Regen am Nil. Rainer Kilian

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er etwas Passendes, es war eine kleine Schmuckdose mit einer Spieluhr im Deckel. „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten ...“ erklang beim Öffnen der Dose.

      „Deine Frau wird stolz auf dich sein“, lobte ich ihn. „Aber noch mal von vorne, was wolltest du denn eigentlich von mir?“

      Er zog einen faustgroßen Gegenstand aus seiner Jackentasche, der in ein Stofftuch gehüllt war. „Wir haben letzte Nacht einen kleinen Dealer hochgenommen. Er hatte das hier dabei.“ Er legte es auf die Theke und begann es auszuwickeln. Es war ein faustgroßer Skarabäus aus einem grünlich schimmernden Stein.

      „Der kleine Ganove behauptet, das wäre ein fabrikneues Souvenir aus Ägypten. Aber der sieht reichlich alt aus. Mich würde interessieren, was du meinst. Wenn seine Behauptung stimmt, würde ich mich recht blamiert fühlen.“ Ich hatte nie mit ägyptischen Antiquitäten gehandelt. Teilweise war es strafbar und das meiste war sowieso im Besitz von Museen. Aber dieser Skarabäus war interessant. Ich hatte von meinem Vater ein paar Hieroglyphen zu entziffern gelernt. Ich nahm den Skarabäus mit dem Tuch in die Hand und betrachtete ihn von oben und den Seiten.

      „Solche Skarabäen waren Glücksbringer und oft auch Propaganda in Stein. Die Pharaonen haben oft Hunderte Skarabäen fertigen lassen, immer mit gleichem Text, um ihre Taten im Land bekannt zu machen.“

      „So 'ne Art Bild-Zeitung vielleicht?“, versuchte er zu verstehen.

      „Ja, so ähnlich, aber mit gewichtigerem Inhalt. Betrachten wir uns mal die Unterseite.“

      Der Skarabäus ruhte die ganze Zeit auf dem Tuch in meiner Hand. Jetzt wollte ich ihn mit der anderen Hand umdrehen und berührte ihn direkt. Wie ein Blitz durchfuhr es mich schlagartig, und meine Hand krampfte sich um den Skarabäus. Ich sah plötzlich Bilder vor mir, die binnen Sekunden auf mich einstürzten. Als wenn jemand ein Fenster öffnet und sofort wieder schließt; bevor man verstand, was man gesehen hatte, war es wieder verschwunden. Aber es waren Tausende Bilder, ich hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen. Ich hörte Stimmen, die wie von weit her zu mir sprachen, ohne dass ich sie verstand. Ich taumelte und griff mir ans Herz, das wild zu rasen begann. Ich fand Halt an der Theke, gleichzeitig war Peter zur Stelle, um mich aufzufangen.

      So schnell, wie es kam, war es wieder vorbei. „Was ist mit dir? Soll ich einen Arzt holen?“ Der Schrecken stand ihm ins Gesicht geschrieben.

      „Nein, nichts“, log ich. „Nur ein paar Kreislauf-Probleme, ich kann nachts in dieser Hitze nicht richtig schlafen. Außerdem müsste ich mehr trinken.“ Ich hatte mich etwas gesammelt, um ihm wieder zu antworten.

      „Junge, Junge, Felix, ich hab schon gedacht, mein Erster-Hilfe-Schein kommt zum Einsatz. Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“

      „Thutmosis, der Dritte!“, stammelte ich.

      „Was?“

      „Thutmosis, der Dritte! Der Skarabäus ist echt!“

      Peter blickte mich entgeistert an. „Du hast ihn ja kaum angeschaut!“ Erst jetzt fiel mir auf, dass ich den Stein noch in der Hand hielt; sie zitterte etwas. Ich zeigte ihm ein Zeichen, das von einem ovalen Ring umgeben war.

      „Das ist eine Kartusche. Darin ist der Name des Pharaos eingraviert.“ Innerhalb der Kartusche war das Zeichen einer Scheibe mit einem Punkt in der Mitte, ein Käfer und eine Art Spielbrett zu sehen. „Der Skarabäus ist etwa 1450 vor Christus hergestellt.“

      „Felix, du bist ein Phänomen. Erst fällst du mir halb tot in den Arm, dann bestimmst du mit einem Blick das Alter von diesem Stein. Aber ich danke dir. Jetzt müssen unsere Profis ran.“ Er nahm mir den Skarabäus aus der Hand und wickelte ihn wieder in das Tuch ein. „Aber trink mal 'nen Eimer Wasser. Du siehst immer noch etwas blass aus.“ Er legte mir zum Abschied den Arm um die Schulter und verließ mich.

      Ich ging erstmal hinter dem Haus in den Garten, um frische Luft zu schnappen. Jetzt erst bemerkte ich, dass meine rechte Hand schmerzte. Ein paar der Hieroglyphen waren noch als Abdruck zu sehen. Sie hoben sich weiß ab gegen die restliche Handinnenfläche, die rot war und wie Feuer brannte. Wie eine lang vergessene Erinnerung hörte ich eine Stimme, die wie von weit her zu kommen schien. Aber unbewusst sprach ich die Worte nach, die sich in meinem Kopf breitmachten:

      „Hört die Worte des Thutmosis: Groß ist Amun-Re, er hat mich zu seinem Pharao gemacht. Die Ketzer sind besiegt!“ Ich hatte die Hieroglyphen kaum gesehen, geschweige denn entziffert. Woher kannte ich den Text? Ich wusste es nicht und war froh, dass mir niemand in diesem Moment diese Frage stellte. Ich spürte immer noch ein Stechen in der Brust. Da ich alleine war, öffnete ich mein Hemd, um Luft zu bekommen. Als ich an mir herabsah, fiel mein Blick auf mein Muttermal auf der linken Brust.

      Seit meiner Geburt war es dort vorhanden, aber relativ blass und unscheinbar. Es hatte mir nie Probleme bereitet, aber jetzt brannte es wie meine Hand und war feuerrot. Es war vielleicht so groß wie ein Euro-Stück. Wie die Beine eines Käfers liefen einige Adern aus seinem fast kreisrunden Zentrum. Erst in dieser Situation wurde mir die Ähnlichkeit mit dem Skarabäus bewusst und mir war es himmelangst. Nur langsam konnte ich mich beruhigen. Das Brennen wurde schwächer und die Rötung ließ nach, aber wie eingebrannt waren mir die Worte im Gedächtnis. „Die Ketzer sind besiegt!“

      Allmählich verblasste das Bild vor meinem inneren Auge und ich saß immer noch auf dem Rothenberg. Mit einem Seufzer erhob ich mich von der Bank und machte mich auf den Heimweg. Es war fast Mittag geworden, als ich am Marktplatz ankam.

       Die Schlacht in Mitanni

      Jahre waren ins Land gegangen. Senenmut war zu einem Jüngling herangewachsen und in die Armee eingetreten. Er war mit seinem Pharao Thutmosis bis über den Grenzstein gegangen, der das Reich der Mitanni markierte. Sie hatten den Fluss Euphrat überquert. Viele Feinde hatten Sie niedergestreckt und reiche Beute gemacht. Damit man die Zahl der getöteten Feinde besser überblicken konnte, war es Brauch geworden, ihnen eine Hand abzuhacken.

      Auch Senenmut hatte Hände zu zählen, was Ausdruck der Tapferkeit eines Soldaten war. Aber die rechte Freude darüber wollte bei ihm nicht aufkommen. Ihm war dieser Ritus zuwider, aber er hütete sich, darüber mit den älteren Soldaten zu sprechen, denen es vollkommen normal geworden war. Abends saßen sie alle am Feuer und brüsteten sich mit ihren Taten. „Heute war ein Fest für uns!“, jubelte Imen-Re, ein erfahrener Soldat, der schon viele Jahre als Söldner in der Armee gedient hatte. „Sachmet, die Löwenköpfige, war an unserer Seite. Horus ist mein Zeuge, ich habe mit dem Blut unserer Feinde die Erde reingewaschen!“, brüstete er sich.

      Senenmut hatte schon ein paar Schlachten erlebt und es fiel ihm schwer, all das Leid zu erleben, den ein Krieg mit sich bringt. Er freute sich zwar, dass der Pharao die Grenzen Ägyptens erweiterte und festigte. Aber er hatte heute an der Seite von Imen-Re erlebt, was der Krieg aus einem Menschen machen konnte. Die ganze Zeit schon hatte er sich abseits gehalten und dachte mit Schaudern an das Erlebte. Die Mitanni waren geschlagen. Ihre Formation hatte sich aufgelöst und sie flüchteten planlos vor den Kampfwagen des Pharaos, die sie verfolgten. Imen-Re war Wagenlenker, Senenmut war ihm als Bogenschütze zugeteilt. Er hatte den Bogen aber längst niedergelegt und seine Pfeile im Köcher gelassen, denn Imen-Re trieb die Pferde so schnell vor sich her, dass ein Zielen unmöglich geworden war. Statt dessen hatten sie ein kurzes Schwert gezogen.

      Imen-Re steuerte den Streitwagen dorthin, wo die flüchtenden Mitanni am dichtesten liefen. Er schrie vor Freude auf, wenn die schweren Räder des Wagens zwei oder drei Feinde niedermähten. Senenmut musste sich festhalten, um nicht selbst in das Geschirr zu stürzen. Imen-Re schien es nichts auszumachen, einhändig das Gespann

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