Regen am Nil. Rainer Kilian
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Am Abend floss der Wein in Strömen und die Soldaten feierten den Sieg, allen voran Imen-Re. Etwas mitleidig betrachteten sie Senenmut, der vermeintlich so unglücklich agiert hatte. Er hatte sich bewusst abseits gehalten. Nach Feiern war ihm sowieso nicht zumute; sein Bein machte ihm ebenfalls zu schaffen. Nur kurz ließ er sich sehen, dann humpelte er wieder zu seinem Zelt zurück. Kurz vor dem Eingang wurde er an den Schultern gepackt und zu Boden geworfen. Im Fackelschein blitzte eine blutige Mitanni-Streitaxt.
Es war Imen-Re! „Höre zu, du dummer Junge! Wenn du jemals auch nur ein Wort erzählst, werde ich dir mehr als deine Hand abschneiden, verstanden?“ Er zog die Schneide über Senenmuts Hals, wo sie eine dünne Blutspur hinterließ. „Das war meine erste und letzte Warnung. Morgen, bei Beginn des Tages, wirst du mit den Boten nach Theben zurückkehren. Wenn ich dich danach noch einmal sehe, sorge ich persönlich dafür, dass du bei Osiris sein wirst!“ Dann war er verschwunden.
Santorin
„Platz 19A!“, sagte die Dame am Checkin-Counter, wie das so schön auf Neudeutsch hieß. „Vielen Dank!“, sagte ich artig. Sie hatte meinem Wunsch gemäß einen Fensterplatz reserviert. Nichtraucher, in der Nähe des Notausganges. Nicht, dass ich Angst vorm Fliegen hätte, im Gegenteil. Aber die Plätze dort boten am meisten Beinfreiheit und beste Sicht nach draußen. Ich begab mich voller Freude durch die Sicherheitszone. Gepäck röntgen, abtasten. Mein Notebook und Handy hatte ich auch dabei, obwohl ich erst gezögert hatte. Schließlich wollte ich Urlaub machen. Aber mein Gewerbe verlangte mitunter schnelle Entscheidungen. Und so konnte ich auf eventuell notwendige Daten zugreifen. Und Monique war die optimale Abwehrmauer gegen lästige Zeitgenossen. Ich hatte volles Vertrauen zu ihr, was ihre Nachrichtensperre anbelangte. Sie würde nur lebensnotwendige Mails an mich weiterleiten, sonst hätte ich ja auch zu Hause bleiben können. Aber so würde das Notebook mehr meiner Beruhigung dienen. Ich gedachte, es nicht wirklich zu gebrauchen.
Der Kontrolleur schien sich auch seine Gedanken zu machen, was in aller Welt ein Mann mit Jeans und T-Shirt mit so einem elektrischen Hundehalsband im Urlaubsgepäck will. Also verlangte er den üblichen Funktionstest. Einschalten, Programm starten und wieder runterfahren. „Alles Okay, guten Flug.“ wünschte er mir und schon saß ich im Flieger. Ein Airbus A321, die Maschine war vertrauenerweckend neu. Wie schon gesagt, Angst vorm Fliegen kannte ich nicht, ich hatte sogar ein paar Jahre Gleitschirmfliegen betrieben. Aus Zeitgründen hatte ich es schweren Herzens aufgegeben. So war mir die Höhe vertraut, der Flug war für mich das halbe Urlaubserlebnis. Die Crew wies nur noch pantomimisch auf Sicherheitshinweise hin, eingebaute LCD-Bildschirme führten Alles vor, was wichtig war. Ich kannte es schon auswendig. Meine Sitznachbarin, eine Dame mittleren Alters, war eher beunruhigt.
„Ich fliege zum ersten Mal heute“, versicherte sie mir. „Wenn meine Söhne mir den Flug nicht geschenkt hätten, wäre ich niemals in den Flieger rein. Mit der Schwimmweste käme ich nie zurecht. Und überhaupt, mit den Handys und so. Wenn die einer einschaltet, passiert wer weiß was. Ham Sie auch so was?“
„Nein, nein!“, beruhigte ich sie und musste schmunzeln. Wie gut, dass sie das Lap nicht gesehen hatte, sie wäre wohl wieder ausgestiegen. Ich beschloss, sie ein wenig zu beruhigen, das würde auf dem Flug auch mir zugutekommen.
„Schauen sie mal nach draußen“, sagte ich, während die Maschine zur Startbahn rollte, und deutete auf die Ruder in den Tragflächen. „Sehen sie, wie die sich bewegen?“ „Die werden doch nicht kaputt sein?“ „Nein, mit den Start- und Landeklappen vergrößert der Pilot die Tragfläche. Damit steigt die Maschine besser.“ Sie schien etwas beruhigter, als die Maschine die Startbahn erreichte und sofort Geschwindigkeit aufnahm. Unwillkürlich fasste sie dann doch nach meinem Arm und grub ihre Finger ein, als die Maschine abhob und in den Himmel stieg. Ab jetzt begann mein Urlaub! Mit einer Linkskurve schwenkten wir auf Kurs Richtung Süden. Aus dem Fenster konnte ich den Flughafen und die Frankfurter Skyline sehen. Sie verschwanden schnell aus unserem Blickfeld.
„Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein ...“, summte ich vor mich hin. Schon bald konnten wir die Alpen sehen. „Meine Damen und Herren, herzlich willkommen auf unserem Flug nach Santorin“, meldete sich der Kapitän aus dem Cockpit. „Wir haben jetzt unsere Reiseflughöhe von 10700 Metern erreicht. Unsere momentane Geschwindigkeit beträgt derzeit etwa 800 km/h. Wir werden auf unserem Flug über Venedig an der italienischen Küste entlang fliegen. Nach Brindisi werden wir einen Schwenk nach links über das Ionische Meer nach Preveza machen. Dann werden wir über Athen zu den ägäischen Inseln fliegen und in Santorin landen.“ Momentan ruckelte es etwas und meine Nachbarin lächelte verkrampft zu mir herüber. „Wie Sie sicher merken ist es momentan etwas unruhig“, fuhr der Kapitän fort. „Aber wir haben etwas Rückenwind bekommen und werden ca. 20 Minuten früher landen können. Wenn wir die Alpen hinter uns haben, wird es etwas ruhiger werden. Also noch einen guten Flug und schönen Urlaub in Griechenland.“
Das war sehr gut für mich, so kam ich wohl früh genug in den Hafen, um die Fähre nach Ios zu bekommen. Im Duty-Free an Bord suchte ich mir eine neue Uhr aus, die ich mir gleich ans Handgelenk band. Das war für mich schon ein Ritus geworden. Im Gegensatz zu irgendwelchen Staubfängern aus dem Touristen-Basar hatte ich mir als Symbol und Erinnerung an die „schöne Zeit“ angewöhnt, eine Uhr zu kaufen. So konnte ich meine Urlaubs-Erinnerungen am Arm tragen. Die Stewardess servierte uns anschließend eine kleine Mahlzeit aus der Bordküche, die sehr wohlschmeckend war. Putenschnitzel mit Gemüse, Schoko-Pudding mit Vanillesoße. Relativ schnell hatte ich meine Ration verputzt, während meine Nachbarin mit der Verpackungsfolie kämpfte. Ich half ihr, das Besteck zu befreien.
Die Verpflegung an Bord konnte sich wirklich sehen lassen, aber insgeheim freute ich mich sehr auf die griechische Küche mit ihren mediterranen Spezialitäten. Der Gedanke an ein Glas Retsina mit Lammbraten ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. Das tatsächlich genossene Essen und der servierte Rotwein ließen meine Lider schwer werden. Der Flug war tatsächlich ruhiger geworden. Etwas Zeit war noch bis zur Landung, und so ließ ich mich vom Summen der Triebwerke einlullen. Langsam glitt ich ab ins Reich der Träume ...
Die Heimkehr
Kurz nach Sonnenaufgang erhielt Senenmut den offiziellen Befehl von Imen-Re, als Bote nach Theben zurückzukehren, um die Siege des Pharaos zu verkünden. Thutmosis selbst unterbrach seine Heimreise, um sich in den Sümpfen des Euphrats beim Jagen zu entspannen. Das gab den Thebanern wiederum Zeit, alles für die Heimkehr und den triumphalen Empfang des Pharaos vorzubereiten. Als Geschenk für den Amun-Tempel führten sie einige gefangene Mitanni mit sich, die fortan als Sklaven dem Heiligtum dienen sollten. Dafür blieben sie verschont und behielten ihre Hände.
Als sie nach langer Reise das Nildelta erreichten, war Senenmut glücklich, den Nil zu sehen. Zum einen wollte er das Land der Mitanni und das Erlebte so schnell wie möglich hinter sich lassen. Und außerdem würden sie den Rest der Reise nach Theben auf einer bequemen Nilbarke zurücklegen, was ihm Gelegenheit gab, sein verletztes Bein zu schonen. Die tiefe Wunde war am verheilen, aber es würde noch einige Zeit dauern, bis er schmerzfrei war. Er überlegte, was schmerzhafter war: die Verwundung selbst oder die Behandlung durch den Arzt. Der hatte, um die Wunde zu schließen, mit einer Hand eine Wächtertermite auf den klaffenden Wundrand gehalten, während er mit der anderen Hand die Wunde zudrückte. Mit ihren kräftigen Kiefern verbiss sie sich in die Haut. Im gleichen Moment trennte der Arzt den Kopf der Termite durch eine schnelle Drehung mit der Hand von ihrem Körper.
Das wiederholte er mit weiteren Termiten so lange, bis der komplette Wundrand durch die Kiefernzangen bedeckt war. Durch die rasche Trennung des Kopfes