Gefahren - Abwehr. Jürgen Ruhr
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„Ja, wunderbar“, seufzte ich, „ich freue mich auch die Nervensäge Weser wiederzusehen. Der Alte ist ein Nagel zu meinem Sarg. Erinnerst du dich noch, wie Christine durch seine Schuld den schweren Unfall hatte?“
„Ja natürlich. Aber es hat ihm auch sehr leidgetan und im Grunde war es ja nur eine Verquickung von unglücklichen Umständen. Du solltest nicht so streng mit dem alten Herrn sein. Wir haben alle unsere Macken ...“
„Hmm“, brummte ich nur, da der Praktikant in diesem Moment zu uns trat. Der junge Mann trug jetzt ein dunkelblaues Sportsakko, auf dem ein dezentes Yachtclubemblem prangte. Die Hose war farblich auf das Sakko abgestimmt und verfügte über einen legeren Schnitt. So stellte ich mir einen jungen Protzschnösel vor und als ich die ebenfalls blauen Bootsschuhe an seinen Füßen sah, konnte ich mir ein Grinsen nicht verkneifen. Ich spürte schon förmlich, wie der biestige Weser sich über dieses Outfit lustig machen würde. Eine gewisse Vorfreude stieg in mir auf.
II.
Gisbert stellte sich als ein ruhiger Geselle heraus, der kaum ein Wort zu viel verlor. Vielleicht lag es aber auch daran, dass meine Laune in Hinblick auf die Begegnung mit Weser schon nach kurzer Zeit fast am Nullpunkt anlangte und ich auch keinen Hehl daraus machte. Da half auch die Vorfreude auf Wesers Bemerkungen bezüglich des Praktikantenoutfits nichts.
Ich klingelte erneut und blickte auf meine Uhr. Zehn Uhr achtundfünfzig. Wir waren pünktlich. Aber niemand öffnete. Befand sich Weser überhaupt im Haus?
Ich blickte an dem alten Fachwerkhaus hoch, das mit der Giebelseite an einem kleinen Fußweg stand. Zur Straße hin schottete eine ungepflegte überdimensionierte Mischhecke das Grundstück ab. Alles sah immer noch so ungepflegt aus, wie ich es in Erinnerung hatte. Bei Weser schien die Zeit stillzustehen. Einmal, als Chrissi und ich, wegen Recherchen hier bei ihm gewesen waren, hatte der alte Mann aus einem der oberen Giebelfenster geschaut und uns beobachtet. Aber diesmal stand dort kein Herr Weser. Alles schien verlassen und leer. Hatte der Mann unseren Termin vergessen?
Wieder drückte ich den Klingelknopf und wartete eine Weile.
Und wieder geschah nichts. Inzwischen rückte der große Zeiger meiner Uhr bedenklich auf die Fünfzehn. Offensichtlich war der alte Mann wirklich nicht zu Hause.
„Wir verschwenden nur unsere Zeit“, knurrte ich und meine Laune sank weit unter den Nullpunkt.
„In magnis et voluisse sat est“, meinte mein junger Praktikant und grinste mich an. Fast hätte ich ihm gezeigt, was ein echter Uppercut ist, erinnerte mich dann aber an Bernds Worte und fragte lediglich: „Was für eine magische SAT?“
Gisbert lachte und wiederholte: „In magnis et voluisse sat est. Das bedeutet: Im Großen ist es auch genug, gewollt zu haben. Wir haben es halt versucht ...“
Ich stöhnte auf. Wen interessierte jetzt schon dieser dämliche lateinische Quatsch? „Klugscheißer“, gab ich von mir und sprach diesmal wesentlich lauter und deutlicher als zuvor im Krav Maga Studio. Jennifer sollte schnellstmöglich ihren Besserwisser - Praktikanten zurückerhalten. Ich plante gerade zum Studio zurückzufahren und Gisbert dort abzuliefern, als sich mir ein Gewehrlauf in die Schulter drückte. Das Gefühl hielt nur wenige Sekunden an, dann vernahm ich eine Stimme hinter mir: „Wollen sie zu mir? Ich bin nicht zu Hause.“
Langsam drehte ich mich um, immer darauf gefasst in die Mündung einer Waffe zu blicken. In Gedanken ging ich alle Arten von Langwaffen durch, die in Frage kommen könnten. Die Berührung fühlte sich ungewöhnlich an. Es musste sich um eine großkalibrige Waffe handeln, vermutlich sogar um eine Schrotflinte. Wer um alles in der Welt lief hier am helllichten Tag mit einer Schrotflinte durch die Straßen?
Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass sich mein zwangsläufiger Partner ebenfalls umdrehte, wobei er wesentlich sorgloser wirkte als ich. Aber Gisbert war ja auch kein ausgebildeter Detektiv und Personenschützer. Während der Drehung hob ich langsam meine Hände auf Schulterhöhe, um keine voreilige Aktion zu provozieren.
‚Privatdetektiv am helllichten Tag von durchgeknalltem Amokläufer erschossen‘, sah ich die Schlagzeile in den Medien schon vor mir. Dann erblickte ich in vielleicht einem Meter Entfernung einen alten, dicken Mann, der sich auf seinen Gehstock stützte.
Herr Weser.
Rasch nahm ich meine Hände wieder herunter und schielte zu dem Praktikanten. Gut, der hatte mein Verhalten zum Glück nicht mitbekommen und grinste jetzt den alten Mann freundlich an.
„Potius sero quam numquam“, gab er immer noch grinsend von sich und blickte dann zu mir herüber: „Lieber spät als niemals“, übersetzte er dann freundlicher Weise und erntete von mir nur ein böses Knurren, gefolgt von einem leisen ‚Oberklugscheißer‘, was Weser aber nicht hören konnte. Ich kannte ja dessen Art und wollte den Alten nicht jetzt schon verärgern.
Plötzlich drang Wesers Stimme an mein Ohr: „Also, was ist? Sind sie stumm oder sprechen sie unsere Sprache nicht? Ich bin nicht zu Hause. Wollen sie jetzt zu mir oder nicht?“
Ich fasste mich. Einem ausgebildeten Krav Maga Kämpfer, Privatdetektiv und Personenschützer fällt es nicht schwer, eine Situation von einer Sekunde zur anderen zu erfassen und angemessen zu reagieren.
„Herr ... Herr Weser, also ich ... ich, also“, begann ich, wurde aber von meinem voreiligen Praktikanten unterbrochen.
„Guten Tag, Herr Weser. Natürlich wollen wir zu ihnen.“
Weser beäugte uns misstrauisch. „Wer sind sie überhaupt? Glauben sie denn, es kann jeder so einfach zu mir wollen? Dazu brauchen sie einen Termin. Sind sie von einer Sekte, oder wollen sie mir etwas verkaufen?“
Bevor Gisbert mir jetzt wieder über den Mund fahren konnte, erklärte ich schnell: „Sekte, also eher ...“
„Mit Sekten will ich nichts zu tun haben“, unterbrach mich der Alte und hob drohend den Stock, den ich zuvor für eine Schusswaffe gehalten hatte. Aber wie ich als Kämpfer ja wusste, konnte auch ein Stock zur gefährlichen Waffe werden ...
„Nein, wir sind von keiner Sekte und wir wollen ihnen auch nichts verkaufen“, erklärte Gisbert jetzt und mir gingen zum ersten Mal konkrete Mordgedanken durch den Kopf. Was bildete sich dieser siebzehnjährige Schnösel eigentlich ein? Ich war hier der Chef und er lediglich der Praktikant. Er sollte zuhören, beobachten und lernen und nicht seinem Chef ins Wort fallen. Ein böser Blick von mir sollte Gisbert zur Ruhe bringen. Jetzt konnte er einmal beobachten, wie man mit so schwierigen Menschen wie diesem Herrn Weser umgehen musste.
„Herr Weser! Wir sind von keiner Sekte und wollen ihnen auch nichts verkaufen“, begann ich meine kurze Erklärung, wurde von dem dicken Alten aber direkt wieder unterbrochen.
„Ja, das sagte dieser adrette junge Mann schon. Sind sie ein Papagei, dass sie ihm alles nachquatschen?“ Weser lachte meckernd: „Sie in ihrer hellblauen Hose und der grünen Jacke sehen wirklich so aus wie ein Paradiesvogel. Fehlt noch ein Wenig Gelb oder Rot ...“
„Mein Name ist Gisbert Orbach“, drängte sich der Grünschnabel wieder in den Vordergrund und wagte es sogar dem Alten seine Hand hinzuhalten. Doch jetzt wurde es mir zu viel. Ich drückte seinen Arm herunter und hielt nun meinerseits Weser die Hand hin.