Geschichten aus Movenna. Petra Hartmann

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Geschichten aus Movenna - Petra Hartmann Movenna

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heftig den Kopf und bereute die Bewegung sofort, als der Wind in die Wunde auf seiner Wange griff, eine winzige glührote Brandwunde mit fünf schmalen Fingern wie von einer sehr kleinen Hand. Aber er bemühte sich, tapfer zu lächeln.

      „Das ist gut“, seufzte die Hexe. „Zwergenwunden heilen nie.“

      Sie half ihm vorsichtig beim Aufstehen und tastete seine Arme und Beine ab. „Für das andere habe ich Salben. Wir werden dich schon wieder in Ordnung bringen, kleiner Prinz.“

      Ardua winkte ab. „Später“, sagte er. „Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich vorher noch gern dein Pfefferkuchenrezept lernen. Ich fürchte, ich habe beim letzten Mal nicht richtig aufgepasst.“

      Gestützt auf die alte Waldhexe hinkte Ardua auf dem unebenen Schotterweg zurück zum Hexenhaus, und zum ersten Mal in seinem Leben hatte er dabei das Gefühl, nach Hause zu kommen.

      Flarics Hexen

      „Aaaaaaaaaaaaaaaaauuuuuuuuuuuuuuuuaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah!!!“ Ardua schrie auf vor Schmerz, als die alte Hexe ihn berührte. Mit grausamer Präzision schienen die faltigen Hände genau die Stelle erspüren zu können, die am furchtbarsten wehtat. Blut sickerte aus seinem Oberschenkel, verkrusteter Steinstaub und Dreck lösten sich viel zu langsam.

      „Ja, heul du nur“, brummte Lournu mitleidlos und fuhr mit dem feuchten Lappen erneut über die Wunde. „Was läufst du auch nachts in den Bergen herum, dummer Junge.“

      Ardua sog die Luft durch die zusammengebissenen Zähne ein. „Ich hab – autsch! – ich hab einen Zauberspruch ausprobiert – aaah!“

      „So, Zauber also“, kommentierte Lournu trocken und goss eine scheußlich brennende Flüssigkeit über sein Bein aus.

      „Das –“, gurgelte Ardua, „– das hast du mit Absicht getan.“

      Doch Lournu schraubte unbewegten Gesichts die räuchernde Tranfunzel etwas höher, die das Hexenhaus mehr schlecht als recht beleuchtete. „So, nun zeig das Bein nochmal her, kleiner Prinz, wir wollen sehen, was wir noch darauf tun können ...“

      Ardua fuhr zurück. Wütend stampfte er mit dem Fuß auf, eine Bewegung, die er sofort bereute. Lodernder Schmerz trieb ihm die Tränen in die Augen. „Nein“, brach es aus dem jungen Prinzen hervor. Schmerz und Empörung ließen seine Stimme fast umkippen. „Jetzt ist es genug. Du bringst mir keine Zaubersprüche bei, du erklärst mir nicht, wie man mit Zwergen redet, und mit dem Besen lässt du mich auch nicht fliegen. Denkst du vielleicht, mein Vater hat mich hergeschickt, damit du mich hier zu Tode folterst, du altes Nachtgespenst? Unterrichten sollst du mich, ja. Mich zu einem guten König machen, ja. Aber du sollst mich nicht umbringen.“

      Lournu zeigte keine Regung. Nur wer die zerfurchten Gesichtszüge der Alten sehr gut kannte, hätte ein amüsiertes Lächeln im Winkel des linken Auges entdecken können, als sie entgegnete: „Nachtgespenster gibt es nicht. Und du kannst froh sein darüber.“ Leise, sodass Ardua es nicht verstehen konnte, setzte sie hinzu: „Die können nämlich sehr gefährlich werden.“ Das Lächeln verschwand, als sie knurrte: „Außerdem gibt es keine Zauberei, obendrein bist du sowieso viel zu abergläubisch dazu und viel zu ungeduldig. Man kann nicht einfach ins Gebirge hineinlaufen und irgendeinen Spruch aufsagen, den man nicht einmal verstanden hat. Schau dir doch an, was dabei herauskommt.“

      Ardua senkte schuldbewusst den Kopf. Arme und Beine waren zerschunden, rohes Fleisch lag offen, und obwohl Lournu beim Reinigen der Wunden nicht eben zimperlich gewesen war, konnte man doch noch überall den feinen Steinstaub des Schottergebirges finden, der sich tief in den Muskel hineingefressen hatte. Nicht einmal Jorn, der alte Waffenmeister des Königs, hatte jemals nach einer Schlacht so ausgesehen. Und Jorn war immer genau dort zu finden, wo die Hiebe am dichtesten fielen.

      „So“, sagte Lournu, „und jetzt gib mir den Topf dort. Die Wunden werden sich entzünden, wenn sie nicht behandelt werden. Das willst du doch nicht, oder?“

      Gehorsam hinkte Ardua zu dem baufälligen Regal hinüber und fand zwischen Trockenblumen und halbleeren Flaschen ein Töpfchen aus ungebranntem Ton. Er hob den Deckel, schnupperte misstrauisch und schloss das Gefäß sofort wieder, als sich der ekelhafte Geruch von ranziger Butter ausbreitete.

      „Schon recht“, lächelte Lournu. „Alles hat seinen Nutzen, auch wenn es nicht besonders gut riecht.“

      Ardua zögerte. Doch das Brennen in seinem Bein war schwerer zu ertragen als der Gestank, so trug er das Töpfchen zu Lournu hinüber.

      „Brav“, lobte die Alte. Sie tunkte den Finger hinein, schnupperte und verzog angewidert das Gesicht. „Riecht wirklich schlimm“, gab sie zu. „Aber es wirkt, glaub mir. Wenn auch nicht allzu viel Zauberei darin ist. Nur ein bisschen.“

      „Erklärst du es mir?“, bat Ardua. „Zeigst du mir wenigstens den Heilzauber? Für einen zukünftigen König ist das eine nützliche Kunst.“

      „Das kann ich tun“, brummte Lournu versöhnlich. Sie drückte ihn auf seinen Holzschemel nieder und rührte vorsichtig mit dem Finger in der Salbe. Dann strich sie eine schmale Spur der Substanz über seinen Oberschenkel. „Es gehört eine Geschichte dazu“, murmelte sie. „Die Geschichte vom Ursprung der Waldhexen, die du für so üble Nachtkreaturen hältst. Das Rezept für die Salbe stammt aus der Zeit, als die Waldfrauen das Zaubern lernten. König Flaric war es, der die Magie in Movenna einführte, und er gilt als der Begründer der Hexenzunft.“

      „Das ist einer von den Kleinkönigen, nicht wahr?“, unterbrach Ardua. „Ich habe immer gedacht, die sieben kleinen Könige hätten gar nichts geleistet in Movenna.“

      „O was das angeht, war Flaric ein mindestens ebenso großer König wie sein Vater Eirikir. Es gab bloß zu seiner Zeit keine Kriege mehr, da konnte er sich nicht so gut mit Ruhm eindecken wie seine Vorfahren. Jedenfalls war von den Kleinkönigen Flaric der größte. Das glauben nicht nur die Waldhexen.“

      Mit den Fingerspitzen verteilte sie die Salbe auf Arduas Bein. Sie ging nun bedeutend sanfter vor als beim Reinigen der Wunde, und auch der Gestank schien ihm nach und nach erträglicher zu werden. Dunkle Schatten huschten über die Wände des Zimmers, kicherten leise in den Regalen, und hinter der Fensterscheibe glaubte er, Waldgeister grimassieren zu sehen. Ardua lächelte zufrieden. Bei allem Spuk um sie herum, das eine hatte er längst gelernt, dass man nämlich nirgends auf Erden geborgener sein konnte als im Haus einer Hexe, die Geschichten erzählte.

      „Flaric war ein freundlicher Mann“, fuhr Lournu fort. „Künste und Wissenschaften blühten an seinem Hofe, und fast alle bedeutenden Bauwerke der Stadt Pol Movenn sind während seiner Regierungszeit entstanden. Manche nennen diese Zeit auch das Goldene Zeitalter Movennas, und Flaric, den großen Baumeister, nennen sie den Säulenkönig. Er hat aber auch die Universität von Vitta gestiftet. Alles in allem ein wirklich bemerkenswerter König.“

      Lournu beugte sich über die Wunde und flüsterte einige Worte in der alten Sprache Movennas vor sich hin. Ardua konnte sie nicht verstehen, doch breitete sich daraufhin ein angenehm warmes Gefühl in seinem Bein aus. Es musste ein sehr mächtiger Zauberspruch gewesen sein, und er war begierig darauf, ihn zu lernen.

      „Ein freundlicher König war Flaric“, wiederholte Lournu, und mit einem Seitenhieb auf Ardua fügte sie hinzu: „gar nicht so wie heutige Könige. Oft sah man ihn durch die Straßen Pol Movenns schlendern, und sehr gern streifte er durch die Uferwiesen unten an der Trifta, wo sie den Waldrand berührt. Denn er liebte den Fluss und die Menschen, die an ihm lebten. Auch liebte

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