Geschichten aus Movenna. Petra Hartmann

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Geschichten aus Movenna - Petra Hartmann Movenna

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waren. Und wie er zu allen Bewohnern Movennas freundschaftlichen Umgang pflog, so stand er auch mit Waldwohnern und Kräuterfrauen auf vertrautem Fuße und hielt gern ein Schwätzchen mit ihnen ab, wenn sie ihre Waren auf dem Markt von Pol Movenn feilboten.

      In jenen Tagen lebte eine Frau namens Achlys im Walde. Sie war die Großmutter meiner Großmutter Aeshna und verdiente sich als Pilzsammlerin ihren Lebensunterhalt. Die ganze Woche über suchte sie Braunhüte, Schmackschwämme und die seltenen Mundlinge, und am Markttag trug sie ihre Beute nach Pol Movenn und verkaufte sie dort. Und wenn du dich erinnerst, wie lange du letztens gebraucht hast, um einen Korb Braunhüte zusammenzufinden, dann wirst du mir zustimmen, dass es keine leichte Arbeit war und dass man kaum davon leben konnte.“

      Ardua nickte. Der Geruch der Salbe stieg ihm zu Kopf, und ihm war ein wenig neblig zumute in seinen Gedanken. Doch der Zauber Lournus hatte bereits begonnen, seine Wirkung zu entfalten. Die Wunde im Oberschenkel war merklich kleiner geworden. Oder bildete er sich das nur ein? Lournu massierte indessen die Salbe in sein linkes Knie ein, das sich langsam erwärmte. Beim Sturz war das Gelenk schwer geprellt worden. Wieder murmelte die Hexe ihren Spruch, aber sosehr Ardua sich auch anstrengte, die undeutlich gebrummten Worte verstand er nicht.

      „Achlys die Pilzsammlerin“, nahm Lournu die Erzählung wieder auf, „war eines Tages mit einem Korb voller Mundlinge hinunter zum Ufer der Trifta gestiegen. Sie hatte sich früh aufgemacht, denn der Weg zur Stadt war lang, und als sie zur Triftafurt kam, war sie weit und breit das einzige menschliche Wesen. Die Fischer und Fährleute schliefen noch, und auch fahrende Händler waren noch nirgends zu erblicken. Niemand war dort, der sie hätte hinübersetzen können. Doch Achlys hob den Saum ihres Rockes an, und sie wollte eben zu Fuß durch die Furt hindurch waten, als plötzlich hinter ihr Hufschlag erklang.

      Flaric war zu dieser Zeit noch ein junger Prinz, der Zaubergeschichten und Märchengestalten liebte, und er hatte, wie schon oft, die Nacht im Walde verbracht, um nach Trollen und Gespenstern zu suchen. Natürlich hatte er keine gefunden, denn es gab dergleichen nicht in unserem Wald. Vielleicht war er nicht besonders gut gelaunt deswegen, doch höflich und wohlerzogen, wie er nun einmal war, zügelte der Prinz sein Pferd, als er meine Ahnfrau erreichte, und bat sie, zu ihm in den Sattel zu steigen. Achlys war froh darüber. Denn zu dieser Zeit führte die Trifta viel Wasser, und in der Mitte des Flusses schlugen die Wellen bis an den Bauch des Pferdes herauf, doch Flaric und Achlys gelangten trockenen Fußes hinüber, und es blieb ihnen sogar Zeit für ein Schwätzchen. ‚Wie stehen denn die Waldpilze dieses Jahr?’, erkundigte Flaric sich interessiert. ‚Ich hoffe doch, die Geschäfte gehen gut?’ ‚Ach nein’, erwiderte Achlys traurig, ‚es geht gar nicht mehr gut mit dem Pilzgeschäft. Der Sommer war trocken, und was die Mäuse nicht weggeholt haben, das haben die Fliegen zerfressen. Jedesmal fällt es mir schwerer, genug Pilze zu finden. Und was ich auf dem Markt dafür bekomme, reicht kaum zum Leben. Die Zeiten sind schwer geworden, Prinz, und es ist wahrhaftig nicht leicht für eine arme Pilzfrau, sich über Wasser zu halten.’ ‚Das tut mir leid’, sagte Flaric, der ein mitfühlendes Herz besaß, und er schwieg betroffen.

      Bis sie das gegenüberliegende Flussufer erreicht hatten, dachte er nach, und er sagte kein einziges Wort dabei. Doch als er vom Pferd sprang und Achlys aus dem Sattel half, da begannen seine Augen plötzlich zu leuchten. Hatte ich schon erwähnt, dass Prinz Flaric strahlendblaue Augen hatte? Manchmal, wenn er einen guten Gedanken verfolgte, haben die Leute sogar dunkelblaue Blitze darin flackern sehen. ‚Du könntest doch nebenher ein wenig doktern’, schlug er vor. ‚Krankheiten heilen und Wunden pflegen, das soll schon etwas einbringen.’ Achlys schüttelte den Kopf. ‚Davon verstehe ich nichts.’ Aber Flaric hatte den Faden schon weitergesponnen und erklärte begeistert: ‚Nichts leichter als das. Du brauchst nur ein paar Salben. Nimm Butter dazu oder meinethalben Wagenschmiere, dann tu ein paar Kräuter hinein, das wird schon ausreichen. Anfangs musst du von selbst hingehn, wenn du hörst, dass jemand krank ist. Den reibst du mit deiner Salbe ein und murmelst dabei immer so vor sich hin: Helpt dat nich, dann schad’t ook nich. Du wirst sehen, die meisten werden wieder gesund, denn so leicht stirbt es sich nicht hierzulande. Und wenn du das ein paarmal getan hast, werden die Leute irgendwann zu dir kommen und dich holen, wenn jemand krank wird. Es wird gar nicht so lange dauern, dann musst du keine Pilze mehr sammeln und kannst von deiner Heilkunst leben.’

      Achlys, die wusste, dass Prinz Flaric am liebsten sämtliche Wälder Movennas mit Kräuterhexen und Nachtgespenstern bevölkert hätte, dankte ihm höflich für den Ratschlag und beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken. Sie verabschiedete sich also von dem jungen Mann, er stieg wieder auf sein Pferd, und beide setzten ihren Weg fort. Flaric hat meine Ahnfrau auch bald vergessen.“

      Als Lournu die Salbe in seinen aufgeschrammten Ellenbogen einmassierte, konnte Ardua deutlich verstehen, was sie da vor sich hinmurmelte. „Helpt dat nich, dann schad’t ook nich“, brummelte sie immer wieder, „hilft’s auch nicht, es schadet nicht.“ Das Kribbeln in seinem Arm war nicht unangenehm, und die Schmerzen in seinem Bein hatten inzwischen fast vollständig aufgehört.

      „Achlys hatte nicht vor, sich auf die Doktorei zu verlegen. Aber im nächsten Jahr wuchsen die Braunhüte noch schlechter, und im übernächsten hat sie auch keine Mundlinge mehr finden können. Nur Schmackschwämme wuchsen noch reichlich, aber sag selbst, was würdest du wohl ausgeben für einen Korb Schmackschwämme?

      In dieser Zeit geschah es, dass ein Schmied in Pol Movenn sich an einem glühenden Eisen verbrannte. Da warf Achlys eine Handvoll getrockneter Kräuter in einen Topf voll Butter, gab zerstoßene Schmackschwämme hinzu und vermengte das alles miteinander. Am nächsten Morgen stand sie vor der Tür der Schmiede und verlangte, die Wunde zu sehen, strich dann ihre Salbe darauf, und dabei murmelte sie leise vor sich hin: ‚Helpt dat nich, dann schad’t ook nich.‘ Daraufhin kehrte sie nach Hause zurück, und als die Zeit vergangen war, die es braucht, bis eine Brandblase verheilt, war der verletzte Schmied wieder gesund. Nur wenig später geschah es, dass an der Furt ein auskeilendes Pferd einen Kaufmann am Bein verletzte. Achlys kam zufällig herzu, und wieder strich sie ihre Salbe auf die Wunde und sagte ihren Spruch dabei, den niemand verstehen konnte. Und da Kaufleute weit herumkommen, wusste es nach einigen Jahren beinahe das ganze Land, dass unten am Fluss eine Frau hauste, die Wunden besprach und Kranke heilte. Es dauerte gar nicht lange, da kamen Verletzte von selbst zu ihr oder ließen sie durch Boten zu sich bitten. Zuerst waren es nur Bewohner Pol Movenns, die sie riefen, bald aber kamen Menschen von weither, um sich heilen zu lassen.“

      „Aber das war doch Betrug“, schimpfte Ardua.

      „Wie man es nimmt“, entgegnete Lournu. „Die Menschen wurden ja gesund, oder nicht? Tut dein Bein noch sehr weh?“

      „Nein, nicht mehr so sehr.“

      „Nun“, fuhr Lournu fort, „meine Ahnfrau jedenfalls war bald eine bekannte Heilerin, und manches wurde wohl auch bis ins Maßlose hinein aufgebauscht, je weiter man sich von Pol Movenn entfernte. Längst musste sie keine Pilze mehr sammeln, um sich zu ernähren. Aus der alten Pilzfrau war angesehene Zauberin geworden, und sie lebte nicht schlecht dabei.

      Auch Flaric war inzwischen nicht mehr der junge, unbekümmerte Prinz von damals, der in den Wäldern herum streifte und Gespenster suchte. Nach dem Tode Eirikirs war er König geworden, und da blieb nicht viel Zeit, um über Spukgestalten nachzugrübeln. In jenen Tagen legte die Handelsstadt Ura sich einen neuen Hafen an der Mündung des Lethargyrion an: Urasport, eine hübsche kleine Hafenstadt. So hatte der junge Säulenkönig seinen Hof nach Ura verlegen lassen, um die Bauarbeiten besser verfolgen zu können.“

      „Dann hat er nie erfahren, dass er die Hexenzunft begründet hat?“, warf Ardua ein. „Das ist aber schade.“

      „Man muss nicht alles wissen über die Dinge, die man geschaffen hat. Flaric hatte wichtigere Dinge zu bedenken, da blieb keine Zeit für Geschichten von Kräuterhexen und Nachtgespenstern. Frag einmal deinen Vater den König, ob er noch Zeit zum Träumen hat. Flaric

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