Regen am Nil. Rainer Kilian

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Regen am Nil - Rainer Kilian страница 9

Автор:
Серия:
Издательство:
Regen am Nil - Rainer Kilian

Скачать книгу

      „Imen-Re, halt ein!“, schrie Senenmut gegen den Lärm der galoppierenden Hufe an. „Die Herolde haben lange schon zum Rückzug geblasen!“ Wie ein Wahnsinniger trieb Imen-Re den Streitwagen in die Front der Feinde. Senenmut blickte kurz zurück und sah, dass die anderen Streitwagen des Pharaos weit entfernt abgedreht hatten und die flüchtenden Feinde schonten.

      Im gleichen Moment, als er sich zurückdrehte, sprang der Wagen mit einem Rad über den Körper eines unglücklichen Mitanni und geriet ins Schlingern. Senenmut verlor das Gleichgewicht, seine Hände verloren den Halt, und er stürzte nach hinten aus dem offenen Teil des Wagens. Er schlug auf den Boden auf, der in der Sonne hart getrocknet war. In seinem Blutrausch fuhr Imen-Re einfach weiter.

      Senenmut hatte das Gefühl, als wären alle Knochen in seinem Leib gebrochen; er hatte jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken. Er war mitten in der Front der Mitanni-Krieger gelandet. Zwei Soldaten hatten ihn entdeckt und kamen ihm bedrohlich nahe. Er lag noch auf dem Rücken, als der Erste mit erhobener Streitaxt und wildem Geschrei auf ihn eindrang. Die Angst verlieh Senenmut übermenschliche Kräfte. Er warf sich zur Seite und riss sein Schwert nach oben.

      Die Axt drang Funken sprühend in den steinigen Untergrund neben seinem Kopf ein. Das Schwert hingegen hatte sein Ziel nicht verfehlt und stieß tief in den Bauch des Angreifers. Kraftlos stürzte der getroffene Körper über ihn und bedeckte Senenmut mit einem blutigen Schwall aus seinem Mund. Durch die Wucht des Sturzes war das Schwert bis ans Heft eingedrungen. Senenmut schob den zuckenden Leib über sich zur Seite, um sich zu befreien. Er versuchte das Schwert zu lösen, aber der Mitanni schrie aus Leibeskräften auf und klammerte seine Hände um den Griff des Schwertes. Sein Schrei wurde von seinem Blut erstickt, das mit dem Mageninhalt zusammen aus seinem Mund strömte.

      Voll Entsetzen starrte Senenmut auf die grausige Szene, als der zweite Mitanni ihn erreicht hatte. Dieser war mit einem Speer bewaffnet und zielte auf ihn. Panisch ergriff Senenmut die Streitaxt des ersten Angreifers und warf sie mit Wucht gegen den Feind. Mit einer Rolle zur Seite suchte er dem tödlichen Speerwurf zu entrinnen. Er hörte das Sirren in der Luft und spürte, wie der Speer in seinen Oberschenkel eindrang. Im ersten Schock verspürte er keinen Schmerz; er drehte sich vielmehr nach dem Speerwerfer um, als er aus dessen Richtung ein knirschendes Geräusch hörte. Die Axt war auf der rechten Seite in Höhe des Schlüsselbeines in den Brustkorb des Mitanni eingedrungen. Wie in Zeitlupe sackte dieser zusammen.

      Erst jetzt verspürte Senenmut den ohnmächtigen Schmerz in seinem Bein, er sank stöhnend zu Boden. Der Speer steckte immer noch in seinem Oberschenkel und macht ihn jetzt bewegungsunfähig. Das Blut in seinem Schädel dröhnte, der Boden schien unter ihm zu erbeben. Plötzlich war über ihm ein weiterer Mitanni, der mit der Axt zum Todesschlag ausholte. Das Beben übertönte alle Geräusche, als schlagartig ein großer Schatten die Sonne verdunkelte. Senenmut erwartete den tödlichen Schlag, als ein scharfes Zischen die Luft zerschnitt. Gleichzeitig schlug es dem Mitanni den oberen Teil seines Helmes mitsamt seiner Schädeldecke weg. Mit ungläubigem Blick fiel dieser leblos zu Boden. Als Senenmut den offenen Schädel neben sich sah, aus dem pulsierend Blut drang, umfing ihn gnädig tiefe Ohnmacht.

      Imen-Re war aus seinem Wahn erwacht und war umgekehrt, um dem jungen Soldaten beizustehen. Er kam gerade noch rechtzeitig, um den letzten Angreifer auszuschalten. Er hielt an und sah den Speer in Senenmuts Oberschenkel stecken. Er stellte seinen Fuß auf dessen Bein und riss den Speer aus der Wunde. Der tiefe Schmerz ließ Senenmut erwachen. Stöhnend und unfähig, klar zu denken, beobachtete er, wie Imen-Re sein Bein verband, um das Blut zu stoppen.

      „Du kannst den Göttern danken, dass ich bei dir war. Amun war mit dir, du Narr!“, schimpfte er los. „Wenn ich nicht gekommen wäre, hätten die Mitanni dich in Scheiben gehackt und den Geiern zum Fraß vorgeworfen!“ Senenmut war wütend, aber der Schmerz lähmte seine Zunge. Mehr als ein Stöhnen brachte er nicht heraus. Imen-Re packte ihn an seiner Rüstung und zog ihn unsanft nach oben. Dann schleifte er ihn ohne Rücksicht zu seinem Streitwagen und warf ihn unsanft auf die offene Standfläche.

      „Bleib hier sitzen, ich habe noch etwas zu tun!“, forderte er ihn auf.

      Was dann geschah, konnte Senenmut nicht fassen. Imen-Re stapfte durch den Sand auf den Mitanni zu, den Senenmut mit der Axt getroffen hatte. Die Axt steckte immer noch in der Brust des Soldaten, der sterbend auf dem Rücken lag. Imen-Re stellte wie zuvor bei Senenmuts Oberschenkel einen Fuß auf die Brust des Mitanni und riss die Axt aus dessen Lunge, worauf die Luft sofort pfeifend aus dem Spalt entwich. Blutroter Schaum drang aus der Wunde und aus dem Mund hinaus und erstickte die Schreie des Sterbenden in einem grausigen Blubbern. Gnadenlos hob Imen-Re die Axt und schlug ihm die rechte Hand ab. Er hob sie auf und steckte sie an seinen Gürtel. Dann ging er zu Senenmuts erstem Angreifer, der im Todeskampf seine Hände um das Schwert geklammert hatte. Er lebte ebenfalls noch, war aber schon zu schwach, um sich zu bewegen. Auch ihm schlug Imen-Re die Hand ab, nachdem er zuvor mit einem Tritt gegen den Arm dafür gesorgt hatte, dass dieser gestreckt dalag. Ohne Rührung ging er auf den Mitanni zu, den er selbst zuvor getötet hatte, und vollendete sein unmenschliches Werk.

      Ohne sich um die sterbenden Krieger zu kümmern, bestieg er seinen Streitwagen und lenkte ihn zurück ins Lager des Pharaos. Senenmut wehrte sich indes nicht mehr gegen die aufsteigende Übelkeit in ihm aufgrund des Blutverlustes, und noch mehr wegen dessen, was er mit ansehen musste. Er erbrach sich und erneut fiel er in Ohnmacht, als sie das Lager erreichten. Nur durch einen Nebel der Erinnerung konnte er die Jubelschreie der Soldaten hören, die Imen-Re und seine Kriegsbeute begrüßten, dann wurde es dunkel um ihn.

      Er erwachte, ohne zu wissen, wie lange er bewusstlos gewesen war. Als ihm die Erinnerung des Geschehenen wiederkam, musste er sich erneut übergeben. Er lag in einem Zelt, vor der Sonne geschützt. Er hatte einen frischen Verband erhalten, ohne dass er etwas davon bemerkt hätte. Aber noch mehr als sein Bein schmerzten ihn die Bilder, die ihm vor seinem geistigen Auge erschienen. Jubel drang von außen in sein Zelt. Senenmut erhob sich, so gut es eben ging, und näherte sich humpelnd dem Ausgang, wo er sich an einer Zeltstange abstützte. Er konnte Pharao Thutmosis sehen, der aus einem goldglänzenden Streitwagen Goldmünzen unter die siegreichen Soldaten warf.

      Senenmut glaubte zu träumen, aber neben Thutmosis stand Imen-Re! Er hatte eine frische polierte Rüstung an und blickte mit dem Pharao auf die Soldaten, die vor ihnen in Reih und Glied standen.

      „Soldaten Ägyptens!“, sprach der Pharao. „Höret meine Worte! Wir haben heute einen glanzvollen Sieg über die Mitanni erlangt. Ihr König wird es nie mehr wagen, seinen Fuß auf ägyptischen Boden zu setzen. Zum Dank werde ich eine Stele errichten lassen, die ich Amun-Re widme. Auch unseren Göttern Mut und Chons wollen wir danken. Sie haben uns heute einen besonders tapferen Soldaten zur Seite gestellt! Er hat heute nicht nur unzählige Hände erbeutet, sondern auch das Leben eines jungen und unerfahrenen Soldaten gerettet, in dem er drei Feinde gleichzeitig erschlug!“

      Senenmut konnte es nicht fassen. Imen-Re hatte ihn erst in diese Lage gebracht. Weil er sämtliche Befehle missachtete und Menschen tötete, die schon auf der Flucht waren und sich bereits ergeben hatten. Er hatte durch seine Mordlust ihre beiden Leben unnötig gefährdet. Und dann hatte er Senenmuts Ohnmacht genutzt, um die Geschichte in einem für ihn günstigen Licht erscheinen zu lassen. Er hatte ihm wohl das Leben gerettet, aber aus Gier zwei Menschen bei lebendigem Leib abgeschlachtet! Es widerte ihn an und er beschloss, bei der ersten sich bietenden Gelegenheit seine Vorgesetzten zu informieren.

      Aber Thutmosis hatte noch nicht geendet. „Als Lohn für seine Tapferkeit ernenne ich Imen-Re zum Befehlshaber der Bogenschützen und Wagenlenker!“ Senenmut schwankte der Boden unter den Füßen. Damit war ihm jede Möglichkeit genommen, den wahren Sachverhalt zu klären. Vor Wut schossen Senenmut die Tränen in die Augen. Er wünschte sich jetzt nichts sehnlicher, als zu Hause zu sein. Seine Eltern hatten ihn immer gelehrt, dass das menschliche Leben das höchste Gut sei, aber in der Armee wurden die größten Schlächter zu Befehlshabern

Скачать книгу