Gefahren - Abwehr. Jürgen Ruhr

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jetzt erkenne ich sie an dem dämlichen Grinsen. Herr Läkters. Sie haben da aber etwas im Gesicht, was sie ziemlich fremd aussehen lässt ... Und was soll das mit dem Argusauge sein?“

      „Detektei Argus“, erklärte ich und bekam wieder dieses mir bekannte Gefühl, das zwischen Ohnmacht und Wut rangierte. Erleichterung würde mir nur der Tod des Alten verschaffen.

      „Aber können wir nicht erst einmal in ihr Haus gehen? Wir müssen doch nicht alles hier auf der Straße besprechen.“

      Wieder blickte mir Weser ins Gesicht. Es vergingen einige schweigende Minuten, dann schüttelte er den Kopf: „Was wollen sie in meinem Haus? Und außerdem ist das hier keine Straße, sondern ein Gehweg. Was wollen sie überhaupt von mir?“

      Immer noch stand ich mit dem ausgestreckten Arm vor ihm, zog aber schließlich meine Hand zurück. In diesem Moment wollte Weser allerdings danach greifen und meinen freundlichen Gruß erwidern, griff allerdings ins Leere.

      Gisbert, der wohl nur auf diese Gelegenheit gewartet hatte, ließ seine Hand wieder vorschnellen und schüttelte nun seinerseits die Pranke des alten Mannes. „Wir sind wegen ihres Koffers hier“, erklärte er und schwebte jetzt nahe vor dem Punkt, an dem ich ihn niederschlagen würde. Bernd hin oder her.

      „Mein Koffer? Was ist mit meinem Koffer?“, fragte Weser und blickte irritiert von einem zum anderen.

      Gisbert, der sich offensichtlich kein bisschen um das Verhältnis Chef und Praktikant scherte, erklärte nun geduldig: „Ihnen ist doch am Flughafen Düsseldorf ein Koffer abhandengekommen und sie haben unseren Chef, Bernd Heisters, angerufen, dass wir ihnen bei der Wiederbeschaffung behilflich sind.“

      Jetzt war eigentlich der Moment gekommen, in dem ich meinen treuen Revolver zücken und diesen penetranten Praktikanten erschießen sollte. Doch ich hielt mich zurück und verfluchte lediglich im Stillen Bernd, der mir dieses Bürschchen aufgebürdet hatte.

      „Ja, mein Koffer“, vernahm ich Wesers Stimme. „Aber warum kommen sie nicht mit mir ins Haus? Wir müssen doch nicht alles hier auf der Straße besprechen. Warum sagen sie denn nichts, Herr Lumpers? Sie scheinen durch geistige Abwesenheit zu glänzen!“

      „Gehweg“, stieß es aus mir hervor. Eigentlich wollte ich das gar nicht sagen.

      „Gehweg?“, echote Weser fragend und ich nickte: „Gehweg. Nach ihren eigenen Worten ist dies keine Straße, sondern ein Gehweg.“

      Weser nickte und kramte umständlich in seinen Taschen: „Ja natürlich, Gehweg. Wieso reden sie auch immer von Straße, Leppers?“

      Ich stöhnte, während Weser das alte Tor aufschloss, das endlich den Weg zu seinem Haus freigab. Die wild wuchernde Hecke und das Tor machten aus dem kleinen Grundstück den idealen Hochsicherheitstrakt.

      „Nun kommen sie doch endlich herein, ich kann das hier ja nicht ewig aufstehen lassen“, murrte der alte Mann und schloss anschließend hinter uns sorgfältig wieder ab. Sollte jemand versuchen einzubrechen, so würde derjenige sich die Zähne daran ausbeißen.

      Endlich führte Weser uns in das Wohnzimmer. Wieder entrang sich meiner Kehle ein Stöhnen. Seitdem ich das letzte Mal hier gewesen war, hatte sich nichts verändert: Immer noch dominierten die klobigen und aus der Mode gekommenen Eichenmöbel den Raum. Ich blickte mich um. Nein, etwas war anders. Ich rieb mir die Augen. Wesers Fernseher, der auf einem kleinen Schränkchen gegenüber der Sitzecke stand, war damals schon antiquiert gewesen. Jetzt aber prangte an dem Platz ein ziemlich großes Röhrengerät, das schon bessere Zeiten gesehen hatte. Im Zeitalter von Flachbildgeräten, HDTV und curved Fernsehern war das hier eine echte Antiquität.

      Weser bemerkte meinen Blick und meinte stolz: „Ja, da stauen sie, was Lüllers? Das ist ein siebenundzwanzig Zoch Gerät, also neunundsechzig Zentimeter in der Dogalen. So etwas hat nicht jeder ...“

      „Das stimmt“, gab ich zu, „so etwas hat nicht jeder. Heutzutage nicht mehr.“

      Gisbert, der inzwischen auf einem Sessel Platz genommen hatte, konnte sich natürlich einer Bemerkung nicht enthalten: „Sie meinen bestimmt Zoll, Herr Weser. Und neunundsechzig Zentimeter in der Diagonalen. Das ist von schräg unten links nach schräg oben rechts. Oder von schräg oben links nach schräg unten rechts, oder von schräg oben rech...“

      „Ja danke Mister Superklugscheißer“, unterbrach ich den Praktikanten. „Das wissen wir alles selber!“

      Gisbert sah mich merkwürdig an, fuhr aber in seinen Ausführungen ungerührt fort: „Und neunundsechzig Zentimeter sind exakt siebenundzwanzig Komma eins - sechs - fünf - vier Zoll.“

      Ich kochte. Wir waren nicht hier, um über Uraltfernseher zu debattieren, sondern um diesen dämlichen Koffer wiederzufinden. „Gisbert, das interessiert wirklich niemanden.“

      Weser schüttelte den Kopf: „Doch, Herr Leuckes, das ist hochinteressant. Ich bin ja froh, endlich einmal mit einem Fachmann zu sprechen. Offensichtlich sind sie auch großer Fernsehfan, Herr Orbach!?“

      „Ich werde zwar bald Rechtswissenschaften studieren, interessiere mich aber für jegliche Technik. So wie es vielleicht jeder halbwegs an seiner Lebensumgebung interessierte Mensch auch tun sollte“, strunzte der Praktikant und bekam im Geiste von mir den Titel ‚Mister Superschleimer - Besserwisser‘.

      „Sehen sie, Herr Lümpels, da sollten sie sich ein Beispiel dran nehmen“, wandte Weser sich jetzt an mich und lächelte gleichzeitig dem jungen Mann zu. „Selbst ich als alter Mann verfüge ja über fundiertes Technikwissen!“

      „Nec me ulla res delectabit, licet sit eximia et salutaris, quam mihi uni sciturus sum“, gab Gisbert jetzt mit einem Grinsen von sich. „Das heißt so viel wie ...“

      Weser wedelte mit der Hand: „Warten sie, warten sie.“ Er hob den Blick zur Decke und ich folgte ihm mit den Augen. Eine lustige Girlande aus Spinnweben schaukelte leicht hin und her.

      Die Sekunden vergingen.

      „Ich hab‘s“, gab Weser schließlich von sich. „Nichts Edles und Heilsames bereitet mir allein Freude und Wissen.“

      „Fast richtig, lieber Herr Weser“, bestätigte Gisbert. „Genau übersetzt heißt es aber: Nichts, und sei es noch so edel und heilsam, kann mir Freude bereiten, wenn ich es für mich allein wissen soll.“

      „Bravo, junger Mann“, begeisterte sich Weser. „Wie ist es aber hiermit: Fas est et ab hoste doceri?“

      Gisbert blickte nun ebenfalls zur Decke, brauchte aber nur einen Bruchteil der Zeit, die Weser zum Überlegen genutzt hatte. „Recht ist es, auch vom Feind zu lernen“, übersetzte er schließlich mit einem breiten Grinsen.

      „Bravo, bravo! Ganz ausgezeichnet, junger Mann. Sie scheinen ihre Hausaufgaben aber gemacht zu haben. Und dieser hier: Istis dice…“

      „Halt, halt“, unterbrach ihn der Praktikant, „jetzt bin ich dran: Non vitae sed scholae discimus.“

      Weser klatschte lachend in die Hände. Diesmal blickte er nicht zur Decke und zu seinen Spinnweben, sondern lieferte direkt die Lösung: „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir. Aber wer hat’s gesagt? Nun, junger Mann, wissen sie das auch?“

      „Natürlich. Das Zitat stammt von Lucius Annaeus Seneca.“

      „Ausgezeichnet,

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