Gefahren - Abwehr. Jürgen Ruhr
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Weitere Übungen folgten und die Zeit schritt voran. In dem Moment, als ich enttäuscht dachte, dem Praktikanten heute keine Lektion mehr erteilen zu können, wandte Dozer sich um.
Das war die Gelegenheit für mich!
Wir übten gerade das sogenannte ‚Fußfegen‘ - wie Dozer zuvor erklärt hatte, hieß der Wurf ‚De-Ashi-Barai‘ - in teilweiser Ausführung, so dass niemand zu Fall kam und dieser Judowurf nur angedeutet wurde. Ich aber würde dem Praktikantenbürschchen jetzt einmal die volle Wucht der Übung zeigen. Der Junge sollte ja schließlich etwas lernen!
Diesmal griff ich etwas härter zu und fasste seine linke Schulter mit meiner rechten Hand noch bevor Gisbert begriff, wie ihm geschah. Dann vollführte ich mit meinem rechten Fuß einen Schwinger, der ihm seine beiden Beine unter dem Körper wegziehen würde.
Ich weiß nicht, ob Gisbert etwas geahnt hatte oder ob mir ein Fehler unterlaufen war. Jedenfalls befanden sich seine Beine nicht dort, wo sie eigentlich hingehörten und mit einem lauten Krachen landete ich auf der Matte. Schmerzhaft schlug mein Kopf auf und vor meinen Augen tanzten Sterne.
Dann sah ich Dozer, der sich über mich beugte: „Jonathan, ich habe vorhin doch erklärt, dass wir zunächst ohne Körperkontakt üben.“ Er wandte sich an Gisbert: „Sehr ordentlich. Gut reagiert.“
Ächzend erhob ich mich und blickte Dozer an. „Ich ... ich habe do...“
„Doch, Jonathan, hast du“, unterbrach er mich. „Ich sah zufällig, wie du Gisbert die Beine wegziehen wolltest. Was ich dir aber vorhin mitteilen wollte, als du mich einfach unterbrochen hast: Gisbert trägt den schwarzen Gürtel in Judo.“
Der Praktikant lächelte und meinte bescheiden: „Ich habe aber lediglich den zweiten Dan, den Nidan. Vielleicht kann ich ja bei euch weiter mittrainieren und auch entsprechende Prüfungen machen. Vivere militare est.“
Dozer grinste: „Leben bedeutet kämpfen. Stammt das Zitat nicht von Seneca?“
Gisbert nickte.
Gut, dass die Trainingsstunde vorüber war.
Bernd traf ich nach dem Duschen in unserer Bibliothek, die direkt neben einem Innenhof, dem Atrium, lag. Er saß mit Sam, Birgit und Gisbert an einem Tisch, auf dem verschiedene Fruchtsäfte standen. Nach dem anstrengenden Training freute ich mich auf einen kühlen Orangensaft. Aber zunächst begrüßte ich Birgit und Sam.
„Jonathan, schön dass du wieder aus dem Urlaub zurück bist“, meinte Sam und betrachtete mein Gesicht. „Was ist das denn? Ein Vollbart. Ist dein Rasierer kaputt?“
Und Birgit, die mit ihren rot und blau gefärbten Haaren recht flippig aussah, konnte sich einer Bemerkung ebenfalls nicht enthalten. „Johni, die Matte im Gesicht steht dir gar nicht. Aber dafür hast du ja kaum noch Haare auf dem Kopf ... Hast du dir deswegen den Bart wachsen lassen?“
Seitdem wir nach unserem letzten Auftrag wieder hier in Mönchengladbach angelangt waren und sie ihre ursprünglich kastanienbraunen Haare wieder durch die grässliche Färbung verunstaltete, nannte sie mich auch wieder ‚Johni‘. ‚Jon‘ wollte ich genannt werden - was allerdings niemand tat - aber auf gar keinen Fall ‚Johni‘.
„Der Bart steht mir“, erwiderte ich trotzig. „Und die Haare passen zu meinem Beruf. Militärisch kurz halt!“ Mit Schwung goss ich mir ein Glas Orangensaft ein und freute mich auf das angenehm kühle Getränk. Rasch nahm ich einen Schluck und spürte im selben Moment, wie sich ein paar Barthaare zwischen Glasrand und Lippe schoben. Schon tropfte goldgelber Saft auf mein Hemd und hinterließ dort einen kleinen Fleck.
Die drei am Tisch grinsten und blickten auf meine nasse Hose.
„Irgendetwas ist merkwürdig an dir“, meinte Bernd und auch Sam nickte.
„Da war ein Fleck auf der Hose“, erklärte ich.
„Und deswegen ist jetzt das komplette Kleidungsstück nass?“ Bernd schüttelte den Kopf. „Aber du kannst ja jetzt auch dein Hemd auswaschen, dann siehst du wirklich so aus, als wärst du in einen Bach gefallen“, lachte er, wurde aber sogleich wieder ernst. „Birgit kommt mit ihrem Fall leider nicht weiter. Vielleicht kann Jonathan in den nächsten Tagen verdeckt Birgits Aufgabe übernehmen, wenn die Sache mit Wesers Koffer erledigt ist. Ich befürchte, dass die Täter, die die Damen vom Ordnungsamt angegriffen haben, sich nur bestimmte Opfer aussuchen und Jonathan könnte eine von ihnen beschatten. Birgit wird aber weiterhin als Politesse herumlaufen und Knöllchen verteilen. Irgendwann müssen uns diese Leute doch auf den Leim gehen!“
„Ja, ich könnte übermorgen schon damit anfangen“, ereiferte ich mich und dachte daran, dass der unsägliche Praktikant endlich zu Jennifer zurückkehren könnte. „Dann kann ja ...“
„Natürlich zusammen mit Gisbert“, nahm Bernd mir jede Hoffnung auf ruhige Arbeitstage. „Aber zunächst kümmert ihr euch um den Koffer und fahrt mit dem Zug zum Flughafen, die Bahnkarten liegen schon bei Jennifer. Vergesst nicht, sie mitzunehmen, wenn ihr gleich Feierabend macht!“
„Causa finita est“, ließ sich der Praktikant auch direkt vernehmen und blickte grinsend in die Runde.
Wie aus einem einzigen Mund ließen Bernd, Sam und Birgit die Übersetzung verlauten: „Die Sache ist entschieden!“
IV.
Am nächsten Morgen trafen der Praktikant und ich uns auf dem Bahnsteig des Rheydter Hauptbahnhofs. Unser Zug sollte um acht Uhr dreißig hier abfahren und eine Stunde später würden wir am Flughafen ankommen. Allerdings mussten wir zwischendurch am Düsseldorfer Hauptbahnhof umsteigen und mit der S-Bahn weiterfahren.
„Guten Morgen Jonathan. Avis matutina vermem capit“, begrüßte mich mein Gehilfe höflich und meine gute Laune war schlagartig verschwunden. Wer wollte schon in aller Frühe auf einem verdreckten Bahnsteig mit dämlichen lateinischen Sprüchen begrüßt werden?
„Morgen“, brummte ich und fügte hinzu: „Ja, ja matu matu Wermut, kapiert. Hast du alles dabei? Wesers Vollmacht und deine Fahrkarte?“
Gisbert sprudelte vor Eifer quasi über und während er nach dem Zug Ausschau hielt, nickte er heftig. „Klar Chef. Alles dabei. Es heißt aber: Avis matutina vermem capit - der frühe Vogel fängt den Wurm.“
„Na, dann guten Appetit“, meinte ich sarkastisch, „bei deinem Würmerfrühstück ...“
Zum Glück fuhr in diesem Moment der Zug in den Bahnhof ein und der Lärm unterband jedwede weitere Konversation. Wir suchten uns einen freien Platz und um weiteren Diskussionen mit dem jungen Mann zu entgehen, lehnte ich mich zurück und schloss die Augen.
„Jonathan, aufwachen“, drang die Stimme des Jungen an mein Ohr, während er meine Schulter rüttelte. „Wir müssen aussteigen, Düsseldorf Hauptbahnhof!“
Die S-Bahn erreichten wir im letzten Moment und endlich, eine halbe Stunde später, suchten wir im Flughafen schon nach der zuständigen Gepäckermittlung. Am Informationsschalter wies man uns schließlich den Weg.
„Also Gisbert. Du lässt mich das machen, verstanden?“
„Ja, du bist der Chef.“
„Genau,