Der rote Feuerstein. Kim Scheider

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der rote Feuerstein - Kim Scheider страница 16

Автор:
Серия:
Издательство:
Der rote Feuerstein - Kim Scheider

Скачать книгу

das Känguru, inzwischen ohne Mütze, dafür mit völlig falsch geknoteter Krawatte, etwas ungeduldig nach.

      Lachend legte der König seine Hand auf die schmale Schulter des Tieres. „Ja, es kann losgehen!", rief er feierlich. „Lasst uns zunächst das Datum der nächsten Krönung auslosen.”

      Das Känguru stand bereits hinter dem silbernen Kessel. Es krempelte seine imaginären Ärmel hoch und tauchte seine Pfote tief in die Flut aus Papierschnipseln ein. Das Volk war so leise, dass die Luft zu knistern schien. Aufreizend langsam zog das Känguru einen kleinen weißen Zettel aus dem Loskessel, faltete ihn umständlich auseinander und las für sich leise das darauf befindliche Datum. Erschrocken sah es zu Fosite, dann wieder auf den Zettel und zurück zum König.

      „Was ist denn los, mein Freund?”, fragte dieser das verschreckte Tier. „Du machst ein Gesicht, als hättest du den nächsten Sonntag gezogen.” Es sollte eigentlich ein kleiner Scherz sein, doch als Fosite noch einmal in das verstörte Gesicht des Kängurus schaute, war er sich nicht mehr sicher, ob er nicht sogar voll ins Schwarze getroffen hatte. Auch in der Atlanter Bevölkerung kehrte Unruhe ein.

      „Ich hab’s doch gewusst!”, meinte Deak, ohne zu wissen, was überhaupt auf dem Zettel stand. Vicki sah ihn nur Schulter zuckend an und blickte wieder erwartungsvoll zu dem nach wie vor sprachlosen Känguru, das sich nun kräftig räusperte, bevor es die Stimme erhob.

      „Die nächste Krönung findet am 18. April...”, sagte es überdeutlich und legte eine dramaturgische Pause ein, bevor es die Bombe platzen ließ. „Sie findet statt am 18. April 2007!”

      Fassungslose Stille breitete sich aus. Klar, irgendwann musste das passieren, aber ausgerechnet bei Fosite? Er wäre so ziemlich der erste König gewesen, der es auch in einem demokratischen Wahlverfahren geschafft hätte, die Massen zu begeistern. Zwar hatten die vorherigen Könige ihre Arbeit nicht unbedingt schlecht gemacht, doch wäre keiner von ihnen ihr Wunschkandidat gewesen. Die schrullige „Barbara die Schöne” schon mal gar nicht.

      Fosite hingegen war ein weithin geachteter Atlanter und als friesischer Friedensgott geradezu bestimmt, einen solchen Job zu machen. Und jetzt das! Nur zwei Jahre und neun Tage! Das war ein sehr trauriger Rekord in der Geschichte der Fantasiewelt. Der einzige, der sich zu freuen schien, aber nur weil er recht behalten hatte, war Deak.

      „Was hab ich gesagt?”, triumphierte er. „Na, was hab ich gesagt?”

      Genervt verdrehte Vicki die Augen. „Ja, ja, ist ja gut, du hast ja recht bekommen, oder? Ich kann’s einfach nicht glauben, nur gute zwei Jahre, das ist jawohl ein Witz!” Die kleine Fee war außer sich.

      „Noch mal, noch mal, noch mal”, skandierte die Menge aufgebracht. Mit diesem Ergebnis war anscheinend niemand zufrieden. Vicki und Deak blickten zu Fosite, der auch etwas irritiert wirkte, doch ganz staatsmännisch reagierte.

      „Meine lieben Atlanter, so beruhigt euch doch bitte wieder. Wir wollen doch die alten Traditionen nicht gleich brechen, bloß weil wir uns vielleicht etwas Anderes erwünscht hätten. Außerdem wisst ihr ja noch gar nicht, ob ihr mit mir als eurem neuen König überhaupt zufrieden seit! Wer weiß, vielleicht werden euch ja sogar die zwei Jahre am Ende noch zu lang sein!” Fosite gab sich alle Mühe glaubwürdig und überzeugend rüber zu kommen, aber auch er war unverkennbar enttäuscht. Wie sollte er in zwei Jahren die dringend nötigen Reformen ans Laufen bringen, so dass er sein Amt ruhigen Gewissens einem Nachfolger übergeben könnte? Als er dem Känguru schließlich gebot, mit der Auslosung des künftigen Königs oder der Königin zu beginnen, hielt das Volk geradezu den Atem an.

      Freundlicherweise sparte das Beuteltier sich diesmal das Brimborium drum herum, langte beherzt in den goldenen Kessel, zupfte eines der zusammengefalteten Fotos aus der Mitte und betrachtete es wieder erstmal still für sich. Erleichtert entspannte sich sein Gesicht und es wandte sich den Atlantern zu. Nun machte es die Sache doch wieder spannend. „Unsere zukünftige Königin, denn eine Königin wird es wieder sein, ist...”

      „Nun mach schon”, knurrte Deak ungeduldig, der bereits Schlimmstes befürchtete.

      „Das Los hat entschieden, dass es Prinzessin Vicki XII. sein wird!”

      Die Atlanter atmeten erleichtert auf. Damit konnten sie leben. Vicki war allseits recht beliebt, wenn auch nicht ganz so, wie Fosite, aber sie würde ihre Arbeit sicher auch gut machen.

      „Da hast du’s! So ein Mist, da hast du’s!” Deak fluchte entsetzt vor sich hin.

      „Wie wär’s mit ‘ner Gratulation, statt mit lauter Schwarzseherei?” Vicki zog eine beleidigte Flunsch. Insgeheim war sie sich allerdings auch nicht mehr so ganz sicher, ob ihre Auslosung unter den gegebenen Umständen ein Grund zum Feiern sei.

      Fosite hingegen klatschte begeistert in die Hände und zunehmend fiel auch das Volk mit in den Applaus ein. Der Boden auf dem Festplatz begann zu beben und die Zweige der Weltenesche drohten abzubrechen, so ein Spektakel veranstalteten die Atlanter, die sich im dichten Geäst einen guten Platz gesucht hatten. Als Fosite Vicki dann zu sich nach vorne bat, um ihr zu gratulieren, jubelte die Menge bereits ausgelassen und selbst Deak konnte wieder lächeln. Vicki flog Luftrollen schlagend und Funken sprühend eine Ehrenrunde über die Zuschauer und ließ sich dann auf der Lehne des Ratstuhles nieder, während Fosite dem Känguru ein Zeichen gab, nun mit der Ziehung des stellvertretenden zukünftigen Königs weiterzumachen.

      Wieder langte es beherzt in den goldenen Kessel, zog einen weiteren Zettel heraus und gab das Ergebnis diesmal sofort bekannt. Es wollte die Sache wohl endlich hinter sich bringen.

      „Der stellvertretende zukünftige König von Atlantis ist - ”, und seine Stimme erstarb, während es den Zettel auseinander faltete und das darauf befindliche Bild erblickte. „Es ist Birger, der Rochusmensch!”

      Gerade mal drei Atlanter brachen nun in Jubel aus, nämlich die drei Unholde, die gar nicht glauben konnten, welches Glück einem von ihnen beschieden war.

      Der Rest der Atlanter schwieg jedoch betroffen. Zwar hatten die Rochusmenschen sich nach ihrer Materialisierung öffentlich zu den Regeln aus dem „Buch der ersten Tage” bekannt, doch ganz geheuer waren die drei bislang keinem gewesen. Ganz im Gegensatz zur klangvollen Bezeichnung ihrer Gattung hatten die drei selber fast schon harmlos anmutende Namen: Roerd, Birger und Urs waren nicht gerade geeignet, einen das Gruseln zu lehren, doch wenn man vor ihnen stand, sah das Ganze schon anders aus. Auch wenn man ihnen nichts nachweisen konnte und sie alles daransetzten, ein scheinbar redliches Leben zu führen, wurden sie doch mit einigen unschönen Ereignissen in Verbindung gebracht. Und so glaubte keiner daran, dass eine eventuelle Regentschaft eines Rochusmenschen ihnen etwas Gutes bringen würde. Das war die wohl ungewöhnlichste und unerfreulichste Auslosung, die Atlantis bisher erlebt hatte.

      Manch einer wagte bereits laut an dem althergebrachten System zu zweifeln und forderte nun „ordentliche” Wahlen.

      Fosite schluckte kräftig, während Vicki mit vor Entsetzen starrem Gesicht zu Deak hinüber spähte, der nun wieder sein „Ich-hab’s-ja-gewusst-Gesicht” aufgesetzt hatte.

      Noch bevor ihn Fosite überhaupt dazu aufgefordert hatte, kam Birger schon mit giftgrün leuchtenden Augen auf ihn zugeflogen, um seine Gratulation entgegen zu nehmen. Halbherzig klatschte nun auch der eine oder andere Atlanter, wohl mehr aus Höflichkeit als aus Überzeugung, unterließ dies aber sofort wieder, als er die bösen Blicke der Menge auf sich zog.

      „Nun ist es also entschieden”, wandte sich Fosite an das Volk und versuchte die peinliche Stille zu überbrücken, während der Rochusmensch und Vicki sich giftig anfunkelten. „So ist es also entschieden”, wiederholte

Скачать книгу