeigt, ohne es zu wissen.“

      Rimuric wich erschrocken zurück. Doch Gulltong fasste mit beiden Händen nach seinem Arm. „Sieh es ein, Rimuric. Das Ideal eines Königs, wie du es im Gayol entworfen hast, es ist nun zum Greifen nahe.“

      „Einen Eroberer und Tyrannen habe ich nicht beschrieben“, entgegnete der Barde unwillig. „Die Hände deines Königs sind mit Blut befleckt.“

      „Sicher“, gab Gulltong zu. „Er hat in den ersten Jahren ein wenig härter durchgreifen müssen. Ein neues Königreich regiert sich nicht so leicht wie ein seit Generationen ererbtes. Aber sieh dich doch um in Movenna. Jurtak ist dem Volk gegenüber nun milder und großzügiger, als es je ein König aus Surbolds Stamm gewesen ist. Recht und Gesetz genießen Achtung in unseren Landen, und das neue Gesetzbuch wird selbst von Feinden des Königs gepriesen. Du selbst, alter Mann, würdest dich kaum abends auf die Straßen Pol Movenns wagen, wäre Orsan noch König. Und nahm nicht Jurtak eine movennische Prinzessin zur Frau? Achtet er etwa nicht movennische Sitten und Gebräuche? Sicher, ein Teil von ihm wird stets ein Fremder hier im Lande bleiben. Doch sein Sohn Ardua wird einer von euch sein, Rimuric. Und das ist gut so. Schau, die sieben kleinen Könige waren kaum noch stark genug, Surbolds Volk weiter zu leiten. Mit Harvart und Jurtak strömte nun neues, frisches Heldenblut durch den morschen Stamm. Eine neue Ära der Heroen wird in Movenna heraufziehen ...“ Gulltong verstummte. Er blickte den Dichter auffordernd an.

      Auch Rimuric schwieg. Er war nicht sicher, was er von der ganzen Angelegenheit halten sollte. Seinen Ritter Gayol mit Jurtak zu identifizieren, schien ihm eine recht unpassende Deutung seiner Dichtungen. Und doch hatte die Vorstellung vom Heraufdämmern eines neuen Heldenzeitalters in Movenna etwas ungemein Verlockendes für den alten Barden. Denn waren nicht die Könige Lorman und Orsan schrecklich unpoetische Figuren gewesen? Undenkbar ein Epos über den alten Lorman oder darüber, wie Orsan in der letzten Schlacht um Movenna versagt hatte. Rimuric hatte stets daran gelitten, in einer Zeit nüchterner Interessenvertretung und Handelspolitik zu leben. Wie hatte er von ruhmreichen Schlachten geträumt in seiner Jugend, von Reiterkönigen wie Surbold. Was hätte er dafür gegeben, Barde am Hof König Eirikirs sein zu dürfen und dessen Taten zu besingen. Und Lorman und Orsan hatten die Mittel für das Heer dermaßen zusammengestrichen, dass Harvart der Einladung irgendwann einfach folgen musste.

      „Warum

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